Liga-Krösus und Triple-Sieger Bayern München scheiterte schon in der zweiten DFB-Pokal-Runde sensationell am Zweitligisten Holstein Kiel nach einem dramatischen Elfmeterschießen.
Die Reise gen hohen Norden trat das Münchener Star-Ensemble mit einer Liga-Pleite gegen Borussia Mönchengladbach im Gepäck an. Doch niemand konnte ernsthaft daran zweifeln, dass der FC Bayern München, seines Zeichen Triple-Gewinner der Saison 2019/2020, amtierender Champions League-Sieger und Bundesliga-Spitzenreiter, die Pflichtaufgabe in der zweiten DFB-Pokalrunde beim Drittplatzierten der Zweiten Bundesliga erfolgreich bewältigen würde. Das Match war eigens auf Wunsch der Roten wegen der extrem hohen physischen Belastungen der Bayern-Spieler in nationalen wie internationalen Wettbewerben auf einen Sondertermin verlegt worden. Es handelte sich daher um ein Nachholspiel der zweiten Runde, das am 13. Januar unter Leitung von Schiedsrichter Robert Schröder im Holstein-Stadion angepfiffen wurde. Dass die ARD mit der Liveübertragung des Kicks im öffentlichen Fernsehen mal wieder einen guten Riecher unter Beweis stellen sollte, konnte zu diesem Zeitpunkt noch niemand ahnen. Doch als um 23.27 Uhr die Bayern-Spieler enttäuscht und frustriert unter Schnee-Regen-Gestöber in die Kabinen geschlichen waren, war klar, dass der Underdog die glückliche Oberhand behalten hatte.
Die Kieler hatten dem übermächtigen Gegner im Elfmeterschießen den finalen Schlag versetzt und damit Historisches geleistet. Die letzte Niederlage der Bayern in einem so frühen Stadium des DFB-Pokals lag schon 20 Jahre zurück. Damals waren die Münchener im Elfmeterschießen beim damaligen Viertligisten 1. FC Magdeburg gescheitert. An die Pleite am Aachener Tivoli vor 17 Jahren konnte sich auch kaum mehr jemand erinnern.
Fin Bartels nutzte die einmalige Chance
In den zurückliegenden elf Jahren hatte der mit 20 Triumphen einsame Rekordhalter im deutschen Pokalwettbewerb jeweils mindestens das Halbfinale erreicht. Obwohl Bayern-Trainer Hansi Flick verletzungsbedingt oder zur Schonung einiger Stars mit Topscorer Robert Lewandowski an der Spitze fünf Veränderungen in seiner Stammformation vorgenommen hatte, wurden die Münchener bis kurz vor dem Halbzeitpfiff ihrer Favoritenrolle gerecht. Sie übernahmen weitgehend die Spielkontrolle und drückten den Gegner in dessen Hälfte zurück. Den Kielern blieb nichts anderes übrig, als durch unbändigen Kampf und enorme Laufbereitschaft gegenzuhalten. Der frühe Münchener Führungstreffer durch Serge Gnabry in der 14. Minute war daher zwar hochverdient, aber auch von Glück begünstigt, da der Nationalspieler bei seinem Abstauber aus kurzer Distanz nach einem harmlosen Kopfball von Thomas Müller klar im Abseits gestanden hatte. Das war von den Unparteiischen übersehen worden und auch durch Videobeweis nicht korrigiert, weil das Kontrollsystem im DFB-Pokal erst ab dem Achtelfinale vorgesehen war.
Wie aus dem Nichts fiel dann in der 37. Minute der Kieler Ausgleich durch Fin Bartels, der nach einem langen, die weit aufgerückte Bayern-Abwehrkette düpierenden Pass von Jannik Dehm allein vor Nationalkeeper Manuel Neuer aufgetaucht war und bei seinem Abschluss ins lange Eck die Nerven behalten hatte.
Gleich nach Wiederanpfiff zirkelte Leroy Sané in der 48. Minute einen direkten Freistoß aus 18 Metern unhaltbar in den Winkel des Kieler Tors. Alles schien gelaufen, bis Hauke Wahl in der letzten Minute der Nachspielzeit mit einem Lupf-Kopfball ins lange Eck der nicht für möglich gehaltene Ausgleich gelang und sich Kiel in die Verlängerug rettete. Dort hielt den Störchen ihr Schlussmann Ioannis Gelios mit mehreren Glanzparaden das Remis fest. Die Entscheidung vom Punkt sollte sich zu einem echten Drama zuspitzen. Denn die ersten fünf Schützen jeder Mannschaft trafen jeweils ins Schwarze. Es stand 5:5, als der eingewechselte Bayern-Nachwuchskicker Marc Roca an Gelios scheiterte. Diese Riesenchance zum Sieg ließ sich Fin Bartels nicht entgehen und verwandelte seinen Elfer eiskalt gegen Manuel Neuer. Danach war in Kiel Party angesagt, nicht nur auf dem Rasen, sondern auch in der Stadt, wo die überglücklichen Störche-Fans trotz Corona spontan einen hupenden Autokorso veranstalteten.