Wie wäscht man schmutzige US-Dollar für ein mexikanisches Drogenkartell? Unter Lebensgefahr! In der Netflix-Serie „Ozark" spielen Jason Bateman und Laura Linney ein Ehepaar, das mit fast allen Mitteln versucht, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen.
Mexiko, Luxusvilla des Drogenkartell-Bosses Navarro. Ein Schuss kracht. Blut spritzt. Und Gehirnmasse. Direkt ins Gesicht von Marty (Jason Batman). Und in die Haare von Wendy (Laura Linney). Beide total geschockt. Aber lebendig. Eigentlich haben sie damit gerechnet, von Drogenboss Omar Navarro (Felix Solis) liquidiert zu werden, doch er erschießt lieber seine rechte Hand, die Anwältin Helen Pierce (Janet McTeer). Sie war es nämlich, die das Ehepaar Byrde eiskalt ans Messer liefern wollte, um selbst einen 50-Millionen-Drogendeal zu übernehmen. Doch für Omar sind die Byrdes diesmal wertvoller. „Heute ist ein Neuanfang", sagt er trocken, als er Marty und Wendy umarmt.
Mit diesem dramatischen Cliffhanger endet die dritte Staffel von „Ozark". „Es war uns sehr wichtig, die Spannung aufrechtzuerhalten und neugierig zu machen, wie es in der vierten und letzten Staffel weitergeht", meint Jason Bateman. „Bei TV-Serien muss man immer versuchen, noch eine Schippe draufzulegen, damit die Zuschauer bei der Stange bleiben." Ob das gelungen ist, davon kann sich jeder selbst ein Bild machen: Die ersten sieben Episoden der vierten Staffel sind zurzeit auf Netflix streambar. Die letzten Episoden folgen ab dem 29. April.
Rückblende: Marty und Wendy fliehen mit ihren Kindern Charlotte (Sofia Hublitz) und Jonah (Skylar Gaertner) aus Chicago in das Sommer-Resort Osage Beach. Marty hat bei einem Geldwä-sche-Deal mit einem mexikanischen Drogenkartell kläglich versagt und steht seitdem auf der Todesliste. Um sich und seine Familie vor der Rache des Drogenbosses zu schützen, verspricht er nun, in nur fünf Jahren ganze 500 Millionen Dollar zu waschen. Und zwar in Ozark, Missouri. Doch schon bald erkennen Marty und Wendy, dass sie nicht die einzigen sind, die das verschlafene Städtchen für kriminelle Machenschaften auserwählt haben. Da gibt es die Familie Snell, die mit dem Anbau von Heroin Millionen scheffelt. Und die Familie Langmore, überwiegend versoffener Trailer-Park-Trash, die allerdings von der tollkühnen Ruth (Julia Garner) angeführt wird: Sie regelt ihre Angelegenheiten meist mit dem Charme einer abgezogenen Handgranate. Es dauert nicht lange, da sind die Byrdes mit den beiden Clans in komplizierte und extrem toxische Geschäftsbeziehungen verstrickt, ganz zu schweigen von den Verwicklungen mit der Kansas-City-Mafia.
Stille Wasser sind tief
So dicht das Spannungsnetz auch gewoben ist, und so überraschend die Wendungen in dieser mörderischen Thriller-Serie auch sind, das Drama wird getragen von den beiden Hochkarätern Jason Bateman und Laura Linney. Und von der Neuentdeckung Julia Garner, die gerade mit der Netflix-Miniserie „Inventing Anna" für Furore sorgt. Für Jason Bateman – der auch in die Produktion von „Ozark" involviert ist und bei einigen Episoden selbst Regie führt – ist die Chemie zwischen den Schauspielern extrem wichtig: „Da können die Drehbücher noch so gut sein, letztlich sind es doch die Schauspieler, die diese Figuren zum Leben erwecken und die Geschichte zum Fliegen bringen – oder eben nicht." Er war es auch, der unbedingt Laura Linney an seiner Seite haben wollte. Und Laura Linney, die in Film und Fernsehen seit 30 Jahren zu den Besten ihres Fachs gehört, ist bei der Wahl ihrer Rollen sehr wählerisch: „Ich gebe gern zu, dass ich oft lange zögere, bevor ich zusage. Schließlich investiere ich mich bei jedem Projekt mit Haut und Haar. Aber als mir Jason die Rolle der Wendy anbot, habe ich enthusiastisch zugesagt, allein schon seinetwegen. Ich bewundere Jason nämlich schon sehr lange. Er ist ein sehr versierter und ungemein einfühlsamer Schauspieler. Mit ihm an meiner Seite wusste ich, dass ich mich ohne Bedenken auf dieses Abenteuer einlassen konnte. Und sogar viel Spaß dabei haben würde."
Trotzdem war die Sache nicht so einfach. Denn Linney fand Wendy nach der ersten Drehbuchlektüre zu eindimensional. Deshalb wurde sie noch einmal komplett überarbeitet und aufgewertet. Linney schwärmt: „Daraus wurde dann diese herrlich komplizierte und so wunderbar unberechenbare Wendy, eine Rolle, die ich mit jeder Staffel weiter ausbauen konnte. Ich liebe es sehr, solche komplexen Charaktere darzustellen, die im Laufe der Zeit eine echte Entwicklung durchmachen. Genau das ist ja die Stärke dieser TV-Serien, wie sie heutzutage gemacht werden: Die Geschichten bekommen einen dramatischen Bogen, die einzelnen Figuren werden facettenreicher, und man wird als Zuschauer richtig ins Geschehen hineingezogen. Deshalb sind wir doch alle süchtig nach ‚Breaking Bad‘, ‚Fargo‘ oder mein persönlicher Favorit ‚The Crown‘."
Neben Laura Linneys Wendy, die im Laufe der Staffeln immer mehr das Heft in die Hand nimmt und sich zu einer wahren Lady Macbeth entwickelt, gibt Jason Bateman souverän seine bisher beste Performance. Als Marty versucht er äußerlich gefasst das Damoklesschwert, das an einem seidenen Faden über ihm und seiner Familie baumelt, ruhig zu halten.
Zwischen Familienidylle und Mafia-Clans
Während Wendy wie ein Kaleidoskop ist, das immer wieder ein neues Bild ergibt, wenn man auch nur ein bisschen daran dreht, hat Marty eher etwas von einem trojanischen Pferd: Er wirkt für alle Beteiligten wie ein Geschenk. Er versucht, die Wogen zu glätten, den Druck herauszunehmen, auch wenn er innerlich noch so verzweifelt ist. Aus seinem Allerweltsgesicht mit der Buster-Keaton-Deadpan-Mimik kann man absolut nichts herauslesen – oder eben alles. Und ihm gelingt etwas, das nur die wenigsten Schauspieler beherrschen: Man kann ihm beim Denken zusehen. Wir erinnern uns: Blutverschmiert steht er da, direkt neben ihm bekam Helen Pierce einen Kopfschuss. Und er schaut einfach geradeaus. Erfasst das Geschehen, ordnet es ein. Und geht weiter.
„Das Faszinierende an Wendy und Marty ist, dass beide sehr intelligent und extrem flexibel sind. Sie haben eine schnelle Auffassungsgabe und wenig Skrupel, das Nötige zu tun, um ihre Ziele zu erreichen. Das schränkt einen als Autor etwas ein. Denn alles, was sie machen, muss ja plausibel erscheinen. Wendy und Marty würden sich nie zu Dummheiten hinreißen lassen – auch wenn das für den Zuschauer noch so unterhaltsam wäre", meint Jason Bateman. „Und dem FBI können sie sich natürlich auch nicht stellen – das wäre sonst das Aus für die Show." Bei all den spektakulären Action-Sequenzen und brutalen Gewalt-Attacken dennoch die Glaubwürdigkeit nicht aufs Spiel zu setzen, das macht aus „Ozark" eine künstlerisch anspruchsvolle Serie, die auch als politisches Statement gelesen werden kann. Dazu Linney: „In ,Ozark‘ gibt es Charaktere, die sich sehr auf ihre Ur-Instinkte verlassen. Was sich oft in gewalttätigen, völlig rücksichtslosen Taten äußert. Je egoistischer man handelt, desto effektiver und erfolgreicher scheint man zu sein. Auch wenn man dabei über Leichen geht. „Und das", meint sie mit einem bitteren Lächeln, „erinnert mich leider sehr an den Zustand, in dem sich die USA befindet, seit Trump das Land gespalten hat."
Laura Linney wurde 1964 in New York City geboren. Zunächst war sie sehr erfolgreich am Theater tätig, bevor sie Anfang der 90er-Jahre ins TV- und Filmgeschäft einstieg. Zu ihren herausragenden Kinofilmen zählen „Mystic River", „Tatsächlich … Liebe", „Der Tintenfisch und der Wal", „Die Ge-schwister Savage", „Nocturnal Animals" und „Wege des Lebens – The Roads Not Taken". Sie gehört zu den großen und gefragten Charakterdarstellerinnen in Hollywood. „Meine Arbeit ist mein Lebenselixier. Ich sauge sehr viel Kraft aus der Kunst. Kunst ist Futter für die Seele. Ich bin auch der festen Überzeugung, dass Kunst und Kultur essenziell wichtig sind für die Gesundheit jedes Einzelnen –
und der Gesellschaft als Ganzes."
Jason Bateman ist mit seinen 53 Jahren schon seit über vier Jahrzehnten im Filmgeschäft. Seine ersten Auftritte hatte er als Waisenkind James Cooper Anfang der 80er-Jahre in der beliebten TV-Serie „Unsere kleine Farm" unter der Regie von Michael Landon – der einigen vielleicht noch als Little Joe aus der TV-Western-Serie „Bonanza" in guter Erinnerung ist. Bateman sorgte als Kinder-Star für das finanzielle Auskommen seiner Familie und spielte als Teenager in einigen Hollywood-Filmen mit, driftete in den 90er-Jahren dann in seine – wie er es nennt – „wilden Jahre" ab. „Alkohol und Drogen waren dabei meine ständigen Begleiter. Ich habe es damals richtig krachen lassen. Und ich bin sicher viel zu lange auf dieser Party geblieben. Dank meiner Frau (Amanda Anka, die Tochter von Paul Anka; Anm. d. Red.) habe ich den Absprung geschafft. Seitdem bin ich clean – auch wenn man mich in ,Ozark‘ oft mit einem Glas Bourbon in der Hand sieht."
Was „Ozark" neben dem Zeitgeist-Bezug auch noch auszeichnet, sind Situationen, die in ihrer Absurdität und Verschmitztheit eher in einer Comedy-Serie zu finden wären. Großen Anteil daran hat Jason Bateman, der sein komisches Talent geschult und verfeinert hat, unter anderem in der TV-Sitcom „Arrested Development" (vier Staffeln, von 2003 bis 2006) sowie in Kinofilmen wie „Kill the Boss 1 + 2", „Voll abgezockt" und „Game Night". „Ich hoffe sehr, dass das auch ‚Ozark‘ zugutekommt", meint Bateman, und fährt schmunzelnd fort: „Soll ich Ihnen mal die Essenz meiner Schauspielkunst verraten? In einem Drama bin ich nicht die Person mit dem Messer, sondern die, die gejagt wird."