Wenn man einen Stern auf dem Hollywood Walk of Fame bekommt, hat man es in der Traumfabrik endgültig geschafft. Mehr noch: Man gehört zu den erfolgreichsten und produktivsten Künstlern des Showbusiness. Hans Zimmer wurde diese Ehre 2010 zuteil – aus gutem Grund, wie die von ihm komponierten Soundtracks zeigen. Sein Stern trägt die Nummer 2.426.
Hans Zimmers musikalisches Ausnahmetalent wurde in Deutschland nicht sehr geschätzt (siehe Interview Seite 24). Und da der Prophet im eigenen Land nichts gilt, machte sich Hans Zimmer Ende der 1970er-Jahre nach London auf, um dort sein Glück zu versuchen. Er schlug sich eine Zeit lang mit dem Komponieren von Werbe-Jingles durch und spielte in verschiedenen Bands. 1980 lernte er im Londoner Studio „Air Edel" den Filmmusik-Komponisten Stanley Myers kennen und wurde dessen Assistent. Durch diese Zusammenarbeit bekam er erste kleine Kompositionsaufträge für Filmmusik. Seither hat Hans Zimmer zu über 150 Filmen den Soundtrack geliefert. Hier einige Highlights aus seiner Weltkarriere:
Zwei Welten (1988)
Mit dem Soundtrack zu diesem Anti-Apartheid-Film gab Hans Zimmer sein Solo-Debüt als Filmkomponist. Diana Rhodes, der Frau des Hollywood-Regisseurs Barry Levinson, gefiel seine Musik, sie empfahl ihrem Mann, es doch einmal mit diesem vielversprechenden jungen Komponisten zu versuchen. So wurde Hans Zimmer tatsächlich für Levinsons nächsten Film engagiert – „Rain Man".
Rain Man (1988)
Ein packendes Roadmovie von Barry Levinson, in dem zwei ungleiche Brüder (Tom Cruise als egozentrischer Yuppie und Dustin Hoffman als autistischer Sonderling) auf einem Trip quer durch die USA langsam zueinanderfinden. Ausgezeichnet mit vier Oscars. Obwohl es darin nur 25 Minuten von Hans Zimmers Musik gibt, verschafft ihm der einfühlsame Soundtrack seine erste Oscarnominierung.
Black Rain (1990)
Eiskalter Action-Thriller mit Michael Douglas als New Yorker Cop, den es nach Japan ins brandgefährliche Yakuza-Territorium verschlägt. Es ist Zimmers erste Zusammenarbeit mit Regisseur Ridley Scott. Scott ist von der Melange aus Orchester- und Synthesizer-Klängen dermaßen begeistert, dass er noch oft mit dem deutschen Komponisten zusammenarbeitet, unter anderem bei seinem nächsten Film „Thelma & Louise".
Thelma & Louise (1991)
In diesem sexy Roadmovie brechen Susan Sarandon und Geena Davis aus ihrem tumben Alltag aus und fahren in einem Ford Thunderbird Cabriolet in der Gegend umher. Was als harmloser Ausflug beginnt, endet in einer Katastrophe. Der Showdown am Grand Canyon ist längst Kult. Hans Zimmers Originalmusik fügt sich in die rockigen Songs des Soundtracks nahtlos ein.
Backdraft – Männer, die durchs Feuer gehen (1991)
Feuersbrünste de luxe! In Ron Howards Feuerwehrdrama stehlen die Brand- und Explosionsszenen sogar Robert de Niro und Kurt Russell die Schau. Für Hans Zimmer ist es ein Meilenstein in Sachen Soundtrack. Hier erfindet er mit seinem „Wall-to-Wall Score" – durchgehende Musikuntermalung von der ersten bis zur letzten Szene – so etwas wie die Blaupause für die Vertonung künftiger Hollywood-Action-Thriller.
Der König der Löwen (1994)
Hans Zimmers erstes Meisterwerk. Für seine bahnbrechende Musik in diesem Disney-Zeichentrick-Drama bekommt er seinen ersten Oscar, seinen ersten Golden Globe, seinen ersten Grammy. O-Ton-Zimmer: „Die Musik zu ‚König der Löwen‘ ist afrikanische Musik mit Mozart." Vor allem die musikalische Charakterzeichnung des kleinen Löwen Simba und seines bösen Onkels Scar sind großartig.
Gladiator (2000)
Die erneute Zusammenarbeit mit Ridley Scott in diesem mit fünf Oscars prämierten Monumentalepos bringt Hans Zimmer eine weitere Oscarnominierung und eine Nominierung zum Golden Globe ein. Bild und Ton zeichnen sich durch eine außergewöhnlich einfühlsame atmosphärische Dichte aus. Die afrikanischen Einflüsse in seiner Musik spielt Zimmer dann auch im nächsten Ridley-Scott-Film „Black Hawk Down" (2001) absolut souverän aus.
Batman Begins (2005)
Diese faszinierende Reanimierung des damals sträflich abgenudelten „Batman"-Mythos durch Christopher Nolan markiert dessen erste Zusammenarbeit mit Zimmer. Wie auch zum Sequel „The Dark Knight" (2008) komponiert Zimmer den Score noch zusammen mit James Newton Howard. Danach holt der Regisseur sich Zimmer exklusiv für weitere Soundtracks, zum Beispiel im Science-Fiction-Heist „Inception" (2009) mit Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle, in „The Dark Knight Rises" (2012), im dystopischen Science-Fiction-Thriller „Interstellar" (2014) mit Matthew McConaughey und dem historischen Kriegsfilm „Dunkirk" (2017). Christopher Nolan war bei Zimmers Walk-of-Fame-Stern-Verleihung in Los Angeles anwesend und voll des Lobes: „Für mich gibt es keinen noch tätigen Komponisten, der mehr dafür getan hat, das Klangbild zeitgenössischer Filme zu prägen."
The Da Vinci Code – Sakrileg (2006)
Für diese Bestsellerverfilmung des Thrillers von Dan Brown unter der Regie von Ron Howard komponiert Hans Zimmer 14 Stücke, die er zum Teil aus zuvor fertiggestellten Suiten zusammensetzt. So gibt er dem Regisseur schon während der Dreharbeiten und später auch beim Schnitt Stimmungsbilder an die Hand, die für den Film stilbildend sind. Besonders herausragende Beispiele sind die Stücke „Poisoned Calice", „Rose of Arimathea" und „Kyrie for the Magdalene". Er wird dafür erneut für einen Grammy nominiert. Ron Howard engagierte Zimmer natürlich auch für „Illuminati" (2009), die Fortsetzung der erfolgreichen Dan-Brown-Trilogie.
Sherlock Holmes: Spiel im Schatten (2012)
Für den zweiten Teil der Sherlock-Holmes-Saga (Regie: Guy Ritchie) mit Robert Downey, Jr. (Sherlock Holmes) und Jude Law (Dr. Watson) in den Hauptrollen schreibt Hans Zimmer den kompletten Score und produziert ihn auch. An mehreren Stellen nimmt er Bezug auf bekannte Filmthemen, zum Beispiel in der Szene, in der Holmes und Watson durch den Wald nach Deutschland reiten: Im Hintergrund läuft das Stück „Two Mules for Sister Sara" – frisch geklaut von Ennio Morricones Soundtrack zu Clint Eastwoods Film „Ein Fressen für die Geier". Eine subtile Hommage, denn Morricone ist Zimmers großes Vorbild. Etwas später paraphrasiert Zimmer ein Mozart-Thema aus der Oper „Don Giovanni". Ein Super-Soundtrack, für den Zimmer eine weitere Oscarnominierung bekommt.
Blade Runner 2049 (2017)
Die Herstellung des Soundtracks zur „Blade Runner"-Fortsetzung des kanadischen Regisseurs Denis Villeneuve ist kompliziert. Nachdem ein paar Versuche scheitern und diverse Komponisten das Handtuch werfen, holt Villeneuve schließlich Hans Zimmer und Benjamin Wallfish an Bord. Die beiden bringen neue Elemente in den Score ein, dazu Reminiszenzen an den Vangelis-Sound des ersten „Blade Runner"-Films. Zimmer und Villeneuve werden während dieser Zeit Freunde. Und natürlich will der Filmemacher Zimmer auch für seinen nächsten Film, die Science-Fiction-Parabel „Dune" (2021).
Dune (2021)
Diesmal ist Hans Zimmer der alleinige Komponist. Mit überwältigendem Erfolg: Für seinen Soundtrack bekommt Zimmer seinen zweiten Oscar und wird außerdem mit dem Golden Globe ausgezeichnet. Für „Dune" entschlackt er seine meist opulente Filmmusik und erzielt dadurch hochdramatische Effekte. O-Ton Zimmer: „Das Einzige, was man als Zuhörer erkennt, ist diese fantastische Frauenstimme. Um sie herum habe ich meine Töne gesetzt. Und was mich beim Komponieren auch noch sehr beeinflusst hat, sind die Farben, die im Film benutzt werden – oder eben gar nicht da sind." Natürlich ist Hans Zimmer auch für „Dune 2" bereits fest gebucht.
Coda: Bisher bekam Hans Zimmer für sein musikalisches Werk insgesamt zwei Oscars, drei Grammys und drei Golden Globes. Er wurde elfmal für den Oscar nominiert, zwölfmal für den Golden Globe und achtmal für die Grammys.
Außer den vielen Kinofilm-Soundtracks hat Zimmer auch zu diversen TV-Serien die Musik geschrieben, darunter zum Beispiel für „The Crown" die Titelmusik sowie Musik zu neun weiteren Episoden, für sieben Episoden von „Der Pass" (2018 – 2019) und für sage und schreibe 109 Episoden der „Simpsons" (2017 – 2022). Unser Mann in Hollywood ist wirklich kaum zu schlagen!