Das Saarland setzt im Strukturwandel auf Wasserstoff als Schlüsseltechnologie. Das Ziel: Knotenpunkt in einem europäischen Netz werden. Neben der Politik sind innovative Unternehmen Rückgrat und Treiber dieser Ambitionen.
Wasserstoff hat viele Vorteile, besonders, wenn er aus erneuerbaren Energien produziert wurde: Er lässt sich lagern, in Lkw oder durch Leitungen transportieren, verliert anders als eine Batterie keine Energie und kann sich für viele Anwendungen CO2-neutral einsetzen lassen, vom Autoantrieb bis zur Stahlschmelze. Viel Potenzial also, grade um ihn in industriell geprägten Regionen wie dem Saarland einzusetzen und einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.
Dafür müssen jedoch die Umstände stimmen: Für H2-Fahrzeuge wie Busse und Lkw braucht es entsprechende Tankstellen. In der Industrie muss die Produktion umgestellt werden, wenn man Wasserstoff als Energiequelle verwenden möchte. Und H2-Erzeuger brauchen die Zusage von Abnehmern, dass sie auf ihrem Gas nicht sitzenbleiben. Damit dieser Transformationsprozess gelingen kann, hat das Saarland im September des vergangenen Jahres eine ambitionierte Wasserstoffstrategie veröffentlicht. Bis Anfang der 30er-Jahre soll sich das Bundessland „als Zentrum des europäischen Wasserstoffnetzes etablieren", wie es in dem Papier „Saarland 2030 – auf dem Weg zum Wasserstoffland" heißt. Dafür wurde eine Roadmap mit drei Etappen gezeichnet, kurzfristige Ziele, die bis Ende 2024 erreicht werden sollen, mittelfristige Ziele, bis 2026, und die schon angesprochenen langfristigen Ziele bis 2030.
Schon im ersten Schritt möchte die Landesregierung dabei über die Grenzen des Saarlandes hinaus, in der sogenannten Großregion, zu der Teile Deutschlands, Frankreichs, Belgiens und ganz Luxemburg gehören, Kooperationen anstoßen. So sollen von Anfang an die Weichen, beispielsweise für eine flächendeckende, gemeinsame Tankinfrastruktur gestellt werden. Laut dem Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitales und Energie befindet man sich dabei auf einem guten Kurs, auch wenn länderübergreifende Maßnahmen selbstverständlich ihre Nachteile haben. „Projekte in der Großregion brauchen immer etwas mehr Zeit als regionale Projekte – das liegt verständlicherweise an dem höheren Koordinierungsbedarf über die Ländergrenzen hinaus. Nach vorbereitenden, kleineren Workshops veranstaltet das Saarland zusammen mit Luxemburg am 29. Juni den ersten Wasserstoff-Kongress der Großregion", so das Ministerium auf Anfrage. „Die Eingebundenheit in die globale Versorgung mit H2 und die Nutzung der entstehenden H2-Leitungsinfrastruktur werden wichtige Schwerpunkte der Diskussion sein."
Koordination vieler Akteure und Ansätze
Im Saarland selbst stehen dabei viele Maßnahmen in den Startlöchern: Neben der schon bestehenden Wasserstoff-Tankstelle in Saarbrücken sind bereits Förderanträge für eine Tankstelle in Homburg und eine weitere für den ÖPNV-Betreiber Saarbahn GmbH gestellt worden. Letzterer möchte bis 2024 mehr als 20 H2-Busse im Einsatz haben. Darüber hinaus planen verschiedene Unternehmen selbst Wasserstoff für sich oder andere Abnehmer herzustellen. So plant die Firma Bosch zum Beispiel, einen kleinen Elektrolyseur zu bauen, um damit werkseigene Fahrzeuge anzutreiben. Ein Projekt in einer anderen Größenordnung ist dabei der „Hydrohub Fenne" der Firma Steag, der ab der Inbetriebnahme 2026 pro Stunde bis zu einer Tonne „grünen" Wasserstoff aus Wasser erzeugen soll. Das entspricht einer Leistung von 53 MW. Derzeit befindet sich das Unternehmen nach eigenen Aussagen „in guten Gesprächen mit potenziellen Kunden", um sowohl den Wasserstoff als auch das Nebenprodukt Sauerstoff weiter verkaufen zu können. So wurde erst im Mai bekannt, dass eine gewisse Menge Sauerstoff von der Firma Nippon Gases Deutschland GmbH abgenommen wird. „Die nun mit Nippon Gases erzielte Übereinkunft ist ein relevanter Erfolg für die Rentabilität des Gesamtprojekts", sagte dazu Karl Resch, der bei Steag die Themen „Sales und Origination" verantwortet.
Auch eine andere Firma, die bei dieser Wasserstoffproduktion mitmischen möchte, steht bereits fest: Die Pyrum Innovations AG, die in Dillingen aus alten Reifen in einem sich selbst erhaltenden Prozess wichtige Ausgangsstoffe für die Industrie, wie Ruß oder Gas, produziert. Mit dem aus ihrer sogenannten Pyrolyse-Technologie gewonnen Gas ließe sich laut dem Unternehmen auch Wasserstoff herstellen. Im März vergangenen Jahres wurde Pyrum so Partner am „Zukunftscampus Wasserstoff" des Landkreises Saarlouis, um zukünftig unter anderem die Kreisverkehrsbetriebe Saarlouis GmbH mit Wasserstoff zu versorgen. Pascal Klein, CEO des Unternehmens, war damals optimistisch: „Wir sind zuversichtlich, dass wir die Tests noch in diesem Jahr abschließen und spätestens 2022 die Produktion des Wasserstoffs starten können." Doch nun sieht alles danach aus, dass es voraussichtlich bis ins übernächste Jahr keine Produktion von H2 geben wird. „Ein Hindernis ist aktuell, dass die Verkehrsbetriebe Saarlouis noch keine mit Wasserstoff betriebenen Busse besitzen und laut unserer Kenntnis auch voraussichtlich frühestens 2026 ihren ersten Wasserstoffbus bekommen", so Klein heute. Allerdings gibt es auch bei Pyrum positive Nachrichten: Ab 2024 plant die Aluminiumgießerei Nemak den Wasserstoff aus den ausgedienten Reifen im Werk in Dillingen einzusetzen.
Es zeigt sich also, wie wichtig ein koordiniertes Umstellen der Produktion, der Lagerung sowie des Verbrauchs von Wasserstoff ist, um nicht an der einen oder anderen Stelle Fehler aufkommen zu lassen, die die ambitionierte Zielsetzung gefährden könnten. Zusätzlich wird dafür in den kommenden Jahren viel Geld benötigt. Ein relevanter Geldtopf ist dabei zum Beispiel die sogenannte IPCEI-Förderung. IPCEI steht übersetzt für wichtige Projekte von europäischem Interesse und umfasst Förderprojekte der Europäischen Kommission, wie beispielsweise Batteriezellen, Mikroelektronik und seit dem Jahr 2021 auch Wasserstoff. Darüber sind derzeit Fördermittel im Gesamtumfang zwischen 200 und 300 Millionen Euro aus dem Saarland beantragt, durch die sich, neben Projekten wie dem Hydrohub Fenne, auch ein deutsch-französisches Pipeline-System für Wasserstoff realisieren lassen soll.
Die Pläne der saarländischen Landesregierung sind groß, nicht auszuschließen, dass es in den nächsten Jahren doch noch an der einen oder anderen Stelle zu Problemen kommen wird. Allerdings muss bei einer so dramatischen Veränderung auch groß angesetzt werden, um zunehmend mehr Verbraucher von den Vorteilen von „grünem" Wasserstoff zu überzeugen. Selbst wenn es nachher nicht reicht „Zentrum des europäischen Wasserstoffnetzes" zu werden, ist der nun in Bewegung kommende Wandel ein großer Beitrag zur Klimaneutralität in einem Land, das bisher sehr stark von einer Industrie abhängig war, die nicht ohne fossile Energieträger auskommen konnte.