In den Jahren 1976/77 ist musikalisch weit mehr passiert als Punk. So war dies beispielsweise auch die Gründerzeit der Oyster Ceilidh Band, bald schon umgetauft in The Oyster Band. Mittlerweile wird ein noch reduzierteres, schlichteres Oysterband vorgezogen. Jedem Kenner und Liebhaber britischen Folks sind diese Herren ein Begriff, war doch kaum eine andere Band so lange so forschend, so beglückend, so verlässlich zwischen Folk und Rock unterwegs. Nicht jedes ihrer zahlreichen Alben bleibt als Meisterwerk in Erinnerung, ganz sicher aber ihre beiden Kollaborationen mit der wunderbaren Folk-Sängerin June Tabor. „Freedom & Rain" (1990) und „Ragged Kingdom" (2011) verbanden Zartheit und Kraft, Eleganz und Energie, Finesse und Griffigkeit mit zeitlosem Sendungsbewusstsein.
Immerhin drei Gründungsmitglieder wirkten beim aktuellen Album mit: John Jones (Gesang, Melodeon), Alan Prosser (Gesang, Gitarren, Geige, Orgel, Bass, Drumcomputer) und Ian Telfer (Geige). Der großartige Ray Cooper (Gesang, Bass, Cello) hatte sich vor knapp einer Dekade zwar verabschiedet, veröffentlichte seither aber trotzdem einige feine Solo-Alben.
Doch zurück zur Oysterband, deren zehn Songs von „Read The Sky" einen bislang so nicht gekannten Zorn entwickeln. Als Höhepunkt in dieser Hinsicht kann mühelos der letzte Track „The Time Is Now" identifiziert werden. „Smoke on the forest / Scars on the mountains /Cracks in the ice field" werden darin angeklagt. Und was folgt daraus? „We know too much to look the other way / And we know what the time is / The time is now."
Nie klangen die elektrischen Saiten dieser Folk-Rocker schärfer, ihre Stimmen sind nie engagierter – was durchaus an die wütendste (und beste!) R.E.M.-Phase („Lifes Rich Pageant", 1986) erinnert. In die gleiche Kerbe schlägt dann auch das ebenso mitreißende wie mahnende „Wonders Are Passing". Natürlich vernachlässigt die Oysterband darüber keineswegs ihre Kernkompetenz zwischen Folk-Grandezza und Rock-Spielerei inklusive Saiten-Vielfalt, gezupft und gestrichen, im Verbund mit Percussion-Wucht.