Schon ziemlich ungewöhnlich, dass ein bereits 1991 gegründetes Pariser Luxus-Haus, dessen Inhaber Franck Sorbier den exklusiven Titel eines „Grand Couturiers" tragen darf und das zum exquisiten Kreis der „Haute Couture"-Labels zählt, bislang recht unbekannt geblieben ist.
Er gilt als der wohl einzige ernsthafte Poet unter den Modefürsten unserer Zeit. Und doch können bislang nur wenige Branchen-Insider mit seinem Namen etwas anfangen. Das dürfte vor allem damit zusammenhängen, dass er keine handelsüblichen Prêt-à-porter-Kollektionen erschafft, sondern sein auf handwerklicher Meisterschaft beruhendes schöpferisches Leben ausschließlich der Haute Couture gewidmet hat. Jener in aufwendigster Handarbeit als ultimativer Nachweis erlesenster Schneiderkunst unter Verwendung feinster Materialien hergestellten Luxus-Unikate, die alljährlich zweimal im Rahmen der vom Pariser Modeverband „Fédération de la Haute Couture et de la Mode" an der Seine durchgeführten Showveranstaltungen dem staunenden Publikum vorgestellt werden. Teilnahmeberechtigt sind nur jene Maisons, die unter Erfüllung der in den letzten Jahren etwas gelockerten Kriterien von der „Fédération" für würdig gehalten werden, wobei es neben aktuell 16 Vollmitgliedern, die ihre Ateliers zwingend in Paris haben müssen, noch einen erweiterten Kreis von aktuell acht sogenannten korrespondierenden Mitgliedern und jeweils als Gäste „eingeladenen Mitgliedern" gibt.
Keine üblichen Prêt-à-porter-Kollektionen
Franck Sorbier, von dem hier die Rede sein soll, gehört dem Mode-Olymp mit seinem 1991 gegründeten Haus schon seit 1999 an, zunächst als Gast, ab 2005 als Vollmitglied. Eigentlich müsste ihn daher jeder kennen, doch in der Medienberichterstattung über die Pariser Luxus-Schauen werden seine Kollektionen regelmäßig übergangen, weil sich die internationale Presse meist nur auf die weltberühmten Traditionshäuser von Dior bis Chanel konzentriert. Dabei müsste Franck Sorbier schon allein deshalb viel größere Aufmerksamkeit auf sich ziehen können, weil er zu den ganz wenigen Modeschöpfern dieser Welt gehört, die bei ihren Kunstwerken noch selbst zu Nadel und Faden greifen, während sich die meisten anderen Kollegen auf das Zeichnen ihrer Entwürfe beschränken und den eigentlichen Fertigungsprozess in die Hände von Schneiderinnen zu übergeben pflegen, die in Frankreich als „petites mains" bezeichnet werden.
Auch mit seinem poetischen Ansatz, der seit jeher jeder seiner Kollektionen zugrunde liegt, hebt er sich grundlegend von der Konkurrenz ab. Seine Haute Couture-Kreationen für diesen Sommer, bei denen er für seine Roben ausschließlich hauchzart-durchscheinende Seidenorganza in allen Schattierungen des Regenbogens verarbeitet und das luxuriöse Material mit skulptierten Blumen, Rüschen oder Federn zusätzlich aufgehübscht hat, wurde von ihm denn auch ganz poetisch als „Ode an das Leben" getauft. Und mit einer ausführlichen, geradezu philosophisch anmutenden Erläuterung über die wesentlichen Elemente für das Leben auf der Erde wie Wasser, Sauerstoff und Licht verbunden. Was natürlich sehr intellektuell und dadurch einer allgemeinen Akzeptanz nicht gerade förderlich ist. Doch von seinem einmal eingeschlagenen Weg weicht der 1961 im südfranzösischen Fréjus geborene und stolz auf seinen Titel als „Grand Couturier" verweisende Sorbier, der in der glamourösen Glitzerwelt der milliardenschweren Luxuskonzerne so etwas wie ein unabhängiger, stets von Geldsorgen belasteter Exzentriker ist, keinen Jota ab.
Und ist auch als Mode-Poet, der 2004 vom französischen Kulturminister sogar zum „Chevalier des Arts et des Lettres" ernannt worden war und gelegentlich auch als „Magier" der Pariser Modeszene bezeichnet wurde (Sorbier: „Ist es nicht die Rolle eines großen Couturiers, ein Zauberer des Lebens zu sein?"), kein bisschen weltfremd. Ihm ist natürlich klar, dass es alles andere als einfach ist, sich in der Branche allein mit Haute Couture über Wasser zu halten. Schließlich waren in der Vergangenheit schon viele größere Häuser aus Kostengründen aus der Haute Couture ausgestiegen, weil sich anders als in den 40er-Jahren, als bis zu 106 Maisons stolz den Haute Couture-Vollmitgliedsstatus hatten, kaum mehr Kundinnen für die hochpreisigen Kleider finden ließen.
Inzwischen ist das Interesse an der Haute Couture zwar wieder gewachsen, bei der breiten Öffentlichkeit ebenso wie bei den Traditionshäusern, weil wichtige Impulse aus den Unikaten in der Konfektionsmode übernommen werden können, aber dennoch bleibt dieses Segment weiterhin ein teurer, aber immerhin ungemein prestigeträchtiger Spaß für alle darin Involvierten.
„Magier" der Modeszene
Prestige und Sentimentalitäten sind zwar auch für den vier Sprachen beherrschenden Franck Sorbier sehr wichtig, nur kann er sich Letztere nicht leisten, weshalb er ganz branchenuntypisch auch schon mal nicht davor zurückgeschreckt war, Eintrittskarten für den Besuch seiner Shows zu verkaufen. Auch ständiges Klappern und Klinkenputzen, um Sponsoren, Investoren oder Unterstützer zu gewinnen, gehören für Sorbier, der als Kreativkopf in seinem Hause von seiner sich um die Finanzen kümmernden Ehefrau Isabelle Tartière unterstützt wird, seit jeher zum Alltagsgeschäft. Dabei weist er als Referenz stets auf die erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Schmuck-Giganten Cartier, General Motors oder der Swatch Group hin, erwähnt namentlich von ihm für Tourneen oder Gala-Auftritte eingekleidete Stars wie Lady Gaga oder Johnny Holliday oder macht auch auf von ihm entworfene Garderobe für große Opernhäuser aufmerksam. Auf seiner Webseite bietet Sorbier zudem Skizzenentwürfe seiner Kollektionen zwischen 2014 und 2020, signierte Postkartenkunst oder auch eigenen Maskenschmuck zum Kauf an.
Und auch im Umgang mit den neuen Medien hatte er schon früh bewiesen, dass er als Mode-Poet durchaus alles genau verfolgt hatte, was um ihn herum an Innovationen angestanden hatte. Bestes Beispiel dafür war seine mit allerlei Auszeichnungen belohnte Show „Nothing but luck", die er schon im Jahr 2008 ins Internet gestellt hatte – und damit die pandemiebedingten virtuellen Präsentationen der jüngsten Vergangenheit lange vorweggenommen hatte.
Auch seine Sommerkollektion 2022 hatte er im Unterschied zu vielen anderen Haute Couture-Häusern wieder nur digital bekannt gemacht. Und zwar mit einem kunstvollen elfminütigen Film, bei dem der in der Modebranche bekannte Profi Bruno Le Page Regie geführt hatte und für den Sorbier den französischen Schauspieler Luc Bruyère für die Rolle eines rund um das ziemlich düster aufgenommene Palais Royal mit einem Blumenstrauß auf der Suche nach seiner geliebten Flanierenden sowie die Actrice Adèle Borde gewinnen konnte, die sämtliche Seidenorganza-Roben getragen hatte. Diese hatten natürlich zusätzlich auch noch in einem Lookbook Eingang gefunden.
Kunstvoller elfminütiger Film
In seiner Haute Couture für den Winter 2021/2022 war Sorbier unter dem Titel „Der Geist des Örtchens Chaalis – Die Magd, der Fährmann und die Reliquie" tief in eine mystische Märchenwelt eingetaucht und hatte eine fast an eine französische Prinzessin erinnernde Magd in traumhaften Kaftans, Kleidern aus Leinen-Seide-Mischungen oder kunstvollen Strickwaren durch einen verwunschenen Wald spazieren lassen. Auch für diese filmisch festgehaltene Kulisse rund um die Domaine de Chaalis im Herzen des Forêt d’Ermenonville hatte Sorbier natürlich eine ausführliche Anleitung mitgeliefert. Im Sommer 2021 hatte Sorbier einer realen Person, der französischen Schauspielerin Catherine Wilkening, als seiner „Muse en scene" ein poetisch umrahmtes Haute Couture-Denkmal gesetzt mit Verwendung von reichlich Spitze, Stickereien, Dessous-Anklängen, viel Gold und der Einarbeitung von Porzellan-Elementen. Für Sorbier ungewöhnlich hatte er 2012 auch schon mal viel nackte Haut gezeigt, allerdings war die Blöße durch geschicktes Bodypainting in Kombination mit prachtvollen Röcken geschickt kaschiert worden.
Der Weg zum eigenen Label war für Franck Sorbier ziemlich beschwerlich gewesen. Dabei hatte alles ganz vielversprechend angefangen. Denn nach dem erfolgreichen Abschluss des Studiums an der renommierten Pariser Designschule „Ecole supérieure des arts et technique de la mode" schienen ihm alle Türen offenzustehen. Zumal er mit seiner studentischen Abschlusskollektion gleich einen viel beachteten Preis errungen hatte. Doch seine wiederholten Versuche, einen Job bei einem bekannten Haus zu finden, waren anfangs zum Scheitern verurteilt gewesen. „Ich bin durch alle Couture- und Konfektionshäuser gegangen, aber es gab nichts für mich", so Sorbier im Rückblick auf seine schwierigen Startjahre in der Branche.
Schließlich klappte doch noch eine Anstellung bei Chantal Thomas und Thierry Mugler. 1987 entwarf er seine erste eigene Kollektion, wobei er damals noch Richtung Ready-to-wear geschielt hatte. Danach waren die Einkäufer einiger großer Luxus-Warenhäuser, vor allem aus den USA, auf ihn aufmerksam geworden. Erste Bestellungen bestärkten ihn darin, 1991 seine eigene Marke zu gründen. In Cartier fand er 1994 einen finanziell hilfreichen Supporter, auch im Kollegenkreis konnte er auf die Unterstützung durch Sonia Rykiel und Jean Paul Gaultier bauen, die ihm den Weg in die Pariser Haute Couture-Vereinigung geebnet hatten.