Bodenständig und aus maximal drei Hauptkomponenten sind die Gerichte im „Balaustine" gebaut. Zur Aromenvielfalt der Levante gibt’s im neuen Restaurant des „Radisson Collection Hotels" noch Spree-Terrasse und Domblick obenauf.
Es ist wie im Klischee: Golden scheint die Abendsonne ins weitläufige Restaurant. Bringt die Drinks auf den Tischen und den orangefarbenen Marmor im Raum zum Leuchten und macht die Gäste, die es sich auf Sesseln und Bänken gemütlich gemacht haben, einfach nur schöner. An der Längsseite währenddessen: geschäftiges Zubereiten der Speisen im Tandoor-Ofen, an den Grills und kleinteiliges Anrichten auf ganzer Länge. Wir sehen den Köchen im neuen „Balaustine" beim Arbeiten zu. Hören das leise Klappern von Löffeln an Gläsern, wenn an der Res- taurant-Bar die Drinks gemixt werden.
Eigenständiges Restaurant
Der Berliner Dom auf der gegenüberliegenden Seite der Spree denkt sich seinen Teil über die am Ufer entlang flanierenden Besucher, die unterhalb der Restaurant-Terrasse womöglich aus dem DDR-Museum kommen oder oberhalb ins „Radisson Collection Hotel" einkehren. Noch ist es ein kühler Abend, sodass wir uns lieber innen niederlassen. Wir starten mit einem Kardamom-Koriander-Smash im Glas – passend zur levantinischen Ausrichtung der Küche von Head of Culinary Mitz Vora. Cheers!
Die kulinarische Freundin und ich stoßen an und freuen uns auf unser „All-In"-Menü, das wir einmal mit allem von „Feld, Land & Meer" von der Karte sowie einmal in der Veggie-Version probieren werden. Es wird zusammen mit dem Fotografen schließlich ein großes Family-Style-Essen: Teller, Schüsseln und Platten auf dem Tisch, so wie es sich im Orient gehört. Alles wird miteinander geteilt.
Nach unserer Bestellung ist Zeit, mehr über unser Kaltgetränk, das neben „Gin XIX" noch Zitronensaft und Zucker mit sich führt, zu erfahren: „Das ist eine Variante vom Gin Basil Smash", sagt Sven Armbruster, Chef de Rang im „Balaustine". „Er wird ganz scharf geshaked und zwei Mal gesiebt, damit der Farbton schön herauskommt." Barchef Christoph Wuscher von der Atrium Bar in der Hotel-Lobby entwickelte den zartgrün opaken Drink für das „Balaustine". Der Kräuter-Smash ist das perfekte Intro in einen weitläufig orientalisch-mediterranen Abend.
Wer ins „Balaustine" geht, muss es nicht zwingend vom Hotel aus betreten. Auf der Terrassenseite gibt es einen separaten Eingang. „Wir wollen ein eigenständiges Restaurant sein, das auch für die Berliner da ist." Deshalb soll die Küche vom international geländegängigen Stil mit Wiener Schnitzel und Caesar’s Salad unabhängig sein. Mitz Vora, zuvor in London und dort zuletzt im „Restaurant Palomar" tätig, hatte das passende „Israel und seine Anrainer-Länder"-Konzept in der Tasche, mit dem er die Radisson-Chefs und das Team vor Ort überzeugte. Das Hotel unterzog sich in der Corona-Zeit einem gründlichen Update und wurde das erste „Radisson Collection Hotel" in Deutschland. Mezze sind längst hierzulande auf Tellern und Tischen populär. Aber „Nish Nush"? Nie gehört. Es klingt ungemein niedlich und umfasst im „Balaustine" so ziemlich alles rund um Brote und Dips noch vor den Vorspeisen. Auf unserem Teller vereinen sich handgemachte Pita und Challah Bread. „Stuten auf Israelisch", sage ich. Leider ist an diesem Abend der sesambeworfene Jerusalem Bagel, den ich von einem vorigen Besuch als bemerkenswert gut in Erinnerung habe, schon aus. „Der Jerusalem Bagel ist hausgemacht", sagt Sous Chef Julian Widlitzki. Ihn zu produzieren dauert zwei Tage. „Da steht dann einer und backt den ganzen Tag lang Bagel." Die anderen Brote kommen von qualifizierten Bäckern. Sie werden mit geschlagenem Tahini und einem samtigen Tomaten-Dip serviert. Die Sesamcreme hatte ich ebenfalls in bester Erinnerung. Doch da war das Tahini noch cremiger, nicht schaumig, oder? „Ja, wir machen jetzt Whipped Tahini. Wir wollten davon weg, zwei Dips mit der gleichen, flüssigen Konsistenz zu servieren."
Das Baba Ghanoush mit Muhammara – einer Walnuss-Paprika-Creme – und Minze ist ein klarer Fall für die Freundin mit Vorliebe für rauchige Auberginen. Ich bin vom Hummus mit „Levante-Chimichurri", Dukkah-Gewürz und Granatapfelkernen angetan. Die roten Kerne sind die Frucht gewordenen Maskottchen des Restaurants, ist doch „Balaustine" der Name der Granatapfelblüte.
Veggies kommen auf ihre Kosten
In der zweiten Runde erwarten uns bei den Mezze weitere neue Kombinationen und Kreationen. Ich erkläre mich zum Fan der Rote-Bete-Falafel auf Ambaneh. Amba… was? Ambaneh ist ein joghurtbasierter Dip, der mit fermentierter grüner Flugmango verfeinert wird, erklärt Julian Widlitzki. So erhält er seine prägnant saure Note, die die süß-nussigen Falafel perfekt kontert. Chili-Kringel, Radieschen und Sumach setzen weitere pikante, abwechslungsreiche Akzente. Es ist nicht zu übersehen, dass das siebenköpfige Küchenteam sich immer wieder neue Gedanken über Verfeinerungen und Verbesserungen macht. „Bloß nicht beliebig sein!" – so könnte das inoffizielle Motto des „Balaustine" lauten. „Wir sind ein Fünf-Sterne-Hotel und dem müssen wir auch im Restaurant entsprechen", sagt Widlitzki. Andererseits soll das Essen nicht überfordern. „Jedes Gericht besteht aus nicht mehr als drei Hauptkomponenten."
Es wird so lange an jedem Gericht geschliffen und gefeilt, bis ein neuer, ungewohnter Dreh herauskommt. Das Rinderkebab aus dem Tandoor-Ofen bekam beispielsweise anstelle von Labneh-Joghurt ein Hummus zur Seite gestellt. „Es soll ja nicht wie an der Dönerbude sein." Ist es auch nicht. Auch das krosse Jerusalem-Hähnchen lässt ordinäre Chicken Nuggets weit hinter sich. Es ist in knuspriger Panade ausgebacken, saftig und tut sich mit einem Harissa-Joghurt mit Sesam zusammen. Ein Wohlfühl-Klassiker, der Reisende nach einem langen Tag abends auf einen unkomplizierten, richtig guten Snack abholt.
Der Teller mit eingelegter Rote Bete dürfte das Zeug zum Levante-Klassiker im „Balaustine" haben. Auf einer Labneh-Zunge liegen die süßlichen, gerösteten Würfel. Sie sind mit Haselnuss-Dukkah, Dill und Zhug getoppt, einem Chimichurri nahöstlicher Spielart mit roten Zwiebeln und Sesam. Sind die Hauptkomponenten begrenzt, kommen Kräuter, Gewürze und Scharfmacher umso besser zur Geltung – die vielfältigen Aromaschnörkel des Orients. Eine mit Granatapfelsirup überzogene und mit Freekeh, Kräutern, Feta und Granatapfelkernen beworfene Auberginenhälfte ist so ein verspieltes wie bodenständiges Gebilde. Sie wurde auf Holzkohle gegart und mit Ras el-Hanout gewürzt. Von Joghurt mit Tahini und Sumach begleitet, liegt sie für mich bei den Hauptgerichten ganz weit vorn.
Hier geht niemand hungrig raus
Die Veggies kommen im „Balaustine" auf ihre Kosten: Beispielsweise beim frittierten Blumenkohl mit Labneh, Zhug, frischen Kräutern und Zatar. Er wird besonders durch frittierte Kichererbsen, die für Knack und Biss sorgen. Dazu gibt’s den als Brot-Gefährten bekannten Tomaten-Dip. Beim vorigen Besuch surfte auch ein im Ganzen frittierter Wolfsbarsch auf einer tomatig-angeschärften Chraimeh-Soße heran. Zwar ist das Selbst-Aufteilen und Vorlegen gewöhnungsbedürftig, doch der Fisch fällt easy von der Gräte und wirft sich stückchenweise erst unters Messer und dann auf die Gabel. In jedem Fall lohnt es sich zum Hereinschmecken eines der beiden Menüs zu wählen. Das „All In" mit Fleisch und Fisch ist im „Balaustine" für 50 Euro, das Vegetarische mit „Feld & Land" für 40 Euro pro Person zu haben – ein aufeinander abgestimmter, vierstufiger Querschnitt der Levante-Küche, der die Neugier bedient, aber nicht überfrachtet.
Die Levante, wie das „Balaustine" sie interpretiert, wartet auch bei den Desserts mit unerwarteten Wendungen auf. Eine „Malabi Mess" wurde veganisiert, und erzeugt trotz Anwesenheit von Halva, Rosenwasser und Pistazien, ein köstliches und gar nicht mal besonders süßes, cremiges Pudding-Durcheinander. Ein Feta-Käsekuchen mit Dattelmelasse wiederum präsentiert sich als Mini-Stadtlandschaft in Trulli-Häuschen-Form. Schöne Grüße aus Süditalien! Die frischen Feigen-Schnitze und Kataifi-Knusperhaare machen klar, dass Apulien offenbar gar nicht so weit vom östlichen Rand des Mittelmeeres entfernt liegt. Die Gefahr, dass ein Gast ohne satt geworden zu sein das „Balaustine" verlassen müsste, ist sehr gering: Ein mit Pistazien und Nougateis gefülltes, üppiges Baklava-Croissant schafft Abhilfe. Guter Trick von der Bar! Denn nach so einer genüsslichen Völlerei muss es mindestens ein Mokka und darf es gern auch noch ein Digestif zum Ausklang des Abends sein.