Der 27. März wird ein erster Test für die Ampel und eine Richtungsentscheidung für das Saarland. Erwartet wird ein enges Duell zwischen Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) und seiner Stellvertreterin, Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD).
Prognosen gehören zum Jahresbeginn dazu. Viele zeigen sich recht schnell als mehr oder minder gewagte Spekulation. Wer allerdings ein politisch spannendes erstes Halbjahr im Saarland voraussagt, dürfte auf der sicheren Seite sein. Es wird die spannendste Landtagswahl seit langem werden, und damit auch die am härtesten umkämpfte. Dafür gibt es gleich eine ganze Reihe von Gründen.
Das eine sind sehr saarlandspezifische Gemengelagen, die im Übrigen zum Teil schon vor der Bundestagswahl für bundesweite Aufmerksamkeit gesorgt haben. Das andere sind die neuen Rahmenbedingungen seit der Ampel in Berlin.
SPD spürt wieder Rückenwind
Die Saarlandwahl ist die erste große Wahl seit dem Wahlsieg der SPD Ende September vergangenen Jahres. Dass sie eine regelrechte Testwahl für die Ampel sein würde, ist eher etwas übertrieben. Das liegt nicht nur an der überschaubaren Größe, sondern eben auch an den besonderen Bedingungen der Parteienlandschaft und dem Zustand der Parteien im kleinsten Flächenland der Republik.
Trotzdem wird es ein erster Test über die Stimmungslagen im Land. Zum ersten Mal seit Langem spürt die SPD im Land wieder Rückenwind aus Berlin, kann damit rechnen, Wahlkampfunterstützung vom eigenen Bundeskanzler zu erhalten. Und der kann davon berichten, wie ein Juniorpartner in einer GroKo gegen alle bisherigen Erfahrungen eine Wahl gewinnen kann. Die CDU Saar sieht sich dagegen noch im Sog der Niederlage bei der Bundestagswahl, vor allem aber im anhaltenden Abstieg der Volkspartei. Der neue Vorsitzende Friedrich Merz, der noch offiziell gewählt werden muss (woran kein Zweifel besteht), will auf keinen Fall damit starten, gleich bei der ersten Landtagswahl nicht nur eine Niederlage kommentieren zu müssen, sondern die Basis in den Ländern mit dem Verlust von einem der verbliebenen Ministerpräsidentenposten weiter bröckeln zu sehen.
Die Saarlandwahl wird damit nicht nur zu einem ersten Test der neuen politischen Großwetterlage, sondern gleichzeitig auch noch zum atmosphärischen Auftakt für die im Mai folgenden Landtagswahlen (Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein), womit es insgesamt um die politische Stimmungslage im Land geht. Wobei korrekterweise einzuschränken ist: im Westen der Republik.
Die GroKo im Saarland unter Führung der CDU ist nunmehr seit zehn Jahren in Regierungsverantwortung. Zunächst geboren aus der Situation nach dem Scheitern der ersten Jamaika-Koalition auf Landesebene, dann fortgeführt, weil das Wahlergebnis 2017 keine wirkliche Alternative hergab. FDP und Grüne waren an der Fünfprozenthürde gescheitert, mit der AfD wollte keiner zusammenarbeiten, mit den Linken wäre keine Mehrheit zustande gekommen. Damit regierte eine zahlenmäßig übermächtige große Koalition bei einer kaum vorhandenen Opposition. Wobei sich AfD und die Linke in jeweiligen internen Dauerkonflikten zusätzlich lähmten.
Bei der AfD führte das zum Ausschluss eines der drei Mitglieder, zudem wurde Fraktionschef Josef Dörr als Landesparteichef entmachtet. Nach einem jüngsten Gerichtsurteil war aber der Parteitag mit der Wahl einer neuen Parteiführung fehlerhaft. Die juristischen Auseinandersetzungen gehen weiter.
Die Linke-Fraktion zerfiel ebenfalls, inzwischen gibt es neben der ursprünglichen Linken mit Fraktionschef Oskar Lafontaine auch eine Fraktion Saar-Linke, deren Fraktionschefin Barbara Spaniol die Linke als Spitzenkandidatin in den Wahlkampf führt, während Oskar Lafontaine seinen Rückzug aus der aktiven Politik angekündigt hat.
Die Saar-Grünen hatten sich mitten im bundesweiten grünen Höhenflug zur Bundestagswahl intern so zerstritten, dass sie am Ende keine gültige Landesliste zur Bundestagswahl zustande brachten, im Saarland als Partei also nicht wählbar waren. Zwar ist inzwischen eine neue Parteispitze gewählt, die Aufstellung einer Landesliste zur Landtagswahl wurde aber auf Anfang Januar verschoben. Die internen Kämpfe sind keineswegs beigelegt. Zudem hat sich ein Wahlbündnis „bunt.saar" formiert, das nach der Ausrichtung vor allem im bürgerlich-grünen Wählermilieu Stimmen gewinnen könnte.
Die FDP dürfte von der für die Liberalen derzeit guten Stimmung profitieren. Die Partei steht geschlossen da, hat aber das Problem, dass ihr Spitzenpersonal, nachdem Landeschef Oliver Luksic Staatssekretär in Berlin geworden ist, noch wenig bekannt ist. Trotzdem gilt ihr Wiedereinzug in den Landtag als ziemlich sicher. Und am Ende könnte es bei einer Regierungsbildung sogar auf die Liberalen ankommen. Schließlich gilt als ausgeschlossen, dass eine der beiden großen Parteien zu einer absoluten Mehrheit kommen könnte.
Für alle kleineren Parteien gilt, dass sie am Ende einen schweren Stand haben werden. Das zumindest lehrt die Erfahrung, wenn es ein klar zugespitztes Zweier-Duell gibt. Das werden sich Amtsinhaber Tobias Hans (CDU) und seine Stellvertreterin, Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD), liefern.
Für Tobias Hans ist es der erste Wahlkampf als Spitzenkandidat. Er kam vor drei Jahren als Nachfolger von Annegret Kramp-Karrenbauer an die Regierungsspitze. Er hat die Bekämpfung der Pandemie sozusagen zur Chefsache gemacht und sich auch auf dem Parteitag, bei dem er zum Spitzenkandidaten gewählt wurde, als Krisenmanager präsentiert. Allerdings hat die Kritik am Krisenmanagement des Landes in den letzten Wochen deutlich zugenommen. Zwar steht das Land beim Impfen nach wie vor an der Spitze, ständige Ankündigungen und Änderungen der Corona-Verordnung haben den Unmut wachsen lassen.
Liberale dürften profitieren
Anke Rehlinger verfügt nunmehr über zehn Jahre Regierungserfahrung, zunächst als Justiz- sowie Umwelt- und Verbraucherschutzministerin, dann als Ministerin für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr und als stellvertretende Ministerpräsidentin. Bei der letzten Wahl vor fünf Jahren unterlag sie Annegret Kramp-Karrenbauer, obwohl es lange nach einem knappen Rennen aussah. Für diese Wahl stehen die Ausgangssituationen für die SPD deutlich besser.
Der Amtsbonus für Ministerpräsident Hans, mit dem amtierende Regierungschefs in der Vergangenheit oft am Schluss das Ruder noch herumwerfen konnten, hat erkennbar gelitten. Im jüngsten Saarland-Trend (November 2021, SR/infratest dimap). Das Corona-Management, das zuvor deutliche Zustimmung bekam, hat an Rückhalt eingebüßt. Der Trend dürfte sich mit den Entwicklungen im Dezember verstärkt haben. Die CDU ist in fast allen Politikfeldern, was die Kompetenzzuschreibung angeht, hinter die SPD zurückgefallen. Im abgefragten Persönlichkeitsprofil wird der Ministerpräsident zwar als sympathischer und führungsstärker bewertet, bei Kompetenz und Glaubwürdigkeit liegt allerdings Anke Rehlinger vorne. Konsequenterweise würde Rehlinger bei einer (nicht möglichen) Direktwahl auch knapp mit 42 Prozent vor Hans (39 Prozent) abschneiden.
Noch deutlicher sieht es für die Parteien aus: Die SPD liegt bei der Sonntagsfrage mit 33 Prozent klar vor der CDU (28 Prozent). Bei der Landtagswahl 2017 kam die CDU auf 40,7, die SPD auf 29,6.
Die Zahlen, erhoben vier Monate vor der Landtagswahl und mitten in der Endphase der Ampel-Koalitionsverhandlungen, sind naturgemäß mit Zurückhaltung einzuordnen, aber atmosphärisch wirkungsvoll zum Start in den Wahlkampf. Beobachter und Insider gehen angesichts der Ausgangslage und der überlagernden bundespolitischen Situation von einem härteren Wahlkampf als in der Vergangenheit aus.
Spannender dürfte es auf jeden Fall werden. Nicht nur wegen des Spitzenduells. Denn angesichts des Zustands der kleineren Parteien ist zweieinhalb Monate vor der Wahl kaum zu prognostizieren, wie bunt der neue Landtag wird, und welche Konstellationen sich für eine Regierungsbildung herauskristallisieren können.