Bei Infrarot-Teleskopie denkt man inzwischen an Weltraumteleskope wie Spitzer, Herschel und nun James Webb. Doch auch Sofia ließ viele Jahre tief ins All blicken, im September endet die Mission.
Astronomen nutzen auf der Erde möglichst hoch gelegene Teleskope auf Vulkanen auf Hawaii oder in der Atacama-Wüste, um mit geringen Störungen ins All blicken zu können – auf Meereshöhe ist die Luft hierfür viel zu verwirbelt. Im Infrarot-Bereich hilft aber selbst dies nur sehr begrenzt: Der größte Teil der Infrarotstrahlung bleibt selbst bei klarem Himmel in den unteren Luftschichten im Wasserdampf stecken.
Das deutsch-amerikanische Infrarot-Observatorium Sofia (Stratospheric Observatory for Infrared Astronomy) sollte dies ändern: Eine umgebaute Boeing 747SP, die bis in die Stratosphäre fliegt – mit zwölf bis 14 Kilometern noch etwas höher als die normale Reiseflughöhe – und so 99 Prozent des störenden Wasserdampfs weit unter sich lässt, beherbergt nicht nur ein riesiges Infrarot-Teleskop, sondern auch die es bedienenden Wissenschaftler.
Kooperation von DLR und Nasa
Das Flugzeug wurde bereits 1977 gebaut und war zunächst bis 1995 im regulären Passagierbetrieb im Einsatz. Es ist eine verkürzte Version des „Jumbo-Jets" 747, das damit deutlich höher und auch länger fliegen kann als die Standardausführung. Die Pläne kamen allerdings gut ein Jahrzehnt nicht voran, der „Jungfernflug" war bereits für 2001 geplant, fand dann aber doch erst 2011 statt. Die Nasa wollte aus der 1996 mit dem DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) geschlossenen Kooperation wieder aussteigen, als die damalige US-Regierung nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 die Mittel für wissenschaftliche Forschung stark kürzte.
Die Idee, von einem Flugzeug aus Infrarot-Beobachtungen zu machen, wurde bereits 1969 zum ersten Mal Realität: Ein umgerüsteter Learjet war zwar wesentlich sparsamer als ein Jumbo-Jet, konnte aber auch nur einem 30-Zentimeter-Teleskop und maximal zwei Astronomen Platz bieten. Sein Nachfolger, das Kuiper Airborne Observatory (KAO), konnte schon ein 91,5-Zentimeter-Reflektor-Infrarot-Teleskop in einem modifizierten Truppentransporter Lockheed L200 Starlifter unterbringen und war von 1974 bis 1994 mit jährlich 60 bis 80 Missionen unterwegs, bei denen unter anderem die Uranus-Ringe entdeckt wurden.
Sofia hat nun ein Teleskop mit 2,7 Metern Durchmesser des Hauptspiegels und 17 Tonnen Masse. Es ist also noch größer als das im Hubble-Teleskop. Dafür bekam das Flugzeug aber einen vom Hersteller so nie geplanten, sechs Meter großen Durchbruch verpasst: Das Teleskop sitzt auf Beobachtungshöhe dann im Freien bei minus 60 Grad Celsius und einem Fünftel des Luftdrucks am Boden. Technik, Besatzung – drei Personen im Cockpit und bis zu 15 Wissenschaftler – müssen dagegen zuverlässig auf Normaldruck und -temperatur gehalten werden. Sofia kann bis zu acht Stunden am Stück fliegen, mit 160 Flügen im Jahr, und hat gegenüber KAO eine dreimal bessere Winkelauflösung, zehnmal höhere Empfindlichkeit und ein weiteres Aufnahmespektrum.
Reparaturen jederzeit möglich
Infrarotstrahlung ist aus mehreren Gründen besonders interessant für die astronomische Beobachtung: Viele Himmelskörper emittieren lediglich im infraroten Bereich, und die Strahlung durchdringt dunkle Gas- und interstellare Staubwolken. So werden junge Sterne und Planetensysteme, ferne Galaxien und Staubnebel oder das Zentrum unserer Milchstraße mit seinem Schwarzen Loch für uns auf der Erde „sichtbar". Die Strahlung ist oft tausendmal stärker als im sichtbaren Bereich und das Infrarot-Spektrum von 750 Newtonmeter bis 1.600 Mikrometer viel breiter als das des sichtbaren Lichts. Gleichzeitig ist die optische Auflösung mit der im sichtbaren Bereich vergleichbar, während sie in der Radioastronomie abnimmt und durch größere Spiegel oder Zusammenschaltung mehrerer Teleskope ausgeglichen werden muss.
Sofias Vorteil gegenüber einem Weltraumteleskop: Während für einen Satelliten schon viele Jahre vor dem Starttermin die Technik gebaut und getestet werden muss und dann nicht mehr oder nur sehr schwierig erweitert oder repariert werden kann, lässt sich beim Flugzeug jeder Baustein kurzfristig austauschen. Zudem kann Sofia auf jedem größeren Flughafen starten und landen und deshalb auch zur Beobachtung von kurz andauernden Ereignissen wie etwa Sonnen- und Mondfinsternissen weltweit vor Ort genutzt werden. Und es arbeitet auch im mittleren Infrarotbereich von fünf bis 40 Mikrometer, der zuvor weder vom Boden noch aus dem All berücksichtigt worden war.
Hubble, an das man heute meistens denkt beim Thema „Blick in die Vergangenheit mit sensationellen Bildern", ist übrigens kein Infrarot-Teleskop und somit keine echte Konkurrenz zu Sofia: Seine Kameras decken den Bereich von 150 bis 2500 Newtonmeter ab, also Ultraviolett, sichtbares Licht und nahes Infrarot, wobei gerade die Kameras für Infrarot-Aufnahmen teils früh ausfielen. Die Infrarot-Weltraumteleskope Spitzer und Herschel waren ebenfalls zum Zeitpunkt bereits ausgefallen, als Sofia endlich in Betrieb ging. Erst das Weltraumteleskop James Webb, das kurz vor der vollen Einsatzbereitschaft steht, kann Sofia also wirklich ersetzen.
Viele Erfolge in acht Jahren
Die Sofia-Instrumente Fifils (Far-Infrared Field-Imaging Line Spectrometer) und Great (German Receiver for Astronomy at Terahertz
Frequencies) wurden von deutschen Wissenschaftlern konzipiert und mit Mitteln der Max-Planck-Gesellschaft und der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert. Sie kümmern sich ums ferne Infrarot, den Terahertzbereich von 42 bis 240 Mikrometer Wellenlänge beziehungsweise 1,25 bis 7,15 Terahertz. Ab 2016 war eine verbesserte Version von Great namens upGreat verfügbar.
Geplant war Sofias Einsatz für eine Dauer von 20 Jahren. Es gab viele Erfolge, wie den Nachweis von Wasser auf dem Mond oder natürliche Vorkommen jenes Moleküls, das als erstes nach dem Urknall entstanden ist, dem Heliumhydrid-Ion HeH+. Das Molekül strahlt am stärksten in einer Spektrallinie bei einer charakteristischen Wellenlänge von 149 Mikrometer, entsprechend einer Frequenz von 2,01 Terahertz, und konnte in Richtung der Hülle des Planetarischen Nebels NGC 7027 nachgewiesen werden.
Doch der verzögerte Start der Mission Sofia macht die Nutzung mittlerweile gänzlich unrentabel. Das „Bild" vom Schwarzen Loch im Zentrum der Milchstraße wurde nun von Radioteleskopen auf der Erde gemacht und für vieles andere sind inzwischen hervorragende Weltraumteleskope verfügbar, die gestochen scharfe Bilder liefern. Einen 45 Jahre alten und damit durchaus treibstoffhungrigen Jumbo-Jet weiter für immer höhere Kosten fliegen zu lassen, lohnt sich daher nicht mehr. Deshalb endet Sofias Nutzung nun spätestens Ende September, nach etwa 800 Flügen und nach acht statt erst nach 20 Jahren. In diesen acht Jahren stand es aber immerhin der Wissenschaft zur Verfügung. Zuletzt wurden von Köln/Bonn aus im Februar 2021 über Europa insgesamt 15 Flüge gestartet, die ersten Flüge über Europa fanden bereits im Herbst 2019 statt.