Die Gegend rund um den Gardasee lädt geradezu zu ausgezeichneten Wanderungen ein. Unsere Autorin gibt Tipps für einfache Touren mit tollen Ein- und Ausblicken.
Die Biotope sind prächtig, Flora und Fauna sprießen. Per pedes den größten See Italiens zu erkunden ist eine feine Sache. Wir stellen einige Startpunkte an den jeweiligen Ufern vor.
Nordufer
Biotop mit kriegerischer Vergangenheit
Riva – Monte Brione – Riva (Rundwanderung)
6,5 Kilometer, 350 Höhenmeter, Dauer: circa 2,5 Stunden
Nähert man sich der Gardasee-Nordspitze auf dem Wasser, fällt dieser Berg schon aus der Ferne ins Auge – der Monte Brione. Wie eine schräg gestellte Felsplatte ragt er zwischen See und Hochgebirge auf. Aus geologischer Sicht ist der Hausberg des Städtchens Riva del Garda der jüngste Berg der Region Trentino und zugleich der niedrigste. Gerade mal 376 Meter über Meeresniveau erhebt er sich. Dank seiner exponierten Lage aber bietet sich auf seinem plateauartigen Gipfel eine fantastische Aussicht – auf Riva und den Nachbarort Nago-Torbole, auf die umliegenden Berge und weit über den nördlichen Gardasee. Durch die günstigen klimatischen Bedingungen hat sich eine besonders vielfältige Flora und Fauna entwickelt. Seit Anfang der 1990er-Jahre sind weite Teile des Monte Brione als Biotop geschützt. Gleich hinter Rivas kleinem Segelyachthafen Porto San Nicolò beginnt der Aufstieg. Forte Garda, ein Befestigungsbollwerk mit mächtigen Mauern, ist der Orientierungspunkt und spätestens hier wird klar, dass Monte Brione in der Vergangenheit kein Erholungsort, sondern Schauplatz kriegerischer Auseinandersetzungen gewesen ist.
Mit den Bastionen am Monte Brione wollte Österreich-Ungarn seine Südfront im Ersten Weltkrieg gegen Italien verteidigen. Der Krieg wurde für die Habsburger Monarchie zum Fiasko, 1919 musste Wien das Gebiet – die heute autonome Region Trentino – an Italien abtreten. Setzt man nach der Forte Garda seinen Weg fort, wird die Aussicht immer besser. Parallel zur Felskante geht es bei leichter Steigung zur Batteria di Mezzo, wo sich maximales Panorama bietet. Von hier sind es nur noch ein paar Fußminuten bis zum Gipfelkreuz. Der Weg zurück führt zunächst nordwärts, über Forte Sant’Alessandro durch Olivenhaine zur Villa Lutti und zurück zum Segelboothafen. Angesichts der vielen Cafés und Restaurants an der hier beginnenden Uferpromenade bleibt nur die Qual der Wahl, wo man sich zurücklehnen und die Tour entspannt ausklingen lassen will.
Infos: www.gardatrentino.it
Ostufer
Klösterliche Stille hoch über Garda
Garda – Rocca – Eremo di San Giorgio mit Kamaldulenser-Kloster (selbe Strecke zurück)
7 Kilometer, 340 Höhenmeter, circa drei Stunden (ohne Klosterbesuch)
Garda gehört zu den beliebtesten Orten am Gardasee. Uferpromenade und Altstadtgassen werden in der Hochsaison von Touristen regelrecht überflutet. Dem Trubel entkommt man aber leicht, wenn man den Rocca, Gardas knapp 300 Meter hohen Hausberg, besteigt. Ab Schiffsanlegestelle folgt man zunächst der Uferpromenade in südlicher Richtung. An der Piazzale Roma geht es landeinwärts und auf der Via San Bartolomeo Richtung Rocca Vecchia. Zunächst führt ein Treppenweg, dann eine Schotterpiste zwischen schattenspendenden Bäumen auf den Felsen. Die Festung, die Gotenkönig Theoderich im 5. Jahrhundert auf seinem Plateau errichten ließ, galt lange Zeit als unbezwingbar. Erst mehr als 1.000 Jahre später wurde sie von den Venezianern zerstört. Dass der Rocca ein Ort von großer strategischer Bedeutung war, lässt sich spätestens am Aussichtspunkt mit Blick auf Bardolino und Garda nachvollziehen. Weiter führt die Tour durch mediterranen Wald zum Eremo di San Giorgio. An der mittelalterlichen Einsiedelei gründeten die Kamaldulenser-Mönche im 17. Jahrhundert ein heute noch vom Orden betriebenes Kloster. Die Anlage kann Montag bis Freitag von 10.30 bis 12 Uhr und von 15.30 bis 17.30 Uhr, an Sonn- und Feiertagen ab 15.30 Uhr besichtigt werden. In der Kloster-Apotheke verkaufen die Mönche Olivenöl, Kräutertees, Marmeladen und Honig aus eigener Produktion. Eine herzhafte Stärkung bringt man dagegen besser schon im Rucksack mit und lässt sich auf dem Aussichtsberg zum Picknick nieder.
Infos: www.eremosangiorgio.it/lang/de
Westufer
Wildromantisches Papiermühlental
Toscolano Maderno – Gaino – Toscolano Maderno (Rundwanderung)
4,5 Kilometer, 180 Höhenmeter, circa zwei Stunden (ohne Museumsbesuch)
Ein Tal mit Wildbach, eine Schlucht, üppige Vegetation, überwucherte Industriedenkmäler und ein Olivenhain – die Wanderung durch und um die Valle delle Cartiere, das Tal der Papiermühlen, bietet Einblicke in einen jahrhundertealten Wirtschaftssektor der Region, aber auch Panoramablicke auf den Gardasee. Die Tour beginnt am Ortsrand Toscolano Maderno. Gleich hinter dem Parkplatz Valle delle Cartiere tauchen Wandernde ein in eine andere Welt. Es wird schattig, kühl und feucht. An einer von Flusswasser berieselten Felsenwand gedeihen Farne und sogar fleischfressende Pflanzen. Schon Jahrhunderte bevor die Asphaltstraße in die Schlucht gebaut wurde, liefen im Tal des Toscolano-Baches Papiermühlen auf Hochtouren. Papier vom Gardasee war ein gefragtes Exportgut. Auch Martin Luther hat seine Bibelübersetzung auf Papier aus Toscolano drucken lassen. Vom Parkplatz sind es nur ein paar Hundert Meter bis zu der Papiermühle, die 1962 die Produktion eingestellt hat – als letzte im Tal. Heute lädt sie als Museo della Carta in ihr Inneres, wo die Papierherstellung vom Mittelalter bis in die Moderne beleuchtet wird. Kurz hinter dem Museum geht die Tour weiter auf steinigem, ansteigendem Pfad Richtung Gaino. Weideland und Olivenhaine – herrliche Plätze zum Verweilen. Vereinzelt gibt die Natur hier den Blick auf den Gardasee frei. Ein Blickfang ist aber auch die von Zypressen gesäumte Kirche von Gaino. Hat man die Kirche passiert, geht es bergab Richtung Valle delle Cartiere.
Beim Blick von oben erscheint das Tal als grüne, von Zypressen durchwirkte Wildnis. Schon von Weitem hört man den Toscolano rauschen. Der Weg zur Brücke von Vago führt vorbei an verlassenen Papiermühlen, von denen das wuchernde Grün längst Besitz ergriffen hat. Nach der Brücke hält man sich links und erreicht die Maina Superiore, früher die größte Ortschaft im Papiermühlental mit der Villa, in der einst die Maffizzoli residierten, die erfolgreichste Papierproduzenten-Familie der Gegend. Noch einmal geht es auf einer Brücke über den Bach. Kurz darauf erreicht man wieder das Papiermuseum und den Ausgangspunkt der Tour.
Einkehr: „Bar al Museo“ im Museo della Carta
Infos: www.gardasee.de/toscolano-maderno/papiermuehlental
Westufer (Hinterland)
Auf Maultierpfaden durchs Valvestino
Cima Rest – Cadria – Malga Corva – Cima Rest (Rundwanderung)
Strecke: 6,5 Kilometer, 200 Höhenmeter, circa 1,5 Stunden
Ein Kontrastprogramm zum touristischen Trubel am See bietet das Valvestino, ein Tal, das sich im Hinterland des lombardischen Westufers erstreckt. Ab Gargnano führt eine enge, kurvenreiche Straße zum Lago di Valvestino, einem grünblauen Stausee in fjordähnlicher Landschaft, gespeist vom Wasser des Toscolano-Bachs. In etwa einer halben Autostunde ab Gargnano ist dieses Etappenziel erreicht. Der Straße einige Minuten weiter folgend gelangt man nach Molino di Bollone – früher eine Mühle, heute zwei Häuser, Bar und ein Infopoint, wo sich Interessierte mit Wanderkarten versorgen können. Bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts hinein führten lediglich Maultierpfade in diese abgelegene Gegend. Die moderne Zeit brachte Asphaltstraßen, aber auch einen dramatischen Bevölkerungsschwund.
Heute leben in jeder der sieben Siedlungen des Valvestino nur noch ein paar Dutzend Menschen – ältere zumeist. Als Geheimtipp und Ausgangspunkt für idyllische Wanderungen auf den historischen Trampelpfaden empfiehlt sich Cima Rest – eine Ansammlung von wenigen Häusern inmitten von Wiesen und Weiden. Die „fienili“, vor Jahrzehnten aufgegebene Heuschober mit tief heruntergezogenen Schilfdächern, sind heute wieder gut in Schuss. Eines fungiert als kleines Bauernmuseum. Aus den anderen wurden rustikale Ferienquartiere gemacht. Wer wandern möchte, lässt das Auto in Cima Rest stehen. Von dort geht es auf fast flachem Terrain durch einen prächtigen Buchenwald nach Cadria. So abgelegen die kleine Siedlung mit dem heute noch plätschernden Dorfbrunnen auch liegt, war sie doch über Jahrhunderte stets im Visier der adeligen Grundbesitzer – wegen des enormen Holzreichtums ihrer Umgebung. Weiter geht es von Cadria zur Alm Malga Corva – leicht bergan, rund 200 Höhenmeter sind innerhalb einer halben Stunde zu überwinden. Auf der Alm bietet sich auch die Gelegenheit zu rustikaler Einkehr. Im Rifugio von Malga Corva, einer urgemütlichen Schutzhütte, kommen Almkäse und deftige Wurstwaren auf den Tisch, Waldpilzrisotto und andere Schmankerl der lokalen Küche. Zuletzt führt der Weg nochmals leicht bergan. Nach etwa 20 Minuten erreicht man die von würdevollen, riesigen Buchen gekrönte Hügelkuppe und gleich darauf findet man sich vor den Heuschuppen von Cima Rest wieder. Von dort aus lässt sich die kleine Wanderung auf verschiedenen Routen Richtung Trentino-Südtirol erweitern.