Der SV Werder Bremen und der FC Schalke 04 spielen wieder im Oberhaus. Dabei sah es bei den beiden Schwergewichten zuerst gar nicht nach Wiederaufstieg aus. Die Bundesliga wird für beide Vereine eine Herausforderung.
Gekommen, um zu bleiben. Das gilt für die beiden einstigen Schwergewichte ganz sicher. Doch beide haben eine bewegte Vergangenheit hinter sich. Für Träumereien ist da kein Platz.
SV Werder Bremen
Im Grunde ist es eine Situation, von der jeder Trainer träumt – und zwar Sommer für Sommer aufs Neue. Möglichst früh vor dem ersten Pflichtspiel den Kader komplett haben, das gilt in der Fußballbranche als eine Art Optimalzustand, weil die Zeit zum Kennenlernen und Einspielen dann besonders groß und damit die Wahrscheinlichkeit auf einen erfolgreichen Saisonstart zumindest erhöht ist. Beim SV Werder Bremen ist der Trainerwunsch in diesem Sommer bereits in Erfüllung gegangen. Mit der Verpflichtung von Mitchell Weiser hat der Aufsteiger seine Personalplanungen bis auf Weiteres abgeschlossen, was Chefcoach Ole Werner wenig überraschend zufriedenstellt. „Es ist wichtig, dass das Team zu einem möglichst frühen Zeitpunkt so komplett wie möglich ist und wir die Baustellen jetzt soweit geschlossen haben", betont der 34-Jährige, der die Erwartungen des Umfelds an seine neue Mannschaft deshalb aber nicht überhöht sehen möchte. „Man muss die Dinge realistisch einschätzen", sagt Werner – und hält fest: „Auch wenn der Name Werder Bremen nach wie vor groß ist – von den Rahmenbedingungen her zählen wir zu den kleineren Mannschaften." Es sind Sätze, die sich leicht mit Zahlen belegen lassen. So wird das Bremer Gehaltsbudget für die Saison 2022/23 bei schätzungsweise 30 bis 35 Millionen Euro liegen, was im Bundesliga-Vergleich ziemlich wenig ist. „Beim Gehaltsbudget werden wir auf einem Abstiegsplatz stehen", hatte Sportchef Frank Baumann bereits Anfang Juni im Interview mit „Deich-Stube" gesagt. Gleiches gilt auch für die TV-Geld-Tabelle, in der Werder Bremen mit 36,2 Millionen Euro vor dem VfL Bochum (33,2) Vorletzter ist. Zum Vergleich: Branchenprimus Bayern München kassiert als Erster 95,3 Millionen, Eintracht Frankfurt als Siebter 77 Millionen und Mainz 05 als Elfter 51,2 Millionen Euro. „Es wird bei uns nur über die Gruppe gehen", sagt Ole Werner, „weil wir, und das ist ja kein Geheimnis, nicht die Möglichkeiten haben, wie es bei anderen Teams der Fall ist. Das, was wir finanziell zur Verfügung haben, ist nicht auf dem Niveau, wie es an vielen anderen Bundesliga-Standorten herrscht."
Dennoch, Ole Werner ist zufrieden mit seinem Kader. Was er anhand der Neuzugänge auch sein kann. „Für das, was uns zur Verfügung steht und mit dem, was wir daraus gemacht haben, bin ich zufrieden", betont der Trainer des SV Werder Bremen, und natürlich traut er seiner Mannschaft den Klassenerhalt zu: „Ich vertraue meinen Jungs." Werners erdende Sätze eine Woche vor dem ersten Pflichtspiel im DFB-Pokal gegen den FC Energie Cottbus und zwei Wochen vor dem Bundesliga-Auftakt beim VfL Wolfsburg – sie sind also kein Zeichen von Pessimismus, sondern eher die Bitte nach einem möglichst sachlichen Blick auf den SV Werder Bremen im Sommer 2022. Das schöne und längst nicht abgeklungene Gefühl des Aufstiegs, verheißungsvolle Transfers sowie die Tatsache, dass die Mannschaft – ganz anders als im Vorjahr – dieses Mal frühzeitig steht, könnte in der Tat bei so manchem Fan und Beobachter für eine zu große Erwartungshaltung sorgen. Dem wirkt Werner entgegen. Sein Credo vor dem Saisonstart lautet deshalb: „Wichtig ist, dass wir das Maximum aus unseren Möglichkeiten herausholen. Dass wir entsprechend hart arbeiten. Aber ich weiß, dass die Saison eine große Herausforderung für uns wird. Und je mehr Leute in Bremen das auch wissen, desto eher gelingt uns diese Herausforderung auch." Ein entscheidender Faktor soll die Fitness der Akteure sein. „Wir werden körperlich und im läuferischen Bereich noch einmal auf einem ganz anderen Level gefordert als in der Zweiten Liga", prognostizierte der Chefcoach.
FC Schalke 04
Eine ähnliche Ausgangslage findet man auch in Gelsenkirchen vor. Nach einem Jahr im Zweitliga-Exil ist der FC Schalke 04 wieder im Oberhaus. Das Ziel ist klar: Der Klassenerhalt hat für die Knappen oberste Priorität. Die Tore von Simon Terodde sollen dabei helfen. Der Stürmer des FC Schalke 04 hatte großen Anteil an der Meisterschaft in der 2. Liga und verlängerte frühzeitig bei S04. Mit Blick auf die Situation in der kommenden Saison trifft er eine gewagte Prognose. Er erwartet einen großen Wettbewerb und dass es kein Team geben wird, für das es am Ende um nichts geht. „Ich denke, dass drei, vier Mannschaften um die Meisterschaft mitspielen und zehn um den Klassenerhalt", prophezeit er im Interview mit der „Bild". „So etwas wie ein Tabellen-Mittelfeld wird es nicht mehr geben", lautet seine Prognose für die kommende Spielzeit. Damit Schalke sich gegen die große Konkurrenz durchsetzen kann, hat Sportdirektor Rouven Schröder den Kader erneut umgekrempelt. Der jüngst vorgestellte Alex Král war bereits der elfte Neuzugang. Terodde zeigt sich von der Arbeit Schröders begeistert. „Rouven Schröder hat unseren Kader schon gut verstärkt, da bin ich sehr zuversichtlich", sagt er der „Bild". Die Euphorie in der Mannschaft sei groß. Das merke man täglich auf dem Rasen und in der Kabine. Weniger euphorisch reagierten die Fans auf die Verpflichtung von Trainer Frank Kramer. Er tritt die Nachfolge von Vereinslegende Mike Büskens an, der dem Allgäuer künftig als Co-Trainer zur Seite steht. Schalke ist nach Arminia Bielefeld, Greuther Fürth und einer kurzen Phase als Interimscoach der TSG Hoffenheim die vierte Trainerstation Kramers in der Fußball-Bundesliga. Und es dürfte eine schwierige Mission werden. Als Wunschkandidat von Sportdirektor Rouven Schröder wurde Kramer bezeichnet, beide haben schon in Fürth zusammengearbeitet. Schröder und Kramer müssen nun elf Neuzugänge integrieren, ohne dabei die Aufstiegshelden zu vergessen.
Bleibt es auf Schalke länger ruhig?
Ist angesichts der vielen neuen Gesichter in Gelsenkirchen überhaupt noch Platz für die Helden aus der Vorsaison? Ja, sagt Cheftrainer Frank Kramer, einen Bonus haben die Schalker Aufsteiger aber nicht. „Klar, die Jungs haben Großartiges geleistet. Es gibt aber Konkurrenzkampf auf den Positionen. Den wird jeder annehmen müssen, egal ob er neu ist, nur letztes Jahr da war oder schon viele Jahre da ist", zitiert die „WAZ" den neuen Mann an der Seitenlinie. Die „Eindrücke auf dem Platz" seien entscheidend. Auf die Leistungen der letzten Spielzeit hatte Kramer ohnehin keinen Einfluss, unter dem Nachfolger von Mike Büskens geht der Kampf um die Startelfplätze also wieder von vorne los. Somit dürften nur wenige „alte" Spieler auch in der Saison 2022/23 gesetzt sein. Zweitliga-Torschützenkönig Simon Terodde hat zwar durch die Verpflichtung von Sebastian Polter neue Konkurrenz, auf seine Torgefahr wird Frank Kramer aber wohl nicht freiwillig verzichten wollen. Fraglich aber, wie sich Marius Bülter, immerhin mit zehn Toren zweitbester Schalker in der Zweitliga-Saison, durchsetzen kann. Im Mittelfeld könnten dem Umbruch ebenfalls einige prominente Spieler zum Opfer fallen: Kapitän Danny Latza etwa, der vom jüngsten Neu-Ankömmling Alex Král verdrängt werden könnte. Oder Innenverteidiger Marcin Kamiński, der nach der Ankunft des erfahrenen Maya Yoshida in die zweite Reihe rücken könnte. Verantwortlich für die vielen Transfers ist Sportdirektor Rouven Schröder, der die Maßnahmen am Rande des Trainingslagers in Mittersill verteidigte: „Egal ob man nun von der Bezirksliga in die Landesliga, von der Regionalliga in die 3. Liga oder von der 2. in die 1. Liga aufsteigt: Es gibt neue Konkurrenz. Es geht darum, dass Schalke in der Bundesliga bleibt." Die Devise lautet daher: „Wenn einer besser ist, ist er eben besser." Als Affront gegen die Aufstiegshelden sei dieser Satz aber nicht gemeint, wie Schröder anfügte: „Die Gruppe, die aufgestiegen ist, hat ein hohes Level, sie ist der Maßstab."