Bei der 33. Auflage des Afrika-Cups werden Titelverteidiger Algerien sowie die starken Herausforderer Senegal und Ägypten als Top-Favoriten gehandelt.
Als Liverpool-Coach Jürgen Klopp Ende November 2021 bei einer Pressekonferenz darauf angesprochen worden war, ob er erleichtert darüber sei, dass er bis März 2022 ohne Länderspielpausen mit seinem Team arbeiten könne, konnte er sich einen sarkastischen Seitenhieb auf den anstehenden Afrika-Cup nicht verkneifen. „Das habe ich schon so oft gehört, dass es bis März keine Länderspielpause gibt. Im Januar gibt es ein kleines Turnier in Afrika." Bei besagten „kleinen Turnier" handelt es sich um die 33. Auflage des Afrika-Cups, der offiziell Africa Cup of Nations oder Coupe d’Afrique des Nations genannt wird. Und bei dessen Austragung in Kamerun vom 9. Januar bis 6. Februar 2022 wieder die besten allesamt bei europäischen Top-Clubs unter Vertrag stehenden afrikanischen Kicker teilnehmen werden.
Für Klopps FC Liverpool ist das besonders tragisch, weil dadurch quasi die gesamte Paradesturmreihe mit Mohammed ‚Mo‘ Salah (Ägypten) und Sadio Mané (Senegal) wochenlang nicht zur Verfügung stehen wird. Mit womöglich entscheidenden Auswirkungen auf den sich zuspitzenden Titel-Dreikampf in der Premier League. Laut den Fifa-Regeln konnten die Verantwortlichen sämtlicher afrikanischer Nationalmannschaften ihre Spieler für das Kontinental-Turnier bereits ab dem 27. Dezember 2021 einberufen. Die beiden genannten Red-Profis könnten daher bis zu acht Pflichtspiele auf der Insel verpassen, vier in der Premier-League, zwei im FA-Cup und gegebenenfalls auch noch zwei im EFL- beziehungsweise Carabao-Cup.
Dass auch die direkte Konkurrenz im britischen Titelkampf von der Abstellpflicht betroffen sein wird, kann für Jürgen Klopp nur ein geringer Trost sein. Weil Pep Guardiola bei Manchester City den Ausfall des Algeriers Riyad Mahrez wohl kompensieren können wird. Und auch Thomas Tuchel beim FC Chelsea adäquaten Ersatz für den senegalesischen Torwart Edouard Mendy und den marokkanischen Mittelfeld-Offensiv-Akteur Hakim Ziyech im Kader zur Verfügung haben dürfte. Neben den aktuell großen Dreien sind natürlich auch noch weitere Premier League-Vereine vom Afrika-Cup 2022 tangiert: Der FC Arsenal mit Star-Stürmer Pierre-Emerick Aubameyang für Gabun, mit Rechtsaußen Nicolas Pépé für die Elfenbeiküste sowie mit dem defensiven Mittelfeld-Mann Thomas Partey für Ghana, Leicester City mit den beiden Nigerianern Wilfried Ndidi, defensives Mittelfeld, und Stürmer Kelechi Iheanacho, oder Chrystal Palace mit Linksaußen Wilfried Zaha für die Elfenbeinküste.
In den anderen europäischen Ligen könnte die Abstellung von Mittelstürmer Sébastien Haller für die Elfenbeinküste und dem wegen eines Dopingversehens umstrittenen Torwart André Onana für Kamerun unliebsame Auswirkungen für Ajax Amsterdam im engen niederländischen Titelkampf mit dem PSV Eindhoven haben. Auch der AC Mailand muss im italienischen Meisterschaftsrennen einige Spiele auf den zentralen Mittelfeld-Akteur Franck Kessié (Elfenbeinküste) und den Defensivspezialisten Ismaël Bennacer (Algerien) verzichten. Konkurrent SSC Neapel auf den nigerianischen Mittelstürmer Victor Osimhen. In der Bundesliga dürfte der Ausfall des Algeriers Ramy Bensebaini die kriselnden Gladbacher Borussen am stärksten treffen. Auch RB Leipzig wird in seiner schwierigen Situation nur ungern Amadou Haidara (Mali) ersetzen wollen. Bayern München dürfte hingegen der Ausfall von Eric Maxim Choupo-Moting (Kamerun) und Bouna Sarr (Senegal) kaum jucken. Auch Bayer Leverkusen wird die Dienste von Innenverteidiger Odilon Koussounou nicht unbedingt benötigen. Die TSG Hoffenheim muss mit Kevin Akpoguma (Nigeria) und Diadie Samassekou (Mali) gleich zwei Spieler freistellen. Beim 1. FC Köln ist es der Tunesier Ellyes Shkiri, beim VfB Stuttgart der Ägypter Omar Marmoush, bei Eintracht Frankfurt der Marokkaner Aymen Barkok. Dazu kommen noch aus der Zweiten Liga Salif Sané (Schalke 04/Senegal), Jamilu Collins (SC Paderborn/Nigeria), Leon Guwara (Jahn Regensburg/Gambia) und Daniel-Kofi Kyereh (St. Pauli/Ghana).
Problematische Terminierung
Dass der seit 1957 von der Confédération Africaine de Football (Caf) veranstaltete Afrika-Cup in den letzten Jahren infolge des Wechsels der besten Spieler des schwarzen Kontinents in die europäischen Top-Ligen deren Spielbetrieb gehörig beeinträchtigt hat, ist natürlich nichts Neues. Immerhin hatte die Caf, zu der aktuell 56 Nationalverbände gehören, für das Turnier schon anno 1968 den Zweijahres-Rhythmus eingeführt und 2010 mit Wirkung ab 2013 die Abhaltung in ungeraden Jahren beschlossen, um WM und EM aus dem Weg zu gehen. Damit konnte aber immer noch nicht das Problem der Überschneidung mit dem normalen europäischen Liga-Spielplan gelöst werden. Weil eine Afrikameisterschaft in den Sommermonaten angesichts der hohen und damit für die Kicker gesundheitsschädlichen Temperaturen als ausgeschlossen angesehen wurde. 2019 hatte man in Ägypten erstmals einen Versuch mit der Rekordteilnehmerzahl von 24 Teams im Sommer unternommen. Allerdings waren die sportlichen Darbietungen unter der Hitzeglocke mehr als bescheiden ausgefallen, es wurde meist typischer Sommer-Standfußball ohne größere Dynamik geboten. Algerien sollte dank eines 1:0-Finalsieges gegen Senegal den Titel gewinnen. Auffällig war, dass die kleinen afrikanischen Fußball-Nationen bei dem Turnier längst kein Fallobst mehr waren. Und dass die einstige gefühlte Übermacht der Teams aus Ghana und der Elfenbeinküste wohl endgültig Vergangenheit war. Obwohl laut Statistik Ägypten mit sieben Titeln Rekordsieger ist, gefolgt von Kamerun mit fünf, Ghana mit vier, Nigeria mit drei sowie Elfenbeinküste, Algerien und Kongo mit jeweils zwei Triumphen.
Favoriten-Scheitern unwahrscheinlich
Eigentlich hätte man in Kamerun 2022 einen neuerlichen Versuch in den Sommermonaten machen können, weil in dem zentralafrikanischen Staat die Hitze in dieser Jahreszeit kein so großes Problem darstellt. Dafür aber die in der Regel ab Mai einsetzende Regenzeit, die die Rasenspielflächen in unbespielbare Schlammwüsten zu verwandeln pflegt. Von daher blieb für den Afrika-Cup 2022 nur die Option einer Rückkehr zu den Wintermonaten. Ursprünglich hätte das Turnier schon 2019 in Kamerun stattfinden sollen. Doch da die lokalen Organisatoren mit der Fertigstellung der Stadien und der nötigen Infrastruktur arg ins Hintertreffen geraten waren, wurde Kamerun der Zuschlag zugunsten Ägyptens entzogen und Kamerun dafür die für 2021 geplante 33. Auflage des Turniers zugesprochen. Coronabedingt wurde der Wettbewerb dann jedoch auf 2022 und damit in ein Fußball-WM-Jahr verschoben. Aktuell scheint die Pandemie keinerlei Auswirkungen auf das Turnier zu haben, für dessen TV-Übertragungsrechte angeblich DAZN starkes Interesse angemeldet hatte. Trotz einer extrem niedrigen afrikanischen Impfrate von rund sechs Prozent hat sich offenbar eine Herdenimmunität dank überstandener Infektionen ausgebreitet, was vor allem durch das extrem niedrige Durchschnittsalter von 20 Jahren auf dem afrikanischen Kontinent und dem damit verbundenen starken Immunsystem der jungen Menschen erklärt wird. Von speziellen Hygiene-Konzepten oder Zuschauerbeschränkungen in den sechs Stadien Kameruns wurde jedenfalls bislang nichts verlautbart. Gespielt wird in den Städten Bafoussam, Douala, Garoua, Limbe sowie in der Hauptstadt Yaoundé, wo gleich zwei Arenen zur Verfügung stehen. Vier der sechs Stadien sind Neubauten, zwei Arenen wurden renoviert. Das Eröffnungsspiel zwischen Kamerun und Burkina Faso findet am 9. Januar 2022 im 60.000 Zuschauer fassenden Stade Paul Biya in Yaoundé statt, an gleicher Stelle wird am 6. Februar 2022 auch das Finale über die Bühne gehen. Das Spiel um den ungeliebten dritten Platz wird dann am Nachmittag des 6. Februar 2022 im Stade Ahmadou Ahidjo in Yaoundé ausgetragen.
Für das Turnier haben sich wieder 24 Mannschaften, darunter die beiden Neulinge Gambia und die Komoren, qualifizieren können, die in der Vorrunde auf sechs Vierergruppen aufgeteilt sind. Da neben den beiden Erstplatzierten jeder Gruppe auch noch die vier besten Dritten ins Achtelfinale einziehen werden, ist ein frühzeitiges Scheitern der Favoriten nahezu ausgeschlossen. Ab dem Achtelfinale, das vom 23. bis 26. Januar 2022 ausgetragen wird, wird im K.O.-Modus gespielt. Schaut man sich die zehn Teams an, die sich für die im März 2022 anstehenden Playoffs zur Fußball-WM in Katar qualifiziert haben, so sind darunter sämtliche afrikanischen Fußball-Großmächte vertreten. Die Form scheint daher bei den Nationalmannschaften von Senegal, Marokko, Tunesien, Algerien, Nigeria, Ägypten, Kamerun und Ghana zu stimmen. Als Top-Favorit wird Titelverteidiger Algerien mit Stars wie Riyad Mahrez und Ismael Bennacer hoch gehandelt. Aber auch dem Senegal um Liverpools Top-Stürmer Sadio Mané, Ägypten um dessen Club-Kollegen Mo Salah oder dem Team Nigeria werden große Chancen eingeräumt. Ghana nicht zu vergessen, das sich leihweise die Dienste des bei Borussia Dortmund unter Vertrag stehenden Otto Addo als Co-Trainer gesichert hat.