Marc Speicher, Vorsitzender der CDA Saar, kandidiert erneut für den CDU-Bundesvorstand. Er wirbt für eine Stärkung der Vereinigungen und einen programmatischen Neuanfang der Union. Für die Wahl im Saarland zeigt er sich trotz Umfragetief zuversichtlich und verteidigt den Kurs des Ministerpräsidenten.
Herr Speicher, die CDU war nach der verlorenen Bundestagswahl erkennbar am Boden. Wie sehen Sie die Stimmung jetzt zu Beginn 2022?
Die Stimmung im neuen Jahr ist schon eine deutlich andere als zum Ende im alten Jahr. Es gab viele Erwartungen an die neue Bundesregierung. Die Leute merken jetzt Stück für Stück, dass die nicht erfüllt werden. Es gab das konkrete zeitliche Versprechen der neuen Bundesregierung zum Impfen, das jetzt nicht mehr zu halten ist. Und die galoppierenden Preise beim Heizen, Tanken und Strom führen zur höchsten Inflation seit Jahrzehnten. Das ist ein Schlag in die Magengrube für jeden Normalverdiener und eine Strafsteuer für den kleinen Mann. Das ist Umverteilung von unten nach oben! Und die Bundesregierung schaut tatenlos zu – befeuert die Kostenexplosion im Alltag der Menschen sogar noch. Was die CDU betrifft: Ich glaube, dass die Partei gelernt hat, dass sie jetzt in der Opposition ist. Das war ein schmerzlicher, aber notwendiger Prozess. Aber ich denke, wir sind angekommen. Wir haben als einzige demokratische Kraft in der Opposition eine wichtige staatspolitische Aufgabe.
Auf dem Parteitag wird sich einiges neu sortieren mit dem neuen Vorsitzenden Friedrich Merz. Welche Rolle werden dabei die Gliederungen der Partei, in Ihrem Fall besonders die CDA, spielen?
Zunächst einmal ist es ein großer Vorteil, dass wir vor Weihnachten Klarheit hatten über den Vorsitzenden. Das ist ja auch das, was die Menschen am meisten interessiert. Jetzt kommt es darauf an, dass wir Friedrich Merz mit einem guten Ergebnis ausstatten, das zeigt, dass wir geschlossen sind. Merz ist sicher jemand, der in alter Kohlscher Tradition auf eine starke Partei mit starken Vereinigungen Wert legt. Da haben wir Nachholbedarf.
Die CDA war ja auch ziemlich verschwunden.
Da widerspreche ich. Karl-Josef Laumann ist ein klarer Lautsprecher für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und macht zudem einen super Job als Minister in Nordrhein-Westfalen. Natürlich gilt für CDA wie für MIT (Mittelstandsvereinigung) oder Seniorenunion: Man muss sich nach außen Gehör verschaffen, das aber aus meiner Sicht vor allem so, dass man es nicht auf Kosten der eigenen Partei macht.
Annegret Kramp-Karrenbauer hatte als Generalsekretärin als Erstes eine „Zuhörtour" gestartet als Basis für einen programmatischen Neuanfang. Braucht es da eine Neuauflage?
Auf jeden Fall. Das können digitale Basiskonferenzen sein. Und ab Sommer dann auch hoffentlich wieder Veranstaltungen vor Ort in Präsenz. Das zweite ist ein neues Grundsatzprogramm. Die CDU hat nur dann Erfolg, wenn man wieder weiß, wofür wir stehen. Die Leute lesen sicherlich kein ganzes Grundsatzprogramm durch, aber sie wollen schon drei, vier, fünf Punkte wissen, wofür die Partei steht. Das war vor der Bundestagswahl sicherlich zu dünn.
Wie wichtig ist die erste Landtagswahl in diesem Jahr für den neuen Vorsitzenden? Blicken jetzt alle auf das Saarland, wo ein CDU-Ministerpräsident zur Wahl steht?
Wir schauen natürlich erst mal auf uns im Saarland und geben schon jetzt Vollgas, weil es wichtig ist, dass das Saarland weiterhin eine gute Regierung hat. Deswegen geben wir natürlich alles. Erstens, weil es wichtig für das Land ist. Zweitens ist es aber natürlich auch wichtig, dass die CDU mit einem guten Ergebnis ins neue Jahr startet. Wir wollen Rückenwind geben für die kommenden drei Landtagswahlen und unsere Freundinnen und Freunde in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen und die neue CDU-Führung.
Zuletzt konnte die Saar-CDU auf Unterstützung aus der Bundespolitik und einer Kanzlerin setzen. Das ist diesmal anders, und der letzte Saarlandtrend sieht die CDU deutlich im Hintertreffen. Wie schwer wird es?
Also 1999 und 2004 haben wir im Saarland die Wahl gewonnen – und da waren wir auch im Bund in der Opposition. Und außer 2004 standen vorher immer die Umfragen gegen uns beziehungsweise haben ein knappes Rennen vorausgesagt. 2009 war ganz, ganz schwierig, 2012 hat Kramp-Karrenbauer Neuwahlen ausgerufen, obwohl alle Umfragen für Heiko Maas standen, 2017 hat alles zehn Tage vor der Wahl so ausgesehen, als wäre es bereits gegen uns gelaufen. Man muss auch den Zeitpunkt der letzten Umfrage sehen: acht Wochen nach der Bundestagswahl, die Ampel in Regierungsbildung, die Bundes-CDU in der schwierigsten Lage seit Jahrzehnten. Für uns hier zählt, dass wir auf das Saarland schauen, als Abgeordnete im Landtag unsere Arbeit weiter ordentlich machen und gleichzeitig im Wahlkampf als CDU Saar darauf hinweisen, was erreicht worden ist und vor allem, was wir an der Saar noch vorhaben. Wir haben mit Tobias Hans einen erfolgreichen Ministerpräsidenten, der das Land im Strukturwandel mit neuen Arbeitsplätzen voranbringt. Und: Wir sind gut durch Corona gekommen. Strukturwandel und Pandemie, zwei derartige Herausforderungen gleichzeitig zu bewältigen, das hat es noch nie in der Geschichte des Landes gegeben. Das hat Tobias Hans sehr gut gemacht, deshalb gehen wir zuversichtlich und motiviert in den Wahlkampf.
Insbesondere das Krisenmanagement ist aber in jüngster Zeit in die Kritik geraten, da ist beispielsweise die Rede von einem „Zick-Zack-Kurs".
Es gab von Beginn an, von März 2020, einen roten Faden bis heute, was die Corona-Bewältigung angeht: Am Anfang sehr restriktiv, mit so vielen Einschränkungen wie nötig, aber so viel Freiheit wie möglich. Und beim Impfen hatten wir von Anfang an einen Spitzenplatz, jetzt beim Boostern sind wir bundesweit Nummer eins. Das ist ein Riesenerfolg! Natürlich wäre es schöner, wenn es keine Pandemie gäbe. Es gibt nie nur die eine richtige Antwort. Es ist immer eine Abwägung, die den einen nicht weit genug, den anderen zu weit geht. Es ist eine Herausforderung, die es landespolitisch so noch nie gegeben hat.
Sehr hohe Impfbereitschaft auf der einen Seite, auf der anderen in den letzten Wochen Demonstrationen mit einer für das Saarland beachtlichen Teilnehmerzahl gegen Impfpflicht und die Corona-Politik. Da passt also doch wohl einiges nicht zusammen?
Man muss Geduld haben und mit den Leuten im Gespräch bleiben, zumindest denen, die im Gespräch bleiben wollen. Es gibt aber auch einen Teil von Leuten, die nicht gegen Corona-Maßnahmen, sondern gegen jede Form von staatlichem Handeln und den demokratischen Rechtsstaat demonstrieren. Da muss man klare Kante zeigen!
Ist es nicht noch vielschichtiger? Es gibt Impfgegner und Systemgegner, aber die große Zahl und der bislang friedliche Protest zeigen wohl auch, dass da viele mitmachen aus einem grundlegenden Unbehagen am Zustand der Gesellschaft und der Politik. Wie wollen Sie denen mit Argumenten begegnen?
Ich bin immer gesprächsbereit. Wer mir schreibt, bekommt eine Antwort. Es muss aber auf einem bestimmten Level bleiben. Als Abgeordneter bekomme ich auch Nachrichten von Leuten und Bots, die mir drohen wollen. Das hat mit demokratischer Auseinandersetzung nichts zu tun. Politiker müssen immer gesprächsbereit sein, das gilt aber auch umgekehrt. Beleidigungen und Bedrohungen gehören jedenfalls nicht dazu.