Nach vier Jahren Trump wird Joe Biden zum 46. Präsidenten der USA gewählt. Bei seiner Amtseinführung schlägt der Demokrat versöhnliche Töne an und verspricht, die gespaltene Nation zu einen.
Die Amtseinführung eines Präsidenten ist in den USA ein festlicher Akt. Die Amerikaner feiern die friedliche Machtübergabe, die sich seit Gründung des Landes im Jahre 1776 bewährt hat. Auf der National Mall, dem Park zwischen Kapitol und Lincoln Memorial, tummeln sich die Massen, um das neue Staatsoberhaupt zu begrüßen – bei Barack Obama waren es Schätzungen zufolge bis zu zwei Millionen Menschen. Zur Tradition gehört, dass der Präsident und die First Lady ein paar Schritte zu Fuß gehen, um den Menschen zuzuwinken. Am Abend wird schließlich getanzt, und das gleich auf mehreren Bällen.
So ist es jedenfalls in normalen Jahren. Ganz anders 2021: Gerade einmal zwei Wochen vor Bidens Amtseinführung hatte ein wütender Mob das US-Kapitol gestürmt. Die Stimmung ist angespannt, weil viele Trump-Anhänger die Niederlage ihres Idols nicht akzeptieren. Gleichzeitig wütet das Coronavirus im Land: Über 20 Millionen Infizierte und fast 350.000 Tote verzeichnen die USA bis zum Januar 2021. Statt Menschenansammlungen und rauschender Bälle prägen Mund-Nase-Bedeckungen das Bild, als Joe Biden am 20. Januar vereidigt wird. Statt mit Menschen ist die National Mall mit Fähnchen gespickt.
Donald Trump glänzt durch Abwesenheit
Auch sonst dominieren Symbole: Eine Militärband spielt Marschmusik, Lady Gaga singt die Nationalhymne, die afroamerikanische Dichterin Amanda Gorman rezitiert „The Hill We Climb", ein für diesen Anlass geschriebenes Gedicht voller Optimismus und Zuversicht: „Es wird immer Licht geben. Wenn wir nur mutig genug sind, es zu erkennen." Nachdem Vizepräsidentin Kamala Harris ihren Amtseid geschworen hat, legt der neue Präsident (und gläubiger Katholik) die Hand auf die Biden’sche Familienbibel. Nur einer fehlt: Donald Trump. Der scheidende Präsident verbringt die Amtsübergabe in seinem Ferienresort in Florida.
Um 11.52 Uhr tritt Biden schließlich ans Mikro. Schwarzer Mantel, blaue Krawatte, USA-Fähnchen am Revers. Die grauen Haare flattern im Wind. Gleich am Anfang seiner Rede spricht er die Attacke aufs Kapitol an, ebenso den tiefen politischen Riss, der durch sein Land geht: „Die Demokratie ist fragil, aber die Demokratie hat obsiegt." Wie schon im Wahlkampf verspricht Biden, sein Amt parteiübergreifend auszuüben: „Ich werde genauso hart für diejenigen kämpfen, die mich nicht unterstützt haben, wie für diejenigen, die mich unterstützt haben." Es sind Worte, die seinem Vorgänger nicht über die Lippen gekommen wären.
Biden spricht die Probleme seines Landes offen an: die vielen Corona-Toten, die politischen Verwerfungen, Klimawandel und Rassismus. Dann spannt er den großen Bogen, führt den amerikanischen Bürgerkrieg, die Weltwirtschaftskrise und die Terroranschläge vom 11. September 2001 als Belege dafür an, dass die USA bislang jede Krise gemeistert hätten, sogar gestärkt daraus hervorgegangen seien.
Doch schnell kehrt Biden von den hehren Idealen zur harten Realität zurück. Eindringlich und umgangssprachlich wendet er sich an die Millionen Zuhörerinnen und Zuhörer, die seine Rede verfolgen: „Ich weiß, dass viele meiner amerikanischen Mitbürger der Zukunft mit Angst entgegensehen. Dass sie sich fragen: Kann ich meine Krankenversicherung behalten? Meinen Kredit abbezahlen? (…) Ich verspreche Ihnen: Ich hab’s kapiert." Die Lösung sei aber nicht, „denjenigen zu misstrauen, die anders aussehen, eine andere Religion praktizieren oder ihre Nachrichten nicht von derselben Quelle beziehen wie man selbst."
Der neue Präsident, das wird schnell deutlich, setzt auf eine andere Rhetorik als sein Vorgänger. Doch auch mit dem Charisma und ungebrochenen Optimismus eines Barack Obama („Yes we can"), unter dem Biden als Vizepräsident diente, ist es vorbei. Die Realität im Jahre 2021 scheint nüchterner. Vielleicht liegt es aber auch an Biden selbst: Mit 78 Jahren ist er der älteste Präsident. Jugendhaften Eifer sollte man da besser nicht erwarten.
Biden gilt als Brückenbauer
Was konkrete Ziele angeht, hat sich Biden einiges vorgenommen. Er will den Klimaschutz forcieren, die Einwanderungspolitik humaner gestalten und „ewige Kriege" im Nahen Osten beenden. Darüber hinaus setzt er sich für einen Mindestlohn von 15 Dollar sowie für eine allgemeine Krankenversicherung ein. Vor allem aber ist Biden dafür bekannt, den Republikanern nicht nur rhetorisch die Hand zu reichen. Während seiner Zeit als Senator und später als Vizepräsident hat er sich einen Ruf als Brückenbauer erworben, der parteiübergreifende Gesetze voranbringt.
Im Anschluss an die Zeremonie steigt Biden in die Präsidentenlimousine „The Beast", um auf dem nahegelegenen Militärfriedhof Arlington National Cemetery einen Kranz niederzulegen. Mit dabei: Vizepräsidentin Kamala Harris, die erste Frau mit afrikanischen und asiatischen Wurzeln auf diesem Posten. Auch die ehemaligen Präsidenten Obama, Bush und Clinton sind gekommen, um den gefallenen Soldaten die Ehre zu erweisen – eine wichtige Geste in den USA, in denen das Militär im Alltag deutlich präsenter ist als hierzulande.
Am Nachmittag vollzieht Joe Biden schließlich den ersten offiziellen Akt als 46. Präsident der Vereinigten Staaten. Er wohnt der Amtseinführung der beiden demokratischen Senatoren Jon Ossoff und Raphael Warnock bei, die die Stichwahl im Bundesstaat Georgia gewonnen haben.
Bidens Partei hat nun eine hauchdünne Mehrheit in beiden Parlamentskammern. Sein Talent, Brücken zu bauen, wird der neue US-Präsident wirklich gut gebrauchen können.