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WAS MACHT EIGENTLICH...

Manfred Schnelldorfer am 19. März 1960 in der Essener Gruga-Halle, wo er Deutscher Meister wurde
Foto: picture-alliance / dpa

… Manfred Schnelldorfer?

Er ist bis heute der einzige deutsche Olympiasieger im Eiskunstlauf und wurde im Olympiajahr 1964 auch noch Weltmeister. Der achtfache Deutsche und zweifache Europa-Vizemeister war sieben Jahre lang Eislauf-Bundestrainer, aber auch als Schlagersänger und Schauspieler tätig. Heute arbeitet der 78-Jährige noch als Fotograf und Senioren-Model.

Ab Juli dieses Jahres können Besucher im Haus der Bayerischen Geschichte in München die Schlittschuhe bestaunen, mit denen Manfred Schnelldorfer 1964 bei den Olympischen Spielen in Innsbruck die Goldmedaille gewinnen konnte. Vor ein paar Monaten hat er dem Land Bayern sein geschichtsträchtiges Sportgerät im Rahmen der Sonderausstellung „Bayern und Olympia – 1896-2022" gespendet. „Das sind die Schlittschuhe, mit denen ich die Olympiakür gelaufen bin. Ich war ja nicht der Favorit damals, aber das Publikum war mir zugetan", erinnerte sich Schnelldorfer bei der Spendenübergabe.

Als Kind im Heim abgegeben

Der 78-Jährige arbeitet heute noch als Fotograf und Senioren-Model
Der 78-Jährige arbeitet heute noch als Fotograf und Senioren-Model - Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress / Petra Schönberger / Geisler-Fotopress

Wenn er den heutigen Eiskunstlauf mit seiner aktiven Zeit vergleicht, nennt er als großen Unterschied die Absolvierung eines Pflichtprogramms: „Zu unserer Zeit fraß die Pflicht, die es heute nicht mehr gibt, die ich aber sehr gerne gelaufen bin, zwei Drittel unserer Trainingszeit auf. Die Pflicht verlangt ganz andere Talente." Heute könnten sich die Athleten voll auf ihre Kür fokussieren und drei- und vierfache Sprünge einstudieren: „Das hätten wir mit heutigen Erkenntnissen auch gekonnt", betont Schnelldorfer in einem Interview mit dem Olympiastützpunkt Bayern (OSB). „Uns fehlte der Bereich der Trainingslehre und der Biomechanik fast komplett." Der Ex-Olympiasieger kritisiert zudem, dass heute neben dem Trainer zu viele Personen wie Psychologen oder Choreografen auf einen Sportler „angesetzt" werden. „Ein junger Mensch muss sich doch irgendwann entfalten können und seinen eigenen Stil prägen. Das ist heute fast unmöglich." Geändert habe sich auch der berufliche Status der Athleten: „Wir waren Amateure. Wir mussten uns damals verpflichten, für Eiskunstlauf kein Geld anzunehmen. Wer Geld genommen hatte, wurde gesperrt." Sein einziger „Lohn" fürs Gold: „Es gab vom Präsidenten des Olympischen Komitees einen warmen Händedruck. Das war´s!" Trotz aller Unterschiede nennt Schnelldorfer als zeitüberdauernde Gemeinsamkeit, „dass wir immer noch das gleiche Sportgerät verwenden. Bei uns gibt es keine Materialschlachten".

Manfred Schnelldorfer blieb nach seiner Aktivenzeit dem Eislaufsport als Fachlehrer, Privattrainer und Bundestrainer lange Zeit verbunden. „Selbstverständlich beobachte ich heute den Eiskunstlauf noch im Fernsehen", verriet er im OSB-Interview. „Für mich ist das immer noch die schönste Sportart!" Allerdings sei ihm der Eislauf eine Zeit lang „zu gekünstelt und auf Show getrimmt" gewesen. Im Herren-Bereich sollte man sich bei den Kostümen etwas zurücknehmen: „Der Sport ist nach wie vor sehr hart und schwer zu erlernen, was sich auch im Kostüm widerspiegeln sollte."

Schnelldorfer wurde als Kind von seiner Mutter in einem Heim zurückgelassen und wuchs ab 1946 bei Pflegeeltern auf. Später nahmen ihn sein Vater und dessen zweite Frau, beide Eislauftrainer, zu sich und förderten seine Karriere. Schon als Vierjähriger stand er erstmals auf dem Eis. „Ich konnte es von Anfang an", erzählte er 2018 der „Moviebande". Er habe sechs Stunden täglich trainiert, schon ab 6 Uhr vorm Unterricht sowie nach Schulschluss von 13 bis 15 und von 18 bis 21 Uhr. Während seine Konkurrenz meist in Hallen trainieren konnte, probte Schnelldorfer seine Kür jahrelang im Freien bei Sturm, Regen oder Schnee. „Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen", betonte er anlässlich seines 75. Geburtstages.

Wettkämpfe schon mit 13

Seit er keine beruflichen Verpflichtungen mehr hat, ist er gerne auf Reisen: „Es gibt so viel, was ich noch von der Welt sehen will", sagt er, obwohl er während seiner Sportkarriere sehr viel unterwegs war. Schon mit 13 Jahren war er für Wettkämpfe häufig in den USA und in Russland: „Eigentlich hatte ich keine Kindheit, für Freundschaften blieb keine Zeit." Womöglich deshalb hat Schnelldorfer schon mit 21 Jahren als Olympiasieger und Weltmeister seine Amateur-Laufbahn beendet: „Ich war damals schon zehn Jahre lang bei internationalen Wettkämpfen, hatte alles erreicht. Ich wollte nie der Gejagte sein", begründet er seinen Rückzug. Heute geht er nur noch aufs Eis, wenn er muss, etwa für Fototermine. Sein Hobby, das Fotografieren, hat er eine Zeit lang zu seinem Beruf gemacht. Zudem betrieb er bis 1995 ein Sportgeschäft in München. Heute arbeitet er gelegentlich noch als Senioren-Model. „Außerdem habe ich einen eigenen München-Führer als USB-Stick herausgebracht."

In seiner Freizeit unternimmt Schnelldorfer mit seiner Lebensgefährtin gerne lange Spaziergänge „bei jedem Wetter". 2010 ist er nach viereinhalb Jahrzehnten (1964: „Holiday in St. Tropez", 1965: „Ich kauf mir lieber einen Tirolerhut") sogar wieder als Schauspieler vor die Kamera zurückgekehrt: In der TV-Sketch-Serie „Das R-Team – Die rüstige Rentner-Comedy" war er einer der Senioren, die junge Leute nach Art der „versteckten Kamera" hereinlegen. Nicht wieder aufgegriffen hat Schnelldorfer seine Schlagerkarriere, die ihm 1964 mit „Wenn du mal allein bist" mit 400.000 verkauften Exemplaren einen echten Hit bescherte.

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