Weltberühmt geworden ist Sting vor allem als Bandleader der legendären Rockgruppe The Police sowie als Solo-Künstler. Neben dieser phänomenalen Karriere hat der britische Musiker und Komponist auch immer wieder seiner zweiten Leidenschaft gefrönt: der Schauspielerei.
New York, Upper West Side, Arconia Building. Sting verlässt sein Luxus-Apartment und fährt mit dem Fahrstuhl nach unten zur Lobby. Im Fahrstuhl trifft er zufällig auf Martin Short, der gerade seinen Hund Gassi führen will. Dieser hat einen fürchterlichen Verdacht: Ist Sting ein Mörder? Hat er vielleicht Tim – seinen Ex-Börsenmakler – aus Rache umgebracht? Weil Tim sehr viel von Stings Geld veruntreut hat? Martin Short verwickelt Sting in ein kurzes Gespräch. Der antwortet mürrisch, schaut ihn durchdringend an. Mit einem Killer-Blick? Und plötzlich kickt Sting sogar Martins Hund verächtlich zur Seite, weil der ihm zu sehr auf die Pelle gerückt ist. Ist das wirklich der Sting, den wir alle kennen und lieben?
Diese Szene spielt sich am Ende der dritten Folge der Miniserie „Only Murders in the Building" ab (wird auf Disney+ gestreamt). Die nächste Folge trägt dann nicht ganz zufällig den Episodentitel „The Sting". In der verspielten zehnteiligen Krimi-Parodie suchen Stars wie Martin Short, Steve Martin und Selena Gomez den Mörder, der in der Apartmentanlage, in der sie wohnen, ihren Nachbar Tim umgebracht hat. Sting ist ihrer Meinung nach einer der Hauptverdächtigen. Man sieht Sting trotz seiner zur Schau gestellten Coolness eindeutig an, wie viel Spaß es ihm gemacht hat, den exzentrischen Rock-Star zu spielen, der durchaus zu einem Mord fähig ist. Es ist nicht das erste Mal, dass Sting sich selbst spielt. Er trat auch in der Mode-Farce „Zoolander 2" und in der Doku-Komödie „Brüno" auf – als er selbst. Ebenso in einer Episode der TV-Kultserie „Ally McBeal", in der er zusammen mit Robert Downey Jr. der völlig verblüfften Ally als Geburtstags-Ständchen das unvergessliche „Every Breath You Take" singt.
„Ausprobieren – ohne den Film zu ruinieren"
Doch Gordon Matthew Thomas Sumner alias Sting startete seine Karriere natürlich als Rockmusiker mit The Police. Von 1978 bis 1983 brachte er mit seiner Band insgesamt fünf Alben heraus, die heute als absolute Rock-Klassiker gelten. Er erlangte mit Hits wie „So Lonely", „De Do Do Do, De Da Da Da" und „Walking on the Moon" Weltruhm. Wie andere Rockstars – David Bowie sei hier nur stellvertretend genannt – hatte Sting ebenfalls den großen Drang, sich auch als Schauspieler beweisen zu wollen. Mit 27 Jahren bekam er seine Chance, in einem Kinofilm mitzuspielen: In der Rock-Oper „Quadrophenia" nach dem gleichnamigen Konzeptalbum von The Who gab er 1979 sein Debüt. Sting erinnert sich: „Es hat mir große Freude bereitet, den Mod Ace zu spielen. Es war zwar eine Nebenrolle, aber ich hatte trotzdem ein paar tolle Szenen. So konnte ich mich als Schauspieler ausprobieren und war dennoch lange genug auf der Leinwand zu sehen, um ein bisschen Eindruck zu machen – ohne den Film zu ruinieren." Besetzt wurde er, wie er freimütig zugibt, weniger für sein schauspielerisches Talent, sondern weil er den richtigen Look für den Film hatte. Arrogant bis frech, aber sympathisch. Den richtigen Look hatte er auch für seinen nächsten Film, das Science-Fiction-Märchen „Der Wüstenplanet" (1984), für den ihn Regisseur David Lynch unbedingt haben wollte. In dieser Kultbuch-Adaption spielt Sting die Rolle des Feyd-Rautha-Harkonnen, den Gegenspieler von Kyle MacLachlan alias Paul Atreides, die sich auf dem Wüstenplaneten Arrakis bis aufs Messer bekriegen. Der intergalaktische Zankapfel: die bewusstseinserweiternde Droge Spice. Sting ist auch nach fast 40 Jahren immer noch durch seinen durchtrainierten Adoniskörper, seinen rotblonden Wuschelkopf und seine fantastischen Kostüme in lebhafter Erinnerung geblieben. „Diese Latex-Gummi-Outfits zu tragen war eine irre Erfahrung", meint Sting lachend. „Wir drehten überwiegend in Mexiko, wo es ständig über 40 Grad heiß war. Ich bin in diesen Kostümen fast geschmolzen und habe während der Dreharbeiten etliche Kilo verloren. Aber ich war damals körperlich in Topform, also habe ich das ganz gut überstanden."
Einen seiner nächsten Filme, „Die Braut" aus dem Jahre 1985, dreht Sting dann in seiner etwas kühleren Heimat England und später dann auch in Frankreich. Frei nach Mary Shelleys Schauer-Klassiker „Frankenstein" kreiert Sting als Baron Charles Frankenstein für sein Monster eine Braut, dargestellt von Jennifer „Flashdance" Beals. Sting spielte den legendären Monstermacher zwar mit teuflisch-süffisanter Kauzigkeit, überzeugte aber in dieser halbherzigen Horrorfilm-Parodie von „Frankensteins Braut" leider weder Kritiker noch seine Fans.
Zwei Jahre später war er dann in Mike Figgis Film-Noir-Krimi „Stormy Monday" (1988) in seiner bisher sicher besten Rolle zu sehen. Neben Hollywood-Stars wie Melanie Griffith, Sean Bean und Tommy Lee Jones behauptete sich Sting souverän als Besitzer eines Jazzclubs in Newcastle, der sich weigert, seinen Club an einen skrupellosen texanischen Geschäftsmann zu verkaufen. Für Sting, wie auch für Figgis, war dieser Film eine echte Herzensangelegenheit, denn beide sind in der Gegend von Newcastle aufgewachsen.
„Auf keinen Fall eine Filmbiografie!"
Seine Kindheitserinnerungen hat Sting dann Jahre später noch einmal aufleben lassen. Zuerst in dem Album „The Soul Cages" (1991), aus dem dann 2013 sein erstes Musical entstanden ist, „The Last Ship". Neben anderen Verwicklungen geht es darin auch um Stings Beziehung zu seinem Vater, der in Wallsend, auf der Werft in der Nähe von Newcastle, als Ingenieur gearbeitet hat. „Damals habe ich alles daran gesetzt, um bloß nicht wie mein Vater auf dieser Werft arbeiten zu müssen. Ich wollte unbedingt weg aus Wallsend, weg aus der Provinz, weg aus dem spießigen Milieu. Ich wollte auch meinen Beruf als Lehrer an den Nagel hängen und mich endlich als Musiker beweisen. Und ich wollte Erfolg haben. Das ist mir ja bekanntlich ganz gut gelungen", lacht er. „Dieses Musical ist eine bitter-süße Hommage an die Schiffbau-Industrie in Nordengland, die es so längst nicht mehr gibt." Das Musical „The Last Ship" lief unter anderem am Broadway und auf Bühnen in Chicago, Toronto und England, blieb aber hinter den Erwartungen zurück. Sting, der als Komponist verantwortlich zeichnete, hatte sogar höchstpersönlich einige Gastauftritte als unerschrockener Vorarbeiter Jackie White. Und obwohl Sting mit seinem Musical eine fiktive Story erzählt, hat der Stoff durchaus autobiografische Züge. „Einige der Figuren haben ganz sicher Charaktereigenschaften, wie ich sie bei meinem Vater gesehen habe und bei den Leuten, mit denen ich damals aufgewachsen bin."
Wäre es da nicht an der Zeit, das Leben von Sting in einem Biopic à la „Bohemian Rhapsody" oder „Rocketman" zu zelebrieren? „Um Himmels Willen! Auf keinen Fall! Mit solchen Filmen habe ich gar nichts am Hut. Ich drücke mich in meiner Musik und meinen Texten künstlerisch aus – und das soll auch so bleiben. Ganz abgesehen davon ist mein Leben ja noch nicht zu Ende. Und es taugt auch nicht so recht für eine Seifenoper. Sollte Hollywood allerdings aus „The Last Ship" einen abendfüllenden Spielfilm machen wollen, würde mich das sehr freuen."
Nach dem Ende von „The Police" im Jahr 1985 war Sting dann als Solo-Künstler unterwegs, und zwar höchst erfolgreich. „Wir hatten als Police eine fantastische Zeit, die dann irgendwann ausgereizt war. Da war es nur folgerichtig, dass wir uns trennten. Denn nur so konnten wir uns weiterentwickeln", meint Sting heute gelassen. Und in der Tat ist er als Musiker über die Jahre viel reifer, besser, sogar noch mutiger und vielseitiger geworden. Sehr zur Freude seiner vielen Fans in aller Welt. Und vielleicht hat er ja auch noch als Schauspieler einen großen Wurf in petto. Bis es soweit ist, haben wir viel Spaß mit ihm als Schauspiel-Joker in diversen Komödien oder Krimis. Oder als Sting himself in „Only Murders in the Building". Auch wenn er da einen Hund im Aufzug tritt.