Die Punktausbeute könnte besser sein, er Vorsprung auf die Abstiegszone größer – und dennoch sind die Handballer der HG Saarlouis auf Saisonziel-Kurs.
Handball-Drittligist HG Saarlouis liegt zur Saison-Halbzeit auf Platz fünf der Staffel F. Das vor der Saison ausgerufene Saisonziel wäre damit exakt erreicht. Allerdings beträgt der Vorsprung auf Platz sieben und damit auf die Abstiegsrunden-Zone nur magere zwei Pünktchen. „Mit der Punktausbeute von 14:14 bin ich nicht zufrieden", gibt Trainer Philipp Kessler zu und erklärt: „Ich denke dabei an die eine oder andere Niederlage zu Hause, die wir hätten vermeiden können." Insbesondere verletzungsbedingte Ausfälle wichtiger Spieler verhinderten dies. In den ersten Spielen und damit ausgerechnet gegen die starken Gegner fehlten Rückraumspieler Tom Paetow, Linksaußen Niklas Louis und Rechtsaußen Philipp Leist, was die Mannschaft nicht kompensieren konnte. Hinzu kam die Herausforderung, Neuzugänge in die Mannschaft zu integrieren. Mit Adel Rastoder im Innenblock der Abwehr und dem neuen Spielmacher Lukas Hüller wurden Schlüsselpositionen zum Saisonbeginn neu besetzt. Rückkehrer Tommy Wirtz fiel die Integration auf Linksaußen etwas leichter. Der Luxemburger avancierte mit 119 Treffern in 14 Spielen zum aktuell erfolgreichsten Torschützen der gesamten 3. Liga. Dennoch holte die HG in der ersten Hälfte der Hinrunde nur vier von 14 möglichen Punkten.
Schlüsselpositionen wurden neu besetzt
In der zweiten Hälfte sah dies schon besser aus, die HG spielte sich in einen Lauf, blieb sechs Spiele in Folge ungeschlagen und holte 10:4 Punkte. „Wobei wir auch hier zwei sehr ärgerliche Heimniederlagen kassiert haben", betont Kessler und meint die knappen Pleiten gegen die SG Pforzheim (25:26) und im Derby beim TuS Dansenberg (32:35). „Wir hätten beide Spiele auch gewinnen können, aber insbesondere die sehr hohe Fehlwurfquote und auch die schwächere Torhüterleistung als gewohnt haben das verhindert", analysiert Kessler.
Die hauchdünne 25:26-Niederlage gegen die SG Pforzheim/Eutingen kurz vor der Weihnachtspause war bereits das fünfte sieglose Heimspiel in Folge. Trotzdem sagt Kessler: „Ich muss der Mannschaft für ihre Leistung ein großes Kompliment machen. Dafür, wie sie Chancen kreiert hat. Wir haben 46 Würfe abgefeuert, aber eben nur 25 Tore erzielt. Das war der Knackpunkt." Von den 21 Würfen, die nicht den Weg ins Tor fanden, entschärfte der frühere Bundesliga-Schlussmann Bastian Rutschmann allein schon ganze 15. „Dieses Mal ging das Torhüter-Duell an die Gäste, in anderen Spielen, beispielsweise in Haßloch, ging es klar an uns", befand Kessler und ergänzte: „Wir haben insgesamt gut gespielt, und es tut sehr weh, so knapp zu verlieren. Aber das ist deutlich leichter zu akzeptieren, wenn man sieht, dass vieles gepasst hat und es letztlich an den Fehlwürfen lag. Wir müssen daran arbeiten, die einfachen Bälle nicht wegzuwerfen." Vor allem zu Hause: Neben Zweibrücken konnte die HG nur noch die TSG Haßloch (28:22) vor eigenem Publikum bezwingen. Das war am ersten Spieltag.
In positiver Erinnerung bleiben vor allem die Derbysiege gegen den SV 64 Zweibrücken (29:20) und bei der TSG Haßloch. Dort holten die Saarlouiser vor gut 200 Zuschauern, darunter einige lautstarke HG-Fans, nach einem spannenden Duell einen verdienten 31:28-Erfolg. Vor allem Torhüter Patrick Schulz half tatkräftig mit, die Ausfälle zu kompensieren und kaufte den Gastgebern mit insgesamt 17 Paraden und drei gehaltenen Siebenmetern fast im Alleingang den Schneid ab. Einziger Wermutstropfen: Marcel Becker musste nach zwei Treffern und zehn Minuten Spielzeit mit einer muskulären Verletzung aufhören. Da auch der Langzeitverletzte Niklas Louis (Bänderriss im Sprunggelenk) fehlte, musste Trainer Kessler in der Folge auch noch ohne Linkshänder im Rückraum auskommen.
Zahlreiche Verletzungsprobleme
Das Derby gegen Zweibrücken fand unter ganz besonderen Vorzeichen statt. Eigentlich sollte es am 20. November 2021 ein saarländisches Handball-Fest werden. Doch nur vier Minuten nach dem Anpfiff und beim Spielstand von 3:2 für die Gäste wurde es in der gut gefüllten Saarlouiser Stadtgartenhalle plötzlich mucksmäuschenstill. Ein 77-jähriger Zuschauer war auf der Tribüne zusammengebrochen und musste von Ärzten und Rettungssanitätern intensiv behandelt und sogar reanimiert werden. „So etwas hatte ich bis dahin noch nicht erlebt. Das war schon ein großer Schockmoment", berichtet HG-Trainer Philipp Kessler. Nur dank des schnellen Eingreifens von zwei anwesenden Ärzten und der DRK-Rettungssanitäter konnten die lebensrettenden Maßnahmen umgehend eingeleitet werden. Der 77-Jährige wurde wach, ansprechbar und stabil anschließend ins Krankenhaus gebracht, das Spiel einvernehmlich abgebrochen. Der Mann, der sich das Spiel zusammen mit seinem Enkel anschauen wollte, hat sich inzwischen erholt. Die Saarlouiser Mannschaft hat ihm ein unterschriebenes Trikot geschenkt, wofür er sich mit einem Foto bedankte. Das Nachholspiel gewann Saarlouis am 18. Dezember deutlich mit 29:20.
Wichtiger als die statistisch messbaren Erfolge und Misserfolge ist für das Konzept der HG Saarlouis die Weiterentwicklung der jungen Talente. Hier konnte aufgrund der zwischenzeitlich angespannten Personalsituation insbesondere der 18-jährige Rückraumspieler Marko Grgic wertvolle Einsatzminuten sammeln. „Er konnte in der ersten Saisonphase noch nicht zeigen, was ich von ihm erwarte. Wohlgemerkt ist er noch A-Jugendspieler, der seine Erfahrung machen muss", weiß Trainer Kessler und erklärt: „Auch, wenn er noch nicht alle Vorgaben umsetzen konnte, war es für ihn wertvoll zu sehen, woran es noch fehlt, um auch im Herrenbereich erfolgreich Handball spielen zu können." Konrad Wagner, ebenfalls als aussichtsreiches Talent gehandelt, gehört nicht mehr dem Erstmannschaftskader an. Der Rückraumspieler, der am 17. Januar 19 Jahre alt wird, konzentriert sich zunächst auf seine berufliche Ausbildung und wird vornehmlich in der A-Jugend in der U19-Bundesliga eingesetzt. Seine Jugend-Mannschaftskameraden Elyas Noh und Nico Becker werden in der Rückrunde hingegen wieder Drittliga-Luft bei den Herren schnuppern dürfen. „Es ist meine Aufgabe, sie heranzuführen", weiß Kessler und ergänzt: „Es ist natürlich ein schmaler Grat zwischen Ergebniszielen und Prozesszielen, also wieviel Einsatzzeit ich jungen Spielern geben kann, um erfolgreich zu sein."
Diese Abwägung wird dadurch nicht leichter, dass die ersten Gegner der Rückrunde wieder die stärksten der Liga sind: Am 15. Januar empfängt die HG die SG Leutershausen, den nach sieben Siegen in Folge sehr gut aufgelegten Tabellenzweiten der Staffel F. Danach geht es zum Tabellenführer, der zweiten Mannschaft des Bundesligisten Rhein-Neckar Löwen. „Das sind maximal schwere Spiele", ist sich Kessler bewusst und meint: „Vielleicht tut es uns aber auch gut, nicht die Favoritenrolle zu haben. In Leutershausen hatten wir zwischenzeitlich mit fünf Toren Vorsprung geführt und dann doch noch unentschieden gespielt." Damals setzte Tommy Wirtz in der letzten Sekunde des Spiels einen Siebenmeter an die Latte.