Wer Herr über den Parkraum ist, hat auch die Macht über den Verkehrsfluss. Darin steckt ein enormes politisches Steuerungspotenzial für unsere Städte, in denen die Lebensqualität für alle Verkehrsteilnehmer besser werden könnte.
Berufspendler konnte ich eine Zeit lang einen Tiefgaragenplatz des Arbeitgebers nutzen – fürs Auto. Dann gab es Umstrukturierungen im Unternehmen, und die Bequemlichkeit hatte ein Ende: Mir stand als freier Mitarbeiter kein Stellplatz mehr zu. Was tat ich? Ich stieg aufs Fahrrad um. Das Unternehmen hatte neue Fahrrad-Abstellanlagen gebaut. Am Parksuchverkehr, der laut der Verkehrsforscherin Barbara Lenz vom Institut für Verkehrsforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Spitzenzeiten in den Innenstädten bis zu einem Drittel des Verkehrs ausmacht, nahm ich nun nicht mehr teil.
Parkgebühren flexibel gestalten
Nun sollen und können nicht gleich alle Pkw-Pendler aufs Fahrrad umsteigen, aber das Beispiel zeigt, welchen Einfluss allein Arbeitgeber auf den innerstädtischen Verkehr haben, wenn sie Mitarbeitern Parkplätze kostenfrei zur Verfügung stellen. „Dadurch entsteht für diese ein Anreiz, im Pkw, meist in Einzelbesetzung, zur Arbeit zu fahren", heißt es beim Umweltbundesamt (UBA).
Der Stellplatz erweist sich jedoch nicht nur in der Arbeitgeber-Tiefgarage als Blechmagnet, sondern auch im öffentlichen Raum. Um den „Zufluss von Fahrzeugen" und damit den Parksuchverkehr zu begrenzen, müssten Parkflächen mit deutlich höheren Gebühren als heute belegt werden, sagt Verkehrsforscherin Lenz. Und zugleich müssten die Radfahr-Infrastruktur und der ÖPNV als Alternativen gefördert werden.
Auch Kerstin Hurek, Expertin für Verkehrspolitik beim Auto Club Europa (ACE), sieht Handlungsbedarf: „Das Pkw-Parken beansprucht überproportional viel öffentliche Fläche, die den Pkw aber zu Preisen zur Verfügung gestellt werden, die nicht den Wert der Fläche für das Allgemeinwohl berücksichtigen." Eine Erhöhung von Parkgebühren müsse jedoch „schrittweise und moderat" erfolgen.
Zudem können Parkgebühren je nach Verkehrsaufkommen zeitlich und räumlich flexibel gestaltet werden – und die Digitalisierung hilft dabei. So konnte in San Francisco der Parksuchverkehr dank High-Tech um 43 Prozent gesenkt werden. Die kalifornische Stadt rüstete Stellplätze an Straßen und in Parkhäusern mit Sensoren aus, über die die Parkgebühren je nach Nachfrage angepasst werden. In Sensor-gestützter Parkzeitkontrolle und -abrechnung, wie es heute auch schon von Supermärkten praktiziert werde, sieht Lenz eine der größten Chancen der Digitalisierung beim Parkraummanagement.
Ob Menschen das Auto meiden, hängt aber nicht nur von Alternativen ab, die sie haben. Auch das Baurecht hat Einfluss auf die Wahl des Verkehrsmittels, weil es die Errichtung von Pkw-Stellplätzen und Fahrrad-Abstellanlagen regelt, letztere sind zum Beispiel in Berlin bei Bauvorhaben vorgeschrieben. Denkbar ist auch, Rabatte für Verkehrsteilnehmer einzuräumen, die Park & Ride nutzen, oder Park- und ÖPNV-Tickets zu kombinieren, wie es etwa in Wien so erfolgreich praktiziert wird, dass sogar der Pkw-Anteil pro 1.000 Einwohner sank. Solche sozialverträglichen „Push-and-pull"-Maßnahmen begrüßt auch Hurek: „Es soll Parkraum nicht reduziert und verteuert werden, bevor nicht gute Alternativen zur Fahrt mit dem eigenen Auto geschaffen worden sind."
Knöllchen vom Scanner-Auto
Auch die E-Mobilität kann durch Parkraum-Management gefördert werden. Wenn Halter ihren Stromer ermäßigt oder kostenfrei abstellen könnten, wäre dies im Sinne der Energiewende im Verkehr. Längst haben große Player wie Parkopedia, nach eigenen Angaben weltweit größter Anbieter von digitalen Parkdiensten, die Verknüpfung von Ladeinfrastruktur und Parkraumbewirtschaftung entdeckt. Bis zu einem Drittel der potenziellen Besitzer von E-Fahrzeugen könnten ihr Fahrzeug nicht zu Hause aufladen, schätzt das Unternehmen. „Park and Charge" heißt ein neues Produkt, für das Parkopedia Daten aus seiner Datenbank von mehr als 70 Millionen Parkplätzen weltweit nutzt, um E-Auto-Fahrern das Auffinden von Lademöglichkeiten zu erleichtern – einschließlich Ladestationen in Parkhäusern.
Dass Parkgebühren steigen, scheint allein durch die Kosten gerechtfertigt, die Parkplätze mit sich bringen und die bislang von der Allgemeinheit getragen werden: Sie müssen errichtet und gepflegt werden, Autos stoßen im Parksuchverkehr schädliche Abgase aus, verursachen Lärm und auch Unfallkosten. Verkehrsexperten sind der Ansicht, dass mehr Einnahmen in die Digitalisierung und Vernetzung der Verkehrsträger gesteckt werden sollten, um die Verkehrsflüsse besser zu steuern und die Kollateraleffekte gering zu halten. Auch Autohersteller treiben die Entwicklung voran.
„Es geht darum, alle Quellen besser zu vernetzen", sagt Audi-Technologiesprecher Michael Crusius. „Die Städte müssten ein ureigenes Interesse daran haben." Der Ingolstädter Hersteller, aber auch BMW, Mercedes, Apple, Ford, Garmin, GM, Hyundai-Kia, Jaguar Land Rover, Peugeot, Tom Tom, Toyota, Volkswagen und weitere Unternehmen arbeiten zusammen mit Spezialfirmen wie Park Here oder Parkopedia kontinuierlich an Lösungen.
Zu den Errungenschaften des Fortschritts zählt intelligente Zugangsverwaltung, wenn sich Schranken dank Chip-Technik wie von Geisterhand öffnen und die Navigation auch in Parkhäusern- und Tiefgaragen, wo kein GPS-Signal mehr empfangen werden kann, dank hochpräziser Indoor-Karten noch funktioniert – bis zum aktuell freien Stellplatz. Solche Funktionen sollen auch in Parkhäusern selbst den Parksuchverkehr verringern. Die meisten Dienste, die Autofahrer in die Navigation einfließen lassen können, errechnen allerdings derzeit noch lediglich Wahrscheinlichkeiten, mit denen Parkplätze am Straßenrand frei sind. Exakte Aussagen, ob Stellplätze aktuell zur Verfügung stehen oder nicht, lassen sich aber über sogenannte Vehicle-to-infrastructur-Dienste (V2I) auf Basis von Echtzeit-Daten treffen. Erste Parkhäuser oder Abstellanlagen sind bereits auf diese Weise mit Pkw vernetzt.
Solche unter „Smart Parking" geführten Dienste sind strukturell jedoch nicht zwangsläufig zielführend. Zum einen liegen in vielen Städten bislang nur eingeschränkt Daten zur Auslastung von Parkplätzen vor. Zum anderen wirkt die Vernetzung mit steigender Perfektion zunächst kontraproduktiv: Wenn Autofahrern die Parkplatzsorge genommen wird, besteht für sie womöglich kein Grund mehr, Bus, Bahn oder das Fahrrad zu nutzen. Das Umweltbundesamt schreibt: „Neben den positiven Auswirkungen wie der Verringerung des Parksuchverkehrs besteht die Gefahr, dass neue Verkehre induziert werden oder eine Verlagerung von nachhaltigen Verkehrsmitteln zum Pkw erfolgt."
Gegensteuern lässt sich wiederum mit flexibler Preisgestaltung, die sich digital besonders gut und transparent umsetzen lässt, da Nutzer zum Beispiel in Smartphone-Apps nicht nur die je aktuelle Parkgebühr angezeigt bekommen, sondern diese gleich auch per hinterlegtem Zahlungsmittel automatisch entrichten können. In Amsterdam werden die digitalen Möglichkeiten bereits auch für die Parkraumüberwachung genutzt. Spezielle ausgestattete Pkw fahren durch die Straßen der Stadt und scannen die Nummernschilder parkender Autos. In Abgleich mit behördlichen Datenbanken wird ermittelt, ob für ein bestimmtes Kennzeichen ein digitaler Parkschein gelöst wurde. Falls nicht, wird automatisch ein Strafzettel zugestellt. Knöllchen hinterm Scheibenwischer gibt’s bei diesem Verfahren nicht mehr.
Autos stehen bis zu 23 Stunden am Tag ungenutzt herum
Die konsequente Sanktionierung von Regelverstößen ist laut Verkehrsforscherin Lenz ein wichtiger Faktor. Nach Einschätzung der Agora Verkehrswende besteht in Deutschland allein aufgrund zu geringer Geldbußen noch Nachholbedarf: „In Verbindung mit einer häufig unzureichenden Kontrolle kann dies dazu führen, dass es für Pkw-Fahrer wirtschaftlich günstiger ist, die Ahndung mit einem Bußgeld zu riskieren als die Parkgebühren zu entrichten." Dabei wären Optionen der Vernetzung vielfältig: Sind Daten zum eigenen Auto zum Beispiel in der App hinterlegt, können Parkgebühren auch nach Schadstoffklassen gestaffelt werden. Dreckschleudern zahlen mehr, E-Autos gar nichts.
Auch Stellplatz-Sharing ist ein Kind der Digitalisierung. Der Gedanke: Private Stellplätze, die tagsüber frei sind, können zum Beispiel Berufspendelnden über Sharing-Plattformen gegen Gebühr angeboten werden, um eine hohe Auslastung zu erzielen. „Die einzelnen Nutzenden profitieren durch die geteilten Kosten, und gleichzeitig sinkt der Flächenbedarf für das Parken", schreibt das Umweltbundesamt. In dem Geschäft mit den privaten Stellplätzen mischen Weltmarktführer Parkopedia und andere Anbieter bereits mit.
23 Stunden am Tag stehen Autos ungenutzt herum, schreibt die Agora Verkehrswende. Ein großer Teil der städtischen Flächen wird vom in der Fachsprache sogenannten „ruhenden Verkehr" belegt. Wenn Straßen dauerhaft zugeparkt sind, muss man das nicht schön finden. Historische Straßenzüge sähen ohne das viele Blech am Bordstein schöner aus, und wenn Pkw- zu Fahrradstellplätzen, aber auch Spielplätzen und Aufenthaltsflächen umgewidmet werden, trägt auch das zur Änderung des Mobilitätsverhaltens bei.
Laut Barbara Lenz vom DLR müssten Parkflächen im öffentlichen Raum deutlich reduziert und in einzurichtenden Quartiersparkflächen und -garagen gebündelt werden.
Auch die Verkehrssicherheit würde dann verbessert: „Parkende Autos sind ein Sicherheitsrisiko für viele andere Verkehrsteilnehmer", sagt ACE-Expertin Hurek. Ziel müsse sein, die Stadt attraktiver zu machen, sei es auch nur durch Sichtachsen, die frei werden, wenn Parkplätze dauerhaft autofrei werden und Kreuzungen einsehbar machen. Das ist doch mal ein Lichtblick.