Auch nach der Präsidentschaftswahl wird Deutschland der wichtigste Handelspartner Frankreichs bleiben, da ist sich der französische Generalkonsul Sébastien Girard sicher. Dafür gibt es gravierende Unterschiede beim Klimaschutz.
Herr Girard, Anfang dieses Jahres hat Frankreich den Vorsitz im Rat der Europäischen Union (EU) übernommen. Zudem folgt in wenigen Wochen die Präsidentschaftswahl. Welche Themen bestimmen das Land?
Frankreich befindet sich aufgrund dieser doppelten Herausforderung tatsächlich gerade in einer sehr interessanten Situation. Es wurde auch ein sehr ambitioniertes Programm im Hinblick auf den Vorsitz im Rat der EU aufgestellt. Dabei geht es um den Stellenwert Europas in der Welt, um Vernetzung und Digitalisierung, eine gemeinsame europäische Verteidigung, aber auch um ein Europa der Kulturen. Und genau diese Themen finden sich in den politischen Debatten im Rahmen der Präsidentschaftswahl wieder, auch wenn die Präsidentschaftskandidaten nicht immer die gleichen Ansichten teilen. Vom sogenannten „Frexit" – vor etwa fünf Jahren sprach man in Frankreich noch vom Ausstieg aus der EU – ist zum Beispiel fast gar nicht mehr die Rede. Dafür spielen solche Themen wie Gesundheit und die Bewältigung der Pandemie eine große Rolle. Ein ebenso wichtiges Thema ist die wirtschaftliche Unterstützung von Unternehmen und Betrieben, die während der Pandemie gelitten haben. Nun sollen gezielte Investitionen die französische Wirtschaft ankurbeln.
Wenn wir gerade beim Thema „Europa" bleiben. Mit den Grenzschließungen während der ersten Pandemie-Welle wurde deutlich, wie fragil das europäische Konstrukt doch ist. Wie haben Sie diese Situation erlebt?
Da ich erst im September 2020 ins Saarland gekommen bin, habe ich die Grenzschließungen nicht ganz mitbekommen. Zu diesem Zeitpunkt war noch meine Vorgängerin im Amt. Dennoch konnte ich nach meiner Ankunft relativ schnell feststellen, dass sowohl Frankreich als auch Deutschland aus dieser Situation viel gelernt haben.
Woran haben Sie das festgemacht? Könnten Sie vielleicht ein paar Beispiele nennen?
Zum einen entstand dieser Eindruck aus persönlichen Gesprächen mit Franzosen und Deutschen. Zum anderen sah man schon in der darauffolgenden Welle, dass die beiden Länder wirklich alles gemacht hatten, um die Grenzen offenzulassen. Ein konkretes Beispiel dafür sind die Ausnahmeregelungen für die Grenzgänger, die von deutscher und französischer Seite getroffen wurden. So mussten sich Menschen, die in Grenzgebieten leben, nicht ständig testen lassen. Für die, das sind rund 15.000 Menschen, die täglich die Grenze passieren, war das natürlich eine deutliche Erleichterung. Damit konnte man die Grenzregion offen halten.
Ein weiterer Punkt sind die beiden deutsch-französischen Testzentren Goldene Bremm und Ostspange. Bei dieser Kooperation werden nicht nur die Bürger beider Länder getestet, es findet auch ein Datenaustausch zwischen dem deutschen und französischen Gesundheitsamt statt. Was den Kampf gegen die Pandemie an der Grenze natürlich auch ein Stück weit erleichtert.
Es ist nicht nur der Kampf gegen Corona, der Deutschland und Frankreich eint. Als Handelspartner spielen die Franzosen für Deutsche sowie umgekehrt eine immense Rolle. Könnte sich, je nach Ausgang der Wahl, daran etwas ändern?
Deutschland und Frankreich stehen in gegenseitiger Abhängigkeit. Sie brauchen einander. Das hat auch nichts mit einer politischen Ausrichtung des jeweiligen Landes zu tun. Das ist Fakt. Alleine die saarländischen Exporte nach Frankreich belaufen sich jährlich auf zwei Milliarden Euro. Somit ist Frankreich auch der größte Kunde des Saarlandes. Es gibt keinen größeren Abnehmer. Alle Unternehmen, die zum Beispiel mit „Saar-" anfangen, wie etwa Saar-Metall, Saarstahl oder Saarbahn sind in Frankreich aktiv und beschäftigen französische Mitarbeiter, hier oder dort. Ich versuche auch, jeden Monat einen solchen Betrieb zu besuchen und mir dann persönlich vor Ort ein Bild machen zu können. Als Diplomat ist es meine Aufgabe, Bedingungen herzustellen und zu vereinfachen, damit diese Kontakte weiterhin bestehen bleiben.
Somit zählt das Saarland neben Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen zu den drei Bundesländern, in denen die meisten französischen Unternehmen angesiedelt sind.
Trotz der Nähe gibt es aber auch Unterschiede. Was den Klimawandel betrifft, geht Frankreich zum Beispiel einen anderen Weg als Deutschland.
Es ist tatsächlich sehr wichtig, über den Klimawandel und die Folgen, die dieser mit sich führt, zu sprechen. Alleine im Juli letzten Jahres haben rund 200 Menschen in Europa in den Flutkatastrophen ihr Leben verloren. Deshalb ist es für Frankreich auch ganz wichtig, dass das Klimaabkommen von 2015 jetzt umgesetzt wird, um die Treibhausemissionen herunterzusetzen. Das ist unser primäres Ziel.
Deshalb setzten wir auch alles in kohlenstofffreie Energie. Noch dieses Jahr werden die restlichen Kohlenwerke in Frankreich geschlossen. Damit werden wir bis 2022 kohlefrei sein. Der Anteil der erneuerbaren Energien liegt aktuell noch bei 20 Prozent. Im Jahr 2030 wollen wir im Bereich der Erneuerbaren auf 33 Prozent kommen.
Dabei spielt natürlich auch die Atomkraft eine entscheidende Rolle. Im Gegensatz zu Windkrafträdern liefern die Kraftwerke Energie ohne Unterbrechungen. Deshalb werden selbstverständlich neue Atomkraftwerke gebaut werden.
Doch auch das reicht bei Weitem nicht aus. Deswegen wird in Frankreich gerade auch sehr viel Geld in Wasserstoff investiert. Rund sieben Milliarden Euro sollen bis 2030 einfließen.