Thomas Schanz gehört fraglos zu den besten Köchen des Landes. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis sein Haus in Piesport an der Mosel den begehrten dritten Michelin-Stern erhält.
Heute geht unser Ausflug an die Mittelmosel. Weltberühmte Weindörfer liegen auf unserm Weg: Leiwen, Trittenheim, Dhron und schließlich erreichen wir Piesport. Steile Weinberge und herausragende Lagen säumen den Weg. Hier wachsen weltberühmte Weine von außergewöhnlichen Winzern. Wir sind heute bei Thomas Schanz zu Gast im „schanz. hotel. restaurant.“. Er hat seit vielen Jahren eine kundige und kritische Klientel mit seinen Kochkünsten restlos überzeugt. Und immer wieder höre ich, dass er so gut koche, dass er zu den ganz Großen im Lande aufgeschlossen habe.
In allen nationalen Restaurantführern wird seine Arbeit sehr positiv bewertet: Bei Michelin mit zwei Sternen, und bei Gault-Millau hat er 19 Punkte und wurde 2021 zum „Koch des Jahres“. Die Redaktion von Letzterem schrieb über ihn: „Zu Füßen weltberühmter Weinlagen, weitab von den Metropolen, hat der ruhige, bescheiden-zurückhaltende Thomas Schanz den elterlichen Betrieb in aller Stille in eines der besten Restaurants der Republik verwandelt.“
Zudem gibt es noch die Gruppe Restaurant-Ranglisten. Diese addieren jährlich die Benotung in den führenden nationalen Restaurantführern der besten Restaurants. So entsteht ihre deutsche Rangliste. Natürlich sind sie auch viel unterwegs und essen in den besten Restaurants. Ende des Jahres veröffentlichen sie dann ihr Lieblingsmenü. 2021 kam demnach das beste Zwischengericht in Deutschland von Thomas Schanz: „Frikassee von gegrilltem Hummer und Kalbskopf, mit Annabelle-Kartoffeln, Minze und Mirabellen-Hummer-Bouillon.“ Auch sein Dessert schaffte es bei ihnen in das „Menü des Jahres“!
„Klaus Erfort hat mich gefördert“
Thomas Schanz hat bis heute eine steile Karriere hinter sich. Der 43-Jährige wollte ursprünglich gar nicht Koch werden. Sein Vater Erich ist ein erfolgreicher Winzer. „Zunächst dachte ich schon, dass ich auch Winzer werde. Ich bin schon als Kind immer gerne mit in die Weinberge gegangen“, erzählt er. „1992 eröffneten meine Eltern unser Hotel. Ein Hotel Garni mit zwölf Zimmern. Nur mit Frühstück. Sie wollten für ihre Weinkunden Zimmer bereitstellen. Das hat mir gut gefallen. Den Umgang mit den Gästen mochte ich. Als ich so um die 16 Jahre alt war, musste ich mich entscheiden, wohin die Reise gehen sollte. Mache ich die Schule weiter bis zum Abitur oder mache ich eine Ausbildung als Hotelfachmann?“ Er entschied sich für die Ausbildung und ging 1996 ins Allgäu, ins „Hotel Sonne“ nach Oberstaufen. Am Ende gab es ein Gespräch mit dem Hoteldirektor. Er mochte Thomas Schanz und wollte ihn unterstützen. Er riet ihm, ins Management zu gehen. Doch um dahin zu kommen, müsse er noch Koch lernen, damit ihm später kein Küchenchef auf der Nase herumtanze. Der Direktor schlug ihm vor, in den Schwarzwald zu gehen, nach Baiersbronn, da gebe es sehr gute Restaurants. Schanz bewarb sich bei allen Großen und bekam eine Stelle in der „Traube Tonbach“.
Die kreative Arbeit als Koch lag ihm, das Kochen wurde seine Leidenschaft, seine große Liebe. Entsprechend dankbar ist er seinem Ratgeber bis heute. Nach der Kochausbildung ging er zurück an die Mosel, ins „Alte Kelterhaus“ in Wintrich. 2004 ging es weiter zu Klaus Erfort nach Saarbrücken. Dies sei eine ganz tolle Zeit für ihn gewesen, sagt er. Er bekleidete dort viele Positionen in der Küche, lernte viel über Spitzenküche. „Klaus Erfort hat mich gefördert, das war eine außergewöhnlich gute Zeit für mich“, betont er.
2006 wechselte er ins Drei-Sterne-Restaurant „Sonnora“ zu Kochlegende Helmut Thieltges. Er fing als Commis an, das machte er überall so. Erst mal ankommen, erst mal schauen, was einen erwartet. Sein Chef machte ihn nach wenigen Monaten zum Sous-Chef. Viel höher in einer Küchenbrigade geht es ja nicht. „Helmut Thieltges hatte eine fantastische Zunge. Er legte sehr viel Wert auf das Abschmecken. Er hat Geschmack und Gefühl für Gerichte, wie man sie noch besser machen kann!“
Im August 2011 übernahm er den elterlichen Betrieb in Piesport. Sehr schnell waren die ersten Tester bei ihm. Im folgenden November schon bekam er für 2012 bei Michelin den ersten Stern. „Es war der Hammer für mich! Unglaublich. Ich hatte mit allem gerechnet, nur nicht mit einem Stern!“
Doch das war erst der Anfang. 2015 kam der zweite Stern. 2017 wurde er „Koch des Jahres“ im großen Hotel- und Restaurant-Guide von Bertelsmann. 2016 feierte ihn der Gault-Millau als „Aufsteiger des Jahres“ und 2021 als „Koch des Jahres“.
Aufwendiges Kochen auf höchstem Niveau
Seine Küche beruht auf der Grundlage der klassischen, französischen Küche. Aber leicht umgesetzt. Ganz viel Aromatik gehört dazu. Man schmeckt, was man bekommt. Fisch schmeckt nach Fisch, Hummer nach Hummer. Das Grundprodukt ist wichtig, nicht das Schäumchen. Und das Grundprodukt wird umschmeichelt von anderen Aromen. Dazu benutzt er viele Sude, Brühen und Fonds, die nicht gebunden sind. So spart er Fett ein. Natürlich werden Extrakte und Aromatik aus den jeweiligen Produkten herausgezogen. Nicht alltäglich zu sein ist sein Anspruch, und ich fand vieles sehr überraschend!
Restaurantleiterin ist Soumiya Khattabi, eine Französin aus Bordeaux, sehr kompetent mit einem großen Sachverstand und viel Charme. Sommelier ist Aleksandar Petrovic, ein Österreicher aus Bad Gastein. Einer, der besonders charmant und kompetent über Wein zu plaudern weiß. Im Januar war ich bereits privat hier, jetzt wieder für FORUM. Im Januar aß ich Steinbutt an geschmolzenem Ochsenmark mit Tomatenkompott und Sauce Africaine. Das war ein wahr gewordener Traum. Vor allem die aufwendige Sauce.
„Statt Kalbsknochen und Kalbsfond nehme ich Ochsenschwänze. Ganz klein geschlagen und braun angeröstet. Natürlich kommt da Wurzelgemüse rein, Wacholder, klassische Basis und Gewürze“, erklärt Schanz. „Ich fülle das auch noch mit einer Fleischbrühe auf. Das Wichtigste sind aber die Paprikaschoten, aber nicht mit der Schale. Ich schäle die Paprika und entsafte sie. Wenn die Sauce fast fertig ist, gebe ich den frischen Paprikasaft rein. Es ist einfach anders, sie am Ende dazuzugeben! Auch die geschnittene Petersilie kommt zum Schluss rein, und ich lasse sie nur ziehen.“
Das Haus von Thomas Schanz ist eine der besten Adressen, in denen ich jemals gegessen habe. Die Küche von heute und der Zukunft, voller Kreativität und Einfallsreichtum. Eine verdammt mutige und besondere Speisekarte. Kochen mit großem Aufwand auf höchstem Niveau. Eine Bastion der ganz großen Kochkunst. Das Menü war so etwas von genial und durchdacht, dass ich schier sprachlos wurde.
Wir begannen mit Radieschen, Nordseemakrele und Algensüppchen als Amuse-Bouche. Überraschend und mit sehr hohem Geschmacksfaktor. Basis ist ein Tomatensud. Die Radieschen sind vorher in Essig eingelegt worden. Daraus wird dann ein Mus gemacht. Ähnlich wird das Sorbet hergestellt. Die Algen bringen einen Jodgeschmack und etwas Salz. Und Radieschen und Algen sind hervorragende Geschmackspartner für dieses Gericht. Der Wein dazu war ein Pinot Blanc, Wehlener Klosterberg 2018, von Markus Molitor.
Danach die neueste Kreation von Thomas Schanz: Gänselebertorte „Saint Honoré“ mit altem Sherry und Parmigiano Reggiano. Auf diese Idee kam der Meister bei einem Parisbesuch. Er war dort in einer Confiserie und sah eine Torte. Benannt nach dem Schutzpatron der Bäcker, dem heiligen Honorius. Ihn feiern die Gläubigen am 16. Mai. Doch es war nur eine Inspiration. Thomas Schanz machte daraus Gänseleber auf seine ganz eigene Weise. Er macht sie mit Filoteig, auch griechischer Blätterteig genannt. Sechs Schichten Teig mit Gänseleber und als Creme Traubenmousse. Dazu Kräutersalat und Crème fraîche. Und der Käse bringt die herbe Note. Unvorstellbar gut und perfekt! Sommelier Aleksandar Petrovic hatte den passenden Wein dazu: eine Ohlingsberger Spätlese 2011 vom Weingut Haart. Dazu meinte er: „Der Wein hat die Fülle, trotzdem Säure. Der Käse hat Salzigkeit. Und mit der Süße dieses Weins ist das traumhaft!“ Recht hat er.
Dann gab es geangelten bretonischen Seehecht. Auf meine Bemerkung, dass der Seehecht jahrelang aus der Hochküche verbannt war, sagte Thomas Schanz: „Zu Recht ist er wieder zurück, denn er hat einen sehr feinen Geschmack! Bei den Netzfischen gibt es Probleme, weil sie gedrückt werden, bei Angelware nicht!“ Den Seehecht kombiniert er mit Hibiskus und Orangenblüten. Die Säure kommt von den Blüten des Hibiskus, die Orangenblüten geben dem Gericht Aroma. Wieder war ich völlig überrascht von diesem Meisterwerk mit floralen Noten. Der Fisch ist in einem intensiven Gewürzsud unter 100 Grad pochiert. Mit Orangen, Ingwer, Estragon, Curry, Melisse, Kerbel, Schnittlauch, Zitronengras, Koriander, Sternanis, Krustentiersud. Aber auch Geflügelbrühe, diese macht das Ganze rund! Der passende Wein dazu war ein Ürziger Würzgarten 2018 von Dr. Loosen.
Wahrlich einer der besten Köche
Danach folgte das „Gericht des Jahres“ in Deutschland: Frikassee von gegrilltem Hummer und Kalbskopf, mit Annabelle-Kartoffeln, Minze und Mirabellen-Hummer-Bouillon.“ Mit etwas Kartoffelmousseline, Karotten, Sellerie, Karotten- und Kartoffelstiften. Verziert mit kleinen Zwiebeldreiecken und einer durchsichtigen Kartoffelhaube und etwas Minze. Am Tisch dann mit einer Consommé angegossen. Von den Mirabellen, dem Mirabellensud bis zum Hummer ergibt dies eine Symphonie des Geschmacks! Die Verbindung von Hummer mit Kalbskopf ist unschlagbar. Dazu gab es den nächsten perfekten Wein: Juffer Sonnenuhr Riesling Auslese 2018 von Schloss Lieser, Thomas Haag. Perfekt!
Es folgte Bison mit gefülltem Chicorée und knusprigen Kartoffelsträußchen. Der Chicorée wurde vorher in einen Wein-Gewürz-Sud eingelegt. Chicorée ist gefährlich, wegen seiner Bitterkeit. Die muss man beim Kochen austricksen. Hat der Meister mehr als geschafft! Gefüllt war er mit leicht geräuchertem Zwiebelpüree, und damit es etwas knackiger wird, mit Kaiserschoten. Gespickt mit geröstetem Reis. Dazu ein klassisch gebratenes Bisonfilet mit klassischer Sauce. Ich wollte keinen Rotwein dazu, sondern blieb beim letzten Wein.
Auch Desserts kann Thomas Schanz besonders gut. Ein frisches Dessert zum Abschluss, mit weißer Schokoladencreme und Zitronensorbet. Zwei Pampelmusen: einmal hell, einmal rosé. Oben drauf kommt noch ein Espuma von der Pampelmuse. Damit Fett nicht fehlt, wird das Ganze auf einem klassischen Crème-fraîche-Spiegel mit Safran angerichtet. Perfekt.
Für mich zählt Thomas Schanz zu Deutschlands besten Köchen!