Im Süden des afrikanischen Staates Togo findet regelmäßig Aufklärungsarbeit der besonderen Art statt: Eine Frauen-Combo macht mit Pop- und Folklore-Musik Dorfbewohner auf die Gefahren tropischer Krankheiten aufmerksam.
Es ist heiß und staubig im kleinen Dorf Yobo-Sedzro im Süden Togos. Heute sind die Dorfbewohner wieder einmal zusammengekommen: Frauen, Kinder und Männer sitzen unter drei schattigen Mangobäumen in der Dorfmitte. Sie erwarten das Ereignis der Woche. In der Ferne hupt ein Auto. Endlich! Die Folkloregruppe „Club der Mütter" wird mit viel Beifall begrüßt. Fröhlich singend sitzen rund ein Dutzend Frauen auf der Ladefläche des Pick-ups, dem eigenen „Tour-Bus", mit Trommeln und Musikinstrumenten bepackt.
„Damit erreichen wir alle Gruppen"
Die Menschen auf dem Dorfplatz jubeln und klatschen. Einige tragen zum Schutz vor einer Covid-Ansteckung Masken, andere nicht. Heute geht es um ein dringendes Thema: Vernachlässigte tropische Krankheiten, dazu Informationen, die mindestens ebenso wichtig sind wie die zu Covid-19. Während die Frauen von der Ladefläche des Autos herabsteigen, helfen ein paar Männer, die Trommeln und Instrumente zu tragen.
Affoh Essoazina hat alles im Blick. Der 43-Jährige organisiert regelmäßig in den verschiedenen Dörfern Aufklärungsveranstaltungen. Wie erkennt man Buruli Ulcer? Oder Lepra? Oder Yaws? Oder Chagas? Essoazina sitzt im Baumschatten an einem Tisch und sortiert Poster und Flyer. Bilder der Krankheiten drückt er den Schulkindern in die Hand: „Damit sie wissen, mit was sie es zu tun haben."
Dann setzen sich alle auf ihre Plätze und warten. Der Auftritt der beliebten Frauentruppe „Club der Mütter" steht unmittelbar bevor. „Mit Folklore geht vieles besser, damit erreichen wir alle Bevölkerungsgruppen", freut sich Essoazina. Der gelernte Krankenpfleger ist vom Gesundheitsministerium beauftragt, regelmäßig Veranstaltungen zum Schutz vor Krankheiten durchzuführen. In sieben Dörfern finden zweimal pro Monat Versammlungen statt. „Der Job ist meine Leidenschaft", sagt er. 28 Jahre arbeitet er schon im Gesundheitsbereich. Armut und Krankheiten hat er am eigenen Leib gespürt. „So entstand mein Wunsch, helfen zu wollen, wo sonst niemand hilft."
„Die Zusammenarbeit mit dem Verein Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW) ist für uns sehr wichtig. Sie hilft uns, die Aufklärungsveranstaltungen zu realisieren. Hinzu kommen Nahrungsmittelhilfen, Schulgelder sowie Transport und Bezahlung der Folkloregruppe", erklärt der Experte. Gerade hier im Süden gebe es viele Buruli Ulcer-Erkrankungen unter den Bauern, die auf dem Feld Zuckerrohr und Erdnüsse anbauen oder unter den Kindern, die in Flüssen baden.
Genau diese Themen rund um Ansteckungen durch Mikrobakterien thematisieren die Frauen in ihren Liedern. „So funktioniert es", sagt Massau Amidjén. Auch sie gehört zum „Club der Mütter". Die 60-Jährige schwingt mit Rasseln verzierte Flaschenkürbisse, Kalebassen genannt, und singt. Amidjén arbeitet in verschiedenen Dörfern und ist selbst Gesundheitsberaterin. Betroffene kommen mit Wunden zu ihr. Sie verweist sie dann in entsprechende Krankenhäuser. Immer wieder untersucht sie mit geschultem Blick auch schnell mal ein paar Leute im Publikum und erkennt sofort, um was für ein Leiden es sich handelt. „Sie ist unsere wichtige medizinische Assistentin", sagt Essoazina anerkennend. Auch während der Corona-Pandemie gehörte die Aufklärung – zum Beispiel auch wie man sich schützt und wo man sich impfen lassen kann – zum Aufgabengebiet der siebenfachen Mutter.
„Unsere Veranstaltungen finden auch in Schulen und Kirchen statt", erklärt ihre Mitstreiterin Marguerite Gbonou. Auch sie gehört zur Folkloregruppe, singt und spielt auf dem Dondo, einer Handtrommel. „Wir bekommen die Genehmigungen vom Bischof und den Schulleitern."
Zusammenarbeit mit Journalisten
Noch viel mehr Besucher würden zu den musikalischen Aufklärungsveranstaltungen kommen wollen. „Das Problem ist der Transport. Viele wohnen doch in entlegenen Dörfern und können sich weder ein Motorrad noch das Benzin dafür leisten", betont Gbonou.
Dominique Tchalim vom Nationalprogramm „Vernachlässigte tropische Krankheiten" und Essoazinas Chef erklärt, wie Gesundheitsaufklärung in Togo funktioniert: „Es ist schwer, das Leid, das von diesen Krankheiten ausgeht, zu vermitteln. Deshalb arbeiten wir mit Journalisten zusammen, die durch Radiosendungen, mit Liedern und Sketchen Aufklärung durchführen. Diese Botschaften werden auch in den entlegensten Dörfern über das Radio gehört." Das Ziel ist es, den Menschen zu vermitteln, wie sie sich vor einer Erkrankung schützen können. „Musik, Folklore, Rhythmen, zum Beispiel, kriegen die Menschen eher in ihre Köpfe und vergessen diese auch nicht mehr so schnell. Ein journalistischer Appell durch einen Radiosprecher plus Musik – das ist komplementär und das geht. Jeder Radiosender sendet mittlerweile diese Botschaften in alle Regionen des Landes."
Amidjén Massau und Marguerite Gbonou gehen zur Frauen-Combo zurück. Die musikalischen „Mütter" stellen sich auf, jede auf ihren vorbestimmten Platz. Und weiter geht es mit den nächsten Liedern. Schon ertönen Trommelschläge und das Rasseln der großen und kleinen Flaschenkürbisse. Dazu werden groovige rhythmische Verse in der Lokalsprache gesungen. Kehlig klingende Laute. „So funktioniert Aufklärung", lacht Essoazina und klatscht in die Hände. Passend zum Takt der Trommeln und Kalebassen.