Der „Wendelinushof" in St. Wendel ist ein echter Vorzeigebetrieb. Nicht nur, dass hier 105 Menschen mit Handicap eine Anstellung finden. Hier ist ökologische Nachhaltigkeit nicht nur ein Schlagwort, sondern gelebter Alltag. Die Produkte werden im eigenen Hofladen verkauft und im hofeigenen Restaurant serviert.
Heute führt mich mein Weg nach St. Wendel zu einem wirklich vorbildlichen Betrieb! Auf dem „Wendelinushof" geht man sehr achtsam mit Lebensmitteln um. Vieles, was im eigenen Hofladen verkauft wird, wird auch auf dem Hof produziert. Ich werde bereits von Andrea Recktenwald erwartet, die mich über die weitläufige Anlage führt. Später begleitet mich Kimberly Thomé beim Essen im hofeigenen Restaurant.
Der „Wendelinushof" auf dem ehemaligen Paterhof des Ordens der Steyler Missionare in St. Wendel ist ein Inklusionsbetrieb, eine Werkstatt für behinderte Menschen. Der 100-jährigen traditionellen Nutzung des Wendelinushofs durch die Steyler Missionare als landwirtschaftlichem Betrieb und Ausbildungsstätte für junge Menschen folgend, hat der „Wendelinushof" das Ziel, 100 Arbeitsplätze für behinderte Menschen im „grünen Bereich" zu schaffen, erreicht. Zurzeit arbeiten hier 105 Menschen mit Handicaps unterschiedlicher Art. Verwirklicht werden hier gleich drei Ziele: Arbeitsplätze zur Verfügung stellen, eine regionale Wertschöpfung und ökologische Nachhaltigkeit in der Region. Und zwar in allen Bereichen: in der Landwirtschaft, im Gartenbau, der Marktaufbereitung, im Hofladen und dem hofeigenem Restaurant.
Andrea Recktenwald betont bei unserem Spaziergang, dass sie hier stolz auf die „kleinen Kreisläufe" sind. Erzeugung, Verarbeitung und Verbrauch sind auf dem „Wendelinushof" ganz eng miteinander verzahnt. Auf dem Hof wird auch geschlachtet, was beispielsweise Bauern aus der Region nutzen. Energie gewinnen sie mit einem hofeigenen Blockkraftwerk durch die Erzeugung von Biogas aus Biomasse. Das Ganze stammt aus Rinder- und Schweinegülle und dem Mist der eigenen Ställe. Strom wird mithilfe von Photovoltaikanlagen aus Sonnenlicht gewonnen, und durch die Vermietung von Dachflächen können auch Auswärtige Strom zum Eigenbedarf gewinnen.
Gär-Reste werden als natürlicher Dünger für Wiesen und Felder verwendet. Die Leitlinien des Landwirtschaftens sind Verantwortung für Menschen, Nachhaltigkeit und Erhaltung und Stärkung der regionalen Landwirtschaft, wie Recktenwald betont.
An der Hofkapelle vorbei gehen wir zuerst zu den Hühnern, den Kühen und den Schweinen. Ich merke gleich, dass sich nicht nur die Schweine auf dem Hof sauwohl fühlen. Dank der artgerechten Haltung sowie dem Verzicht auf Masthilfemittel und genetisch verändertem Futtermittel geht es den Tieren sichtlich gut. Sie haben Freilauf und Tageslicht, die Ställe sind großzügig angelegt. Dadurch haben sie genug Bewegungs- und Liegefläche. Alles ist mit jeder Menge Stroh ausgelegt. Die Tiere bekommen artgerechtes Futter wie Heu, Getreide aus eigenem Anbau, Gras, Mais und Mineralien.
Eigener Schlachthof
Wir sehen uns weiter um und kommen in die große Gärtnerei. Hier baut der Wendelinushof Obst, Gemüse, Kräuter, Blumen und Zierpflanzen an. Erdbeeren, Karotten, Äpfel und alles Weitere gibt es aber nur innerhalb der für die jeweiligen Sorten typischen Saison. Erdbeeren an Weihnachten wird hier niemand finden. Ich komme mit einem jungen Mann mit Handicap ins Gespräch, der bereits seit 20 Jahren hier arbeitet, wie er erzählt. Und dass das Arbeiten in der Gärtnerei sein absoluter Traumjob sei.
Anschließend führt uns unser Rundgang in den Hofladen. Um es vorwegzunehmen: Ich werde hier sehr bald nochmal vorbeischauen. Alles, was hier selbst produziert wird, geht auch im Hofladen über die Theke. Ergänzt wird das eigene Angebot von dem regionaler Erzeuger –in der Mehrzahl Betriebe mit Demeter- und Biolandsiegel, also höchsten Standards. Das geht los mit der Metzgerei, mit Gekochtem aus der Hofküche, etwa Bouillon, Rouladen und Frikassee. Aber natürlich auch Gemüse, Salate, Kräuter, Bio-Säfte, etwa Apfelsaft trüb, Weizenmehl von der Hasborner Mühle, Marmeladen, hausgemachter Eierlikör vom Wendelinushof, frische Eier und noch vieles mehr.
Schwer beladen schleppe ich meine ganzen Einkäufe in die Hofgastronomie. Das Mittagessen will ich mir natürlich nicht entgehen lassen. Erwartet werde ich von Kimberly Thomé, die das Hofrestaurant leitet. Schon bei meiner Ankunft ist mir aufgefallen, dass zahlreiche Gäste das Angebot zum Frühstück mit hofeigenen Produkten genutzt haben. Ich freue mich schon genauso auf hofeigene Produkte und regionale Spezialitäten, mit Liebe gekocht. Kimberly Thomé ist gelernte Restaurantfachfrau und Arbeitspädagogin für Menschen mit Handicap. Ihr gefällt diese Arbeit, denn das Restaurant arbeitet mit allen Bereichen des Hofes zusammen. Diese „grüne Arbeitswelt" ist ihr Ding, wie sie betont: „Wir haben hier den Schlachthof auf dem Hof. Es ist der einzige lizenzierte Geflügelschlachthof innerhalb von 200 Kilometern. Alles, was unsere Metzgerei verarbeitet, produzieren wir hier. Natürlich auch das Gemüse, Obst, Eier und die Kräuter. Das geht schon mit dem Frühstück los, bei 80 Sitzplätzen draußen und drinnen."
Zertifiziert ist das hofeigene Restaurant von „Servicequalität Deutschland", und dieses Jahr haben sie beim Wettbewerb „Genuss-Gastwirt Saarland" mit ihrer Küchenleistung den dritten Platz erreicht. Vor ein paar Monaten hatte ich mir das Bewerberfeld angesehen, und da waren nur wirklich gute saarländische Köche dabei. In diesem Feld den dritten Platz zu erringen, verlangt meine höchste Hochachtung ab.
Besonderes Bier im Ausschank
Die Küchenleitung auf dem „Wendelinushof" teilen sich Kiara Balling und Lukas Weidner. Balling hat ihre Ausbildung auf dem Wendelinushof gemacht und mit Prädikat abgeschlossen – als Beste ihres Jahrgangs im Saarland. In nächster Zeit beginnt für sie die Meisterschule. Uwe Fischer, für Lebensmittel und Gastronomie auf dem „Wendelinushof" verantwortlich, hat sie ausgebildet und ist entsprechend stolz auf seine Schülerin.
Bekocht hat uns an diesem Tag aber Lukas Weidner, denn Kiara Balling hatte frei. Lukas ist übrigens der Sohn von Andrea und Carlo Weidner. Es ist schon Jahrzehnte her, da sah ich ihn als ganz kleines Kind im Restaurant „Zwinger" in Ottweiler, das Familie Weidner damals betrieb. Inzwischen ist der Filius bald 30 Jahre alt und selbst ein sehr krea-tiver und engagierter junger Koch.
Bei einem Blick auf die Weinkarte beschleicht mich sofort die Ahnung, dass da wohl der Papa seine Finger drin hatte. Als ich den Namen Jens Bühler aus Kallstadt in der Pfalz sehe, denke ich mir sofort, dass Carlo Weidner Berater bei der Zusammenstellung der Karte gewesen sein muss. Er ist fraglos einer der kompetentesten Weinexperten weit und breit! So klein ist die Welt …
Bier gibt es neben Wein natürlich auch. Es stammt vom Mannebacher Brauhaus – ein tolles Bier, das meines Wissens nach sonst niemand im Saarland am Zapfhahn hat. Mannebach liegt zwischen Nittel an der Mosel und Konz an der Saar. Viele Biker kennen es, denn für eine kleine Ausfahrt ist es die richtige Adresse. Dafür verzichte ich heute zum Essen sogar auf meinen sonst fast schon obligatorischen Wein.
Apropos Essen. Es gibt Rote-Bete-Carpaccio mit Balsamico-Vinaigrette und Ziegen-Camembert, hausgemachten Rindfleischsalat vom Wendelinushof-Jungbullen mit Speckbratkartoffeln, Wendelinushof-Pfannenschnitzel mit Schweinefleisch aus eigener Schlachtung, dazu goldgelb gebratene Pomme frites und zur Abrundung hausgemachte Brüsseler Waffeln mit Eis und Sahne. Ich kann nur sagen, ich bin begeistert von Lukas Weidners Kochstil! Mit besten regionalen Produkten hat er einiges gezaubert, wie ich mir „Regionalküche" kaum besser vorstellen kann. Natürlich schmeckt man dabei auch die Qualität der Produkte: Jungbullenfleisch schmeckt nach Jungbullen, Kartoffeln schmecken besonders gut, eine Klasse besser als anderswo, das Gemüse ebenso. Und wer mir hausgemachte Brüsseler Waffeln mit Vanilleeis und Sahne zum Dessert macht, hat bei mir sowieso einen Stein im Brett!