Die BR Volleys starten mit gemischten Gefühlen in die Zwischenrunde. Sie sind nach wie vor der haushohe Favorit auf den Titel, doch die ungewisse Corona-Situation macht dem Club zu schaffen.
Als langjähriger Sportfunktionär und Manager des Volleyball-Vorzeigeclubs BR Volleys ist Kaweh Niroomand ein Mann der Planung. Zufallsentscheidungen sind dem Deutsch-Iraner ein Dorn im Auge. Auch deshalb ist er aktuell alles andere als glücklich, weil die grassierende Omikron-Variante die Idee des sportlichen Wettkampfs etwas aushebelt. „Unter den jetzigen Bedingungen", meinte Niroomand, „ist es mehr ein Lotteriespiel. Heute trifft es uns, morgen kann es eine andere Mannschaft treffen."
Je nachdem, wie viele und welche Profis gerade wegen Corona in Quarantäne müssen, könnten Spiele, ja sogar Meisterschaften entschieden werden. „Von einem normalen, regulären Ergebnisverlauf kann man ja nicht sprechen", sagte Niroomand dem RBB: „Ich hoffe nicht, dass es dazu kommt, dass nachher PCR-Tests über die Titel in den verschiedenen Ligen entscheiden und nicht die sportliche Leistung der Mannschaft." Aber die Alternative, aus Fairnessgründen die Saison abzubrechen und nicht zu werten – so wie zu Beginn der Pandemie 2020 – lehnen auch die BR Volleys ab. Schon die neue Corona-Schutzverordnung mit keinen oder nur stark reduzierten Zuschauer-Einnahmen setzt den Clubs arg zu. Ein Spielstopp wäre für manche verheerend.
Starker Druck wegen Corona
Und so rang sich die Volleyball-Bundesliga (VBL) Mitte Januar zu einer schmerzhaften, aber angesichts der vielen coronabedingten Spielausfälle unausweichlichen Entscheidung durch: Die Hauptrunde wurde abgebrochen, um den Start einer regulären Zwischenrunde ab dem 22. Januar zu gewährleisten. Niroomand, der nicht immer auf einer Wellenlänge mit den VBL-Verantwortlichen liegt, unterstütze diese Maßnahme ausdrücklich. Es sei „unter den gegebenen Umständen eine vernünftige Entscheidung", meinte er: „Wir verschaffen uns dadurch etwas Luft."
Kommt nicht noch Corona dazwischen, startet der Titelverteidiger in der Zwischenrunde am Samstag (22. Januar, 20.00 Uhr) gegen den VfB Friedrichshafen. Eine Woche später kommt es zum Duell bei den SWD Powervolleys Düren. Danach steht die Partie gegen die United Volleys Frankfurt (5. Februar) an, ehe die Rückspiele in der Gruppe A angesetzt sind. In der Gruppe B stehen sich die vier nominell schwächeren Teams SVG Lüneburg, Netzhoppers KW-Bestensee, WWK Volleys Herrsching und Helios Grizzlys Giesen gegenüber. Ziel der Zwischenrunde ist es, sich bis zum Abschluss am 5. März die möglichst beste Ausgangsposition für die Playoffs zu verschaffen.
Die BR Volleys gehen mit einer Art „Vorschuss" in die Zwischenrunde, weil sie auf Grundlage der Quotienten-Regelung als Top-Team gewertet wurden. Der Lohn: neun Punkte auf dem Konto. Die Frankfurter folgen auf Platz zwei mit drei Zählern weniger. Die Netzhoppers aus Königs Wusterhausen belegen vor dem Start Rang zwei der Gruppe B. Die Einstufung wurde ohne großes Murren von den Club-Verantwortlichen akzeptiert, weil sich am Ranking der abgebrochenen Hauptrunde so gut wie nichts geändert hat. Die BR Volleys zum Beispiel hatten sich den ersten Platz schon vor Wochen gesichert, selbst Niederlagen in den zwei noch ausstehenden Partien hätten daran nichts geändert. Bei den anderen Vereinen sah es ähnlich aus, einzig Frankfurt und Düren tauschten im Zwischenrunden-Ranking die Plätze, weil die Quotienten-Regelung für den Club aus Hessen, der drei Spiele weniger absolvierte, den Ausschlag gab.
Auch wenn Vorhersagen durch die neue Corona-Situation schwerer geworden sind, gelten die BR Volleys nach wie vor als klarer Titelfavorit. Zu dominant waren sie bis zum Abbruch der Hauptrunde aufgetreten, in 14 Spielen fuhren sie 14 Siege ein und gaben lediglich zwei Sätze ab. Zuspieler Sergej Grankin zeigte keine Spur von Altersmüdigkeit, Diagonalangreifer Benjamin Patch war abschlussstark, die Neuzugänge wie Georg Klein (Mittelblock) und Santiago Danani (Libero) passten perfekt ins System. Der sechste nationale Titel in Folge war klar vorprogrammiert.
Und nicht nur das: Das Team war bis zu vermehrten Corona-Fällen auf einem guten Weg, auch das Ziel Viertelfinale in der Champions League zu realisieren. Nach nur zwei absolvierten Partien in der Königsklasse standen zwei Siege zu Buche: gegen Vojvodina Novi Sad (3:0) und Benfica Lissabon (3:1). Man habe sich vor allem auf das Januar-Spiel gegen Zenit St. Petersburg gefreut, um „vielleicht endlich mal auch gegen eine europäische Spitzenmannschaft gut auszusehen", so Niroomand. Doch Corona machte diesem Plan mal wieder einen Strich durch die Rechnung. Nach einer Entscheidung des Europäischen Volleyball Verbandes wurde das Heimrecht getauscht, die Partie findet nun am 16./17. Februar in Russland statt. „Wir bedauern natürlich sehr, dass unserem Team und unseren Fans dieses Topspiel in der Max-Schmeling-Halle verwehrt bleibt", sagte Niroomand: „Das wirft uns natürlich enorm zurück."
Heimrecht-Tausch bei Spitzenspiel sorgt für Unmut
Man spürt deutlich: Das uneingeschränkte Selbstvertrauen der Berliner hat angesichts der jüngsten Ereignisse etwas gelitten. Das letzte Spiel hat der Branchenprimus am 18. Dezember bestritten, also vor fünf Wochen. Eine lange Zeit im Leistungssport, zumal Trainer Cedric Enard in dieser Phase auch kaum ordentlich trainieren lassen konnte. „Nach der langen Zwangspause geht es für uns jetzt darum, schnell zu alter Stärke zurückzufinden", sagte Niroomand, „sonst könnten wir unsere bisher gute Saison in kürzester Zeit verspielen." Er sprach in einem Interview von einer „beschissenen Situation", die zahlreichen Quarantäne-Maßnahmen hätten das Team „komplett aus dem Rhythmus" gebracht.
Viel Zeit zum Form-Neuaufbau gibt es nicht, es wartet ein Mammutprogramm auf den elfmaligen Meister. Elf Pflichtspiele in nur 35 Tagen sind ein Brett, zumal die Berliner in den darin eingerechneten sieben Auswärtsspielen rund 10.000 Reisekilometer absolvieren müssen. Das bedeutet: mehr Belastung, schwierigere Regeneration, weniger Frische. Neben der Bundesliga stehen auch Partien in der Champions League und das nachzuholende Pokal-Halbfinale gegen Friedrichshafen auf dem Programm. „Für uns steht ab dem nächsten Wochenende alle drei Tage ein Topspiel an", sagte Niroomand, der aber auch eine Gefahr darin sieht, „innerhalb von ganz kurzer Zeit" alle Saisonziele zu verpassen. Die Fallhöhe für den Meister ist enorm, die Chancen für die Konkurrenz so gut wie lange nicht.
Umso wichtiger wäre es, wenn die Berliner Mannschaft durch Corona-Ansteckungen nicht noch stärker zersprengt wird. Laut Niroomand haben inzwischen alle Profis die dritte Impfung erhalten, sodass sie bei Kontakten zu Erkrankten nicht mehr in Quarantäne müssen. Außerdem hätten die Impfungen auch zur Folge, dass es bei den BR-Spielern bislang keine schweren Verläufe gegeben habe, so der Manager. Niroomand glaubt nicht, dass Profisportler besonders gefährdet seien. „Die Leute, die aufs Spielfeld kommen, sind tagesgetestet und meistens geboostert oder genesen", sagte er: „So eine Sportveranstaltung ist, glaube ich, sicherer als ein Weg in den Supermarkt."
Auch deshalb ist der Saisonabbruch bislang keine Alternative. Das vorzeitige Ende der Hauptrunde war aber unumgänglich.