Es gibt heute viele Möglichkeiten, Schwangerschaften zu planen, sie zu verfolgen und die Geburt zu begleiten. Die Frage bleibt: Was ist wirklich hilfreich für werdende Mütter, was ethisch vertretbar und was muss nicht sein oder birgt gewisse Gefahren?
Kommen wir zurück an den Punkt, an dem Frauen wie vor 100 Jahren Kinder gebären, ganz aus eigenen Kräften heraus oder gibt es zukünftig fast ausschließlich Kaiserschnitte? Fakt ist: Laut Statistischem Bundesamt kamen im Jahr 2020 exakt 220.740 Babys per Kaiserschnitt zur Welt. Jede dritte Geburt verlief demnach nicht ohne das Zutun der modernen Medizin. Durch die Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen gibt es einen neuen, alten Trend: Hausgeburten. Laut der Gesellschaft für Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe (Quag) kamen im selben Jahr 13.969 Kinder zu Hause auf die Welt. Im Jahr 2013 waren es gerade einmal 8.943.
Was zu Zeiten der eigenen Großeltern als vollkommen normal galt, ist heute immer noch eine Ausnahme. Und das aus unterschiedlichen Gründen. Viele werdende Eltern befürchten, im Notfall zu Hause nicht so gut betreut zu werden wie in einer Klinik. Manche Frauen trauen sich die Geburt ohne Schmerzmittel, bevorzugt PDA (Periduralanästhesie) nicht zu oder haben Angst vor einer mangelnden technischen Überwachung durch Wehenschreiber und Co. Einige Männer zeigen sich überfordert mit dem, was sie bei einer häuslichen Geburt mittragen müssen, sprich, sie können vielleicht kein Blut sehen oder Ähnliches.
„Es findet ein großer Wandel statt“
Viele dieser Ängste sind unbegründet, geben Hebammen wie Linda Kiefer zu bedenken, wenngleich es heute ungleich schwerer ist, eine Geburtsbegleitung zu Hause zu finden. Fakt ist, eine Hebamme nutzt in ihrem Berufsalltag nicht alle technischen Möglichkeiten, die ihr theoretisch zur Verfügung stünden. „Die Untersuchungen mittels Ultraschall werden in den meisten Fällen von den Frauenärzten durchgeführt. Im Berufsalltag einer Hebamme sind eher CTG-Gerät (Wehenschreiber), Dopton (Fetaldoppler zum Abhören der Herztöne) oder Hörrohr zu finden. Unter der Geburt ist in Kliniken ein CTG kaum noch wegzudenken. „Gerade findet aber, was diese Gerätschaften angeht, ein großer Wandel statt“, so Kiefer. Und der kommt nicht von ungefähr. Es geht um den Schutz des Kindes. „Seit Anfang 2021 ist etwa eine sogenannte 3D- oder 4D-Ultraschalluntersuchung ohne medizinische Indikation verboten. Auch von einem CTG soll weitestgehend abgesehen werden“, erklärt die erfahrene Geburtsbegleiterin. Die neue Strahlenschutzverordnung vom 31.12.2018 ist der Grund für dieses Verbot. In Kraft trat diese zum 1. Januar 2021. In Artikel 4, Paragraf 10, heißt es da: „Bei der Anwendung von Ultraschallgeräten zu nichtmedizinischen Zwecken darf ein Fötus nicht exponiert werden.“ Gemeint ist damit die Abwendung von rein medizinischer Nutzung des Ultraschalls hin zum Event Baby-TV.
Letzteres gilt als Zusatzleistung. Diese müssen Eltern in der Regel selbst bezahlen, wenn sie mithilfe des Arztes im Mutterleib „nach dem Rechten sehen wollen“. Wenn sie diese Zusatzkontrolle denn in Anspruch nehmen dürfen. Laut der Deutschen Gesellschaft für Ultraschalltechnik in der Medizin ist die neue Strahlenschutzverordnung Quatsch. Sie halten dagegen, dass der Ultraschall mit den gleichen Geräten durchgeführt wird wie die bezahlten drei Kassenleistungen auch.
4D-Ultraschall ist „überflüssig“
Die drei Ultraschalle, die weiterhin erlaubt bleiben, finden einmal zwischen der 9. und 12. Schwangerschaftswoche statt, um zu kontrollieren, ob sich der Embryo erfolgreich in der Gebärmutter eingenistet hat. Der 2. Ultraschall, das OrganScreening, liegt zwischen der 19. und 22 Schwangerschaftswoche. Hier sieht sich der behandelnde Arzt alle Organe an und prüft, ob sich der Embryo altersgemäß entwickelt. Der dritte Ultraschall liegt zwischen der 29. und 32. Schwangerschaftswoche. Ein letztes Mal vor der Geburt sollen Lage und Entwicklung des Kindes geprüft werden. Außerdem stehen hier der Zustand der Plazenta sowie die Menge des Fruchtwassers bei der Kontrolle im Vordergrund. In Ausnahmefällen bei besonderer medizinischer Indikation sind mehr Ultraschalluntersuchungen erlaubt. Empfohlen sind hier grundsätzlich 2D-Untersuchungen, da diese die geringste Strahlendosis abgeben. 4D-Ultraschall, der fast erscheint wie ein echtes Foto oder Video vom Embryo innerhalb der Gebärmutter, ist verboten. Der Medizinische Dienst des Bundes der Krankenkassen (MDS) betrachtet diese Leistung als „überflüssig“ zur medizinischen Begutachtung des Embryos.
Da Hebammen keinerlei Ultraschallscreenings anbieten, empfiehlt es sich, die Vorsorgetermine entsprechend aufzuteilen zwischen Gynäkologen und Hebamme. Letztere führt im Übrigen auch einen Mini-Ultraschall durch, allerdings keinen bildgebenden. Sie hört die Herztöne ab und nutzt dafür ein Dopton. Geräte wie dieses gibt es mittlerweile über Amazon.de und andere Anbieter für den Hausgebrauch. Ein Fakt, der Hebammen wie Alexandra Krewer Sorge bereitet: „Hier werden Ängste geschürt. Wenn zum Beispiel eine Frau ein Gerät zuhause hat, um selbst die Herztöne zu kontrollieren, dann kann es eben auch schnell mal passieren, dass das Kind anders liegt als zuvor und man die Herztöne dann nicht so schnell findet. Dies führt zu Panik und unnötigen Kontrollen, schlimmstenfalls am späten Abend in der Klinik.“ Einer Hebamme reichen wenige Minuten, um die Herztöne zu kontrollieren. Stimmt etwas nicht und sie stellt Unregelmäßigkeiten fest, dann empfiehlt sie einen Check beim Arzt des Vertrauens oder in der Klinik.
Wieder mehr zu sich selbst finden
Grundsätzlich ist dies immer wichtig, wenn bei der Schwangerschaftsvorsorge Probleme auftauchen, es sich um Mehrlingsschwangerschaften handelt oder Frühgeburten anstehen. In allen diesen Fällen ist die Entbindung im Krankenhaus dringend angeraten. Sind Mutter und Kind aber gesund, die Schwangerschaft verläuft ohne Komplikationen und die Wehen stellen sich frühestens drei Wochen vor dem Geburtstermin oder zwei Wochen danach ein, steht einer Hausgeburt theoretisch nichts mehr im Wege. Linda Kiefer erinnert sich an ein Beispiel von vielen, ganz individuellen Erlebnissen: „Ich habe eine wunderschöne Wassergeburt in Erinnerung, bei der die Schwangere eigentlich gar nicht vorhatte, im Wasser zu entbinden. Sie war zur Entspannung im Bad, die Atmosphäre war trotz schmerzhafter Wehen sehr ruhig. In den Wehenpausen erzählte sie ihrem Baby im Bauch Geschichten, die sie von ihrer Oma erzählt bekommen hatte, und das wiederum wirkte scheinbar entspannend auf sie selbst. Als klar war, dass das Baby bald kommt, und viel schneller als gedacht, wollte die werdende Mama dann doch nicht mehr aus der Wanne. Ganz instinktiv, ohne viel Anleitung, sondern rein nach ihrem eigenen Gefühl kam das Baby zur Welt, und sie konnte es sich in Ruhe allein auf die Brust heben.“
Frauen sollten wieder mehr zu sich selbst finden, denkt Kiefer, den Körper als das wahrnehmen was er ist: ein Wunderwerk, dem selbst erfahrene Geburtshelfende immer noch mit Demut begegnen. Spezielle Techniken wie Yoga, Meditation und Hypnobirthing können dabei helfen, Ängste abzubauen und sich selbst mehr zu vertrauen. Unterstützung finden Schwangere an vielen Stellen, bei Fragen stehen die Krankenkassen gerne beratend zur Seite.
Wichtig ist, sich frühzeitig zu informieren und eine Hebamme zu kontaktieren. Ihre Zahl schrumpft ebenso wie das Angebot, überhaupt eine Eins-zu Eins-Betreuung unter der Geburt in Anspruch nehmen zu können. Der starke Rückgang der erfahrenen Geburtshelferinnen liegt vor allem an den steigenden Preisen für die berufliche Haftpflichtversicherung in diesem Segment. Und die ist zur Ausübung der Tätigkeit Pflicht. Ungünstig, wenn es sich dadurch kaum noch lohnt, Frauen unter der Geburt zu begleiten. Ein Fakt, der viele Hebammen zum Aufhören bewogen hat oder zumindest zum Umdenken. Schwangerschaftsbegleitung vor und nach der Geburt ist machbar, die Geburt selbst muss dann klinisch erfolgen. Und auch hier fehlt oft das Personal. Ein Zustand, der dringenden Handlungsbedarf erfordert. Wo der Mensch fehlt, kann die Technik allein auch nicht helfen.