Die neue Ministerriege im Saarland ist eine Kombination bekannter Gesichter, erwarteter Neuzugänge und einer überraschenden Verstärkung von außerhalb. Mit dem Neuzuschnitt einiger Ressorts hat die Regierungschefin Schwerpunkte gesetzt.
Ministerpräsidentin Anke Rehlinger nennt es ein „Kabinett der Verantwortung für die Zukunft des Landes". Die Stränge nach Berlin und Brüssel werden gestärkt, Wirtschaft und Arbeit neu aufgestellt, Bildung belibt in bewährter Hand.
Jürgen Barke: Wirtschaft, Stellvertretender Ministerpräsident
Das Wirtschaftsministerium wird sich in neuem Zuschnitt ganz auf den Strukturwandel konzentrieren. Die Berufung von Jürgen Barke kam dabei nicht unerwartet.
Als Staatssekretär stand der 59-Jährige nicht unbedingt im öffentlichen Rampenlicht, aber als tragende Säule im Wirtschaftsministerium war seine Berufung als Nachfolger seiner bisherigen Chefin letztlich erwartet worden. Einerseits gibt das bisherige Superministerium einige Aufgaben ab, andererseits konzentriert sich mit dem neuen Zuschnitt alles auf die Aufgabe, den Wirtschaftsstandort voranzubringen. Innovation und Digitalisierung (bislang in der Staatskanzlei angesiedelt) sind ein klares Signal, nicht nur unmittelbar in die Wirtschaft selbst. Mit der (parteilosen) Staatssekretärin Elena Yorgova-Ramanauskas, die als Wirtschaftsprüferin fundierte Einblicke hat, wird die Konzentration auf die wirtschaftliche Entwicklung zusätzlich verstärkt, um einen zentralen Beitrag zum prioritären Ziel der Landesregierung (400.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze) zu leisten.
Jakob von Weizsäcker: Finanzen und Wissenschaft
Das neue Gesicht im Kabinett ist ein „Import" aus Berlin mit Erfahrung im Europaparlament und internationalen Studienabschlüssen.
Der 52-Jährige war die Überraschungsnominierung der neuen Regierung. Seine Vita verspricht viel Expertise. Als Finanzminister hat er eine Sonderstellung mit einem praktischen Vetorecht bei finanzwirksamen Beschlüssen. Sein selbsterklärtes Verständnis ist das eines „Ermöglichungsministers". Das hört sich fast schon wie eine kleine Revolution an, waren doch die Vorgänger vor allem damit beschäftigt, für die Einhaltung der Schuldenbremse zu sorgen. Darauf wird der Neue ebenfalls achten müssen. Auch wenn die Schuldenbremse wegen der Pandemie vorübergehend ausgesetzt war, gilt weiter solide Haushaltsdisziplin. Ein spannender Spagat. Dem Minister wird vor allem die Aufgabe zufallen, für das „Jahrzehnt der Investitionen", das die Ministerpräsidentin fortsetzen will, Fördergelder zu akquirieren. Sein Staatssekretär Wolfgang Förster, bundesweit aus Finanzverhandlungen geschätzter Experte, wird mit auf die Kasse achten.
Ungewöhnlich ist die Personalunion mit dem Wissenschaftsministerium. Wissenschaft ist damit wieder in einem eigenen Ressort beheimatet. In der jüngsten Vergangenheit waren öfter, meist unter der Hand, Klagen aus dem Hochschulbetrieb zu hören, nicht im gewünschten Maße gehört zu werden. Wissenschaft war zuvor an die Staatskanzlei angedockt. Die Erwartungshaltung der Ministerpräsidentin an die Hochschulen ist ein spürbarer Beitrag zur weiteren Entwicklung des Landes.
Christine Streichert-Clivot: Bildung und Kultur
Das Bildungsministerium ist das einzige, das sowohl in seinem bisherigen Zuschnitt als auch in der Besetzung der Führungsspitze weiterarbeiten kann.
Die 41-jährige Ministerin genießt das Vertrauen der Ministerpräsidentin, die ihr „höchste Kompetenz" attestiert. Unter ihrer Führung hat das Saarland im Bildungsranking der Länder einen großen Schritt nach vorne gemacht. Das Bildungsministerium steht zusätzlich vor zwei großen Aufgaben. Die durch die Pandemiebedingungen rasant beschleunigte Digitalisierung erfordert neben den technischen Umsetzungen vor allem auch neue Lehr- und Lernkonzepte. Gleichzeitig soll G9 jetzt nach langem politischen Streit zügig umgesetzt werden. Das erfordert nicht nur Anstrengungen bei den Gymnasien selbst, sondern bringt gleichzeitig die Herausforderung, dabei die Gemeinschaftsschulen weiterzuentwickeln. Zudem bleibt die Baustelle der beruflichen Schulen. Die neue Opposition dürfte die Bildungspolitik regelmäßig zum Gegenstand der Debatten im Parlament machen, hatte die CDU doch bereits in der gemeinsamen Regierung immer mal wieder ihre Kritik am SPD-geführten Bildungsressort zum Ausdruck gebracht.
Reinhold Jost: Inneres, Bauen und Sport
Er war einer der Aktivposten im bisherigen, obwohl – oder gerade weil – er gar nicht so oft in den Schlagzeilen war. Von früheren heftigen Konflikten aus dem Bereich des Umweltressorts ist heute nichts mehr zu hören.
Der 55-Jährige bleibt im Kabinett, wendet sich aber anderen Aufgaben zu. Als Umweltminister hatte er sich auch schon mal selbst im positiven Sinn als „Dorfminister" gesehen, als Innenminister ist er unter anderem für die Kommunen zuständig. Sein Leitmotiv „Heimat" wird er in anderen Schwerpunkten fortsetzen können, verantwortlich auch für Sicherheit, Rettungsdienste – und Sport. Trotz der großen Anstrengung des Saarlandpaktes bleibt die finanzielle Lage der Kommunen problematisch. Der Kampf für eine Entschuldung durch den Bund steht weiter auf der Agenda.
Eine richtig große Baustelle im Wortsinn ist das Bauministerium. Einerseits eine Mammutaufgabe nach den langen Jahren ohne nennenswerte Investitionen, andererseits ein erst in der letzten Legislatur geschaffenes Ministerium, das erst noch seine volle Schlagkraft entfalten muss.
Petra Berg: Umwelt, Klimaschutz, Mobilität, Agrar und Verbraucherschutz sowie Justiz
Sie ist ein weiteres neues Gesicht im Kabinett, aber alles andere als ein neues Gesicht in der Landespolitik. Dass sie das Justizressort übernehmen könnte, galt als vorstellbar. Das andere kam eher unerwartet.
Die 57-jährige Juristin übernimmt ein deutlich erweitertes Umweltministerium. Der Umweltbereich ist von Vorgänger Jost gut aufgestellt, der große Erfolg bei Fördergeldern hat einige Handlungsspielräume eröffnet. Neu ist der Verkehrsbereich, der vom Wirtschafts- ins Umweltministerium verlagert wurde, was alleine schon als Signal für die Ausrichtung gilt. Konkrete Pläne dazu gab es in den ersten Amtstagen noch nicht, aber dass das Thema „Nachhaltigkeit" die große Überschrift über das gesamte Ressort sein soll, versteht sich eigentlich von selbst. Sebastian Thul als Staatssekretär kann Kontinuität in der bisherigen Arbeit abbilden. Zugleich übernimmt Petra Berg das Justizministerium.
Magnus Jung: Arbeit, Soziales, Frauen und Gesundheit
Ebenfalls neu im Kabinett, aber ebenfalls alles andere als ein Unbekannter in der Landespolitik. Spätestens im Laufe der Pandemie hat er sich auch öffentlich einen Namen gemacht.
Dass der 50-Jährige den Gesundheitsbereich verantwortlich übernehmen würde, hatte sich nach der Wahl aufgrund seiner bisherigen Arbeit als Vorsitzender des Gesundheitsausschusses im Landtag und der damit verbundenen Expertise abgezeichnet. Eine der großen Dauerherausforderungen ist die Zukunft der Krankenhauslandschaft im Land. Die letzten Jahre waren durch viel Bewegung und Verunsicherung gekennzeichnet, der neue Minister muss sich um Verlässlichkeiten in einem schwierigen Umfeld bemühen. Gegen die jahrelange chronische Unterfinanzierung bei Investitionen hatte das Land unter anderem infolge der Pandemie ein beachtliches Programm aufgelegt, es bleibt die Frage der Umsetzung. Auch die ärztliche und medizinische Versorgung des ländlichen Raums bleibt Daueraufgabe.
Spannend sind der neue Zuschnitt des Ministeriums, zu dem jetzt auch der Bereich Arbeit (und zwar an erster Stelle) gehört sowie die Berufung von Gewerkschafterin Bettina Altesleben als Staatssekretärin. In der Agenda der Regierungspolitik wird das Ministerium somit neben der Wirtschaft die andere Säule bilden, um das erklärte Arbeitsplatzziel zu erreichen.
David Lindemann: Chef der Staatskanzlei und Bevollmächtigter für Europa
Beide Bereiche stehen üblicherweise eher selten im Fokus öffentlicher Aufmerksamkeit, sind aber für die Regierungsarbeit von eminenter Bedeutung. Mit dem 44-jährigen Lindemann übernimmt ein Vertrauter der Ministerpräsidentin diese Schlüsselposition in der Staatskanzlei. Dass die Aufgabe eines Europabevollmächtigten dort angesiedelt wird – bislang war sie beim Finanzministerium –, deutet bereits an, dass diesen Fragen andere Bedeutungen für die Zukunft beigemessen werden. In gewisser Weise liegt das auf derselben Linie wie bei der Berufung des Finanzministers. Direkte Drähte nach Berlin, vor allem aber auch nach Brüssel sind ein zentraler Schlüssel bei der Bewältigung und Gestaltung der Transformation.
Thorsten Bischoff: Bevollmächtigter beim Bund
Die Landesvertretung in Berlin ist so etwas wie die Botschaft des Saarlandes für die Bundespolitik und die Beziehungen zu den anderen Ländern.
Der 47-Jährige, der die Landesvertretung seit vier Jahren leitet, ist nun auch Bevollmächtigter des Saarlandes beim Bund. Nicht nur die Besetzung unterstreicht die zentrale Bedeutung, die die neue Regierung einer guten Vernetzung an den wichtigsten Stellen beimisst. Es ist auch das klare Signal, dass es mit Thorsten Bischoff wieder eine eigenständige Besetzung dieser Aufgaben gibt, die zuvor in Personalunion mitbetreut wurden. Bischoff war zuvor Sprecher von Heiko Maas im Justiz- und Verbraucherschutzministerium und gilt in Berlin als hervorragend vernetzt.