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WAS MACHT EIGENTLICH...

Vera von Lehndorff, hier eine Aufnahme von 1966, galt in den 60ern und 70ern als schönste Frau der Welt
Foto: imago images / Everett Collection

… Vera von Lehndorff?

Sie war in den 60er-Jahren das erste deutsche Topmodel, gilt als Pionierin der Körperbemalung und -inszenierung und hatte auch einige Erfolge als Schauspielerin. Bis heute ist die 82-Jährige als Malerin und Fotografin tätig, nutzt den Laufsteg gelegentlich noch für ihre Performances und war 2020 in dem italienischen Kinofilm „La vacanza" zu sehen.

Ihren Künstlernamen Veruschka hat Vera von Lehndorff längst abgelegt. Die Tochter des von den Nazis hingerichteten Widerstandskämpfers Heinrich Graf Lehndorff-Steinort lebt seit einigen Jahren in Berlin als Künstlerin und nennt sich heute schlicht Vera Lehndorff. Ihr Leben ist geprägt von den verschiedenen Welten, in denen sie groß geworden ist. Ihre Eltern wurden vom Hitler-Regime verfolgt und vom Familienschloss vertrieben, als sie fünf Jahre alt war. Nachdem sie zeitweise in einem SS-Kinderheim untergebracht und danach ständig auf der Suche nach einer neuen Heimat war, schaffte sie als 20-Jährige den Sprung in die Glitzerwelt des internationalen Mode- und Filmbusiness. Das Topmodel der 60er- und 70er-Jahre galt damals als „schönste Frau der Welt" und zierte die Titelseiten der bekannten Modemagazine, obwohl sie eigentlich zu groß und zu schlank für das damalige Schönheitsideal war. „Es war eine andere, verrückte Welt, die nichts mit der Realität zu tun hatte. Als Model bist du nur ein Objekt, das eingesetzt und benutzt wird", kritisierte sie 2018 im Deutschlandfunk das Fehlen von kreativer Beteiligung in ihrem früheren Tätigkeitsfeld, zu dem sie „aus Verzweiflung" gekommen sei. Mit ihrer Kunstfigur Veruschka wurde sie trotzdem zum Stil- und Modevorbild einer neuen, freieren Frauengeneration.

„Mir ging es oft nicht gut"

Auch heute noch ist die 82-Jährige als Malerin und Fotografin aktiv
Auch heute noch ist die 82-Jährige als Malerin und Fotografin aktiv - Foto: picture alliance / Eva Oertwig / SCHROEWIG 

Als man dann von ihr verlangte, ihr Aussehen zu ändern, zog die fast 1,90 Meter große Ostpreußin den Schlussstrich unter ihre Modelkarriere. Das hat sie bis heute nicht bereut. Schon früh hatte sie sich für Malerei und Design interessiert und Kontakte zu namhaften Künstlern wie Salvador Dalí oder Andy Warhol gepflegt. Veruschka widmete sich fortan selbst der Kunst und machte ihren Körper quasi zur Leinwand: Sie begann, sich selbst „anzumalen wie ein Tier" und wurde eine Pionierin des Bodypaintings. Mit ihrem Partner Holger Trülzsch entwickelte sie die Körperbemalung zu einem eigenen Kunst-Genre: Mal sieht man Veruschka als Tiger, mal als Leopard oder als grauen, kaum von der Landschaft zu unterscheidenden Stein. Sie verfremdete ihren Körper künstlerisch oft bis zur Unkenntlichkeit oder verwandelte sich in ganz andere Charaktere. Bis heute gleicht ihr Leben einer Art Langzeit-Performance, in der es meist um Verwandlung geht: vom traurigen Kind zum strahlenden Model, vom Cover-Girl zur selbstbewussten Künstlerin, von depressiven Phasen in jungen Jahren zum erfüllten Alter. „Mir ging es oft im Leben nicht gut. Und die anderen haben das nie verstanden, die dachten, die sieht doch hübsch aus, die muss glücklich sein", bekannte sie 2017 im „Zeit Magazin". In ihrer 2011 erschienenen Autobiografie berichtet sie sogar von mehreren Selbstmordversuchen und Aufenthalten in psychiatrischen Kliniken.

Nach ihrer langen Karriere zog Vera von Lehndorff 2005 von New York nach Berlin-Weißensee. Reich sei sie als Model nie geworden: „Geld hat mich nie interessiert", betonte sie in einem „Stern"-Interview. Werbeverträge habe sie stets abgelehnt, weil diese sie in ihrer Freiheit eingeschränkt hätten. So malt Lehndorff in ihrer kleinen Wohnung im Berliner Osten bis heute ihre Bilder, fotografiert, dreht Videos und präsentiert ihre Arbeiten manchmal in Berliner Galerien. In Selbstporträts setzte sie sich dabei immer wieder mit der Kunstfigur Veruschka auseinander.

Das Altern macht ihr keine Angst

Das Altern macht der einst schönsten Frau der Welt keine Angst: „Ich finde es absurd, dass wir das Altern und den Tod von uns wegschieben", bekannte sie im „Tagesspiegel". Sie fürchtet daher nicht den Blick in den Spiegel, sondern ist bereit, ihrem einst viel fotografierten Körper beim Altern zuzusehen: „Wahnsinnig toll ist es nicht, wenn man so zusammenschrumpelt und die ersten Probleme in den Knien bekommt." Weil es für sie eine Art Schönheit des Alterns und sogar des Todes gibt, setzt sie sich künstlerisch mit Vergänglichkeit auseinander: „Ich benutze das Material Asche in meinen Bildern und Performances. Vergänglichkeit und Melancholie sind Teil der Schönheit", sagte sie der „Zeit". Das Ex-Model verzichtet auf Make-up und weist Schönheitsoperationen kategorisch von sich, weil sie die „Löwengesichter" von „Damen mit straff nach hinten gespannter Haut" für grauenhaft hält. Trotz kleiner Mäkelchen und Gebrechen lässt sich Vera von Lehndorff immer mal wieder zu Auftritten auf dem Laufsteg überreden. So lief sie in den vergangenen Jahren bei der Berlin Fashion Week mehrfach für die Designerin Esther Perbandt, weil sie dort neben dem Präsentieren von Mode besonders die Möglichkeit hat, öffentlich auf Missstände hinzuweisen. So machte sie beispielsweise auf der London Fashion Week 2010 auf die Misshandlung von Tieren in der Modeindustrie aufmerksam. 2018 war sie als 79-Jährige sogar noch „Gesicht" einer Kampagne der Stockholmer Acne-Mode-Studios. Auch zu ihrer früheren Schauspieltätigkeit ist sie zuletzt nochmal zurückgekehrt: 2017 war sie in dem Kurzfilm „The Superhost" und 2020 in dem italienischen Drama „La vacanza" zu sehen.

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