In unserem großen Einzelstück haben wir Serienmeister FC Bayern und seine drei ärgsten Verfolger unter die Lupe genommen. Nun checken wir die anderen 14 Vereine.
Vor jeder Saison stellen sich die gleichen Fragen. Wer könnte zum Überraschungsteam werden? Wem droht eine schwierige Saison? Viele Experten melden sich zu Wort. Behalten sie Recht?
Union Berlin: Aufstieg, Klassenerhalt, Conference League, Europa League – für Union ging es in den vergangenen vier Jahren immer steil nach oben. Das ist nun wohl nicht mehr möglich. Schon eine Steigerung um einen weiteren Platz würde die Qualifikation für die Champions League bedeuten – und wäre sicher die größte aller Sensationen. Aber einen wirklichen Absturz muss man auch nicht befürchten. Zwar schmerzt der Verlust von Torjäger Taiwo Awoniyi, doch mit Jordan Siebatcheu wurde ein vielversprechender Ersatz geholt. Hinzu kommen spannende Spieler wie Jamie Leweling, der Norweger Morten Thorsby oder der Portugiese Diogo Leite. Überhaupt ist es seit Jahren die Stärke von Union, dass man über einen extrem breiten Kader verfügt. Und dies scheint mehr denn je so. Prognose: Union spielt zumindest wieder um Europa mit.
SC Freiburg: Was war das für eine Saison für den SC: Qualifikation für Europa, lange um die Champions League mitgespielt und im Pokalfinale gestanden. Mehr geht nicht. Wirklich nicht? Was die Freiburger in diesem Sommer auf dem Transfermarkt gemacht haben, ist wieder aller Ehren wert. Das beste Beispiel: Für Abwehr-Überflieger Nico Schlotterbeck bekamen sie 20 Millionen aus Dortmund. Und ersetzten ihn durch Matthias Ginter, einen ablösefreien Weltmeister, der im eigenen Verein groß geworden war. Genial. Dazu wurde die Offensive in der Breite extrem verstärkt mit Michael Gregoritsch, der in Augsburg in der Sackgasse steckte, Daniel-Kofi Kyereh, dem vielleicht stärksten Zweitliga-Spieler des Vorjahres, und Ritsu Doan, der in seinem Leihjahr in Bielefeld Eindruck hinterließ. Prognose: Der SC ist sicher gewappnet für die Dreifach-Belastung und spielt wieder ums obere Drittel mit, ist Geheimtipp für die Champions League.
1. FC Köln: Sechs Neue hat der FC im Sommer geholt, doch der Hoffnungsträger ist ein anderer: Steffen Baumgart. Alle Neuen haben Potenzial, nachhaltig nachgewiesen in der Bundesliga hat es noch keiner. Doch so wie Trainer Baumgart in seinem ersten Jahr einzelne Spieler wie Salih Özcan und Anthony Modeste entwickelt hat und die im Vorjahr kaum verstärkte Mannschaft vom Relegations-Teilnehmer zum Europacup-Teilnehmer formte, so soll er es diesmal auch wieder machen. Ob das so wiederholbar ist, scheint fraglich, aber ein ähnlich beispielloser Absturz des FC wie bei der letzten Europacup-Teilnahme vor fünf Jahren scheint auch unwahrscheinlich. Prognose: Köln landet zwischen Platz acht und zwölf.
1. FSV Mainz 05: Schon oft mussten die Mainzer wichtige Leistungsträger ziehen lassen, aber diesmal verloren sie ein ungewöhnliches Duo. Moussa Niakhaté und Jeremiah St. Juste bildeten den Abwehrblock der Rheinhessen. Nun gingen sie gemeinsam, brachten aber zusammen auch rund 20 Millionen Ablöse ein. Die investierten die 05er unter anderem in den offensiven Mittelfeldspieler Angelo Fulgini, der zwar fünf Millionen kostete, dem transfermarkt.de aber einen Marktwert von zwölf Millionen attestiert. Prognose: Sollte die Abwehr stabil sein, bekommt Mainz keine Abstiegssorgen. Aber nur dann.
1899 Hoffenheim: Lange blühten Champions-League-Träume in Hoffenheim. Nach 25 Spieltagen der Vorsaison war die TSG Vierter, es folgte ein 1:1 gegen den FC Bayern – und danach nur noch zwei Punkte in acht Spielen. „Das 0:0 gegen Fürth, das war unentschuldbar. Die drei letzten Spiele waren inakzeptabel, das 1:5 in Mönchengladbach sogar peinlich", wetterte Mäzen Dietmar Hopp danach: „Ich glaube, es gibt keinen Zweifel, dass wir Konsequenzen ziehen mussten auf der Trainerposition und darüber hinaus." Nachfolger von Trainer Sebastian Hoeneß ist André Breitenreiter, der nach gutem Start in der Bundesliga verbraucht schien, sich mit dem überraschenden Meistertitel mit Zürich aber zurückmeldete. Hoffenheim zurück nach Europa zu führen, wird eine schwere Aufgabe, zumal die TSG auf dem Transfermarkt ohne Europacup-Einnahmen und -Belastung eher zurückhaltend agierte. Prognose: Hoffenheim landet zwischen Rang acht und zehn.
Borussia Mönchengladbach: Der frühere Aufsichtsratschef Marco Bode fühlt sich bei der Borussia an den Weg seines Clubs Werder Bremen erinnert. „Ich sehe da eine gewisse Analogie", sagte er dem „Spiegel": „Gladbach war für mich in den Vorjahren unter den Traditionsvereinen stets der Über-Performer. Jetzt ist das Risiko da, dass es in die falsche Richtung gehen könnte." Bei Werder hieß das: Abstieg 2021. Ob es so weit führt in Gladbach, ist fraglich.
Gladbach mit großen Problemen
Aber Anzeichen dafür, dass es automatisch wieder zurück nach Europa geht, halten sich auch in Grenzen. Prognose: Bis Schließung des Transferfensters am 2. September waren noch beidseitig viele Wechsel in der Schwebe, was eine Prognose schwierig macht. Doch obwohl Trainer Daniel Farke gut ankommt, scheint eine Rückkehr nach Europa in dieser Saison unwahrscheinlich. Und nach unten sollte man auf der Hut sein.
Eintracht Frankfurt: Wohl kein Verein in Deutschland und Europa hat in so kurzer Zeit so viele Sympathien erobert wie die Hessen bei ihrem Triumphzug zum Europa-League-Titel. Das und die zusätzlichen Einnahmen durch die dadurch garantierte Champions-League-Teilnahme nutzen sie, um Filip Kostic zu halten und Spieler wie WM-Goldjunge Mario Götze oder Leverkusens Edeljoker Lucas Alario zu holen. Auch der ablösefrei geholte Stürmer Randal Kolo Muani soll eine echte Granate sein. Prognose: Offensiv ist die Eintracht top. Sie spielt auf jeden Fall um Europa, bei optimalem Verlauf gar um die Champions League.
VfL Wolfsburg: Nach der letzten Horror-Saison mit wochenlangem Abstiegskampf und zwei verschlissenen Trainern kann es eigentlich nur besser werden. Dafür holte der VW-Club Ex-Bayern-Coach Niko Kovac und gab auch einiges für neue Spieler aus. Das Quartett Jakub Kaminski, Mattias Svanberg, Bartol Franjić und Patrick Wimmer, 20 bis 23 Jahre alt, kostete zusammen über 30 Millionen Euro.
Kovac setzt auf Disziplin
Wichtiger wird aber, dass Kovac dem Team wieder Disziplin und Fitness vermittelt. Prognose: Der Weg nach oben ist weit. Einige Schritte wird Wolfsburg aber gehen. Ob die bis Europa reichen, bleibt abzuwarten.
VfL Bochum: Das hatte wieder einen Hauch der legendären „Unabsteigbaren" aus den 80er-Jahren. Als Absteiger Nummer eins in die Saison gegangen, hielt sich der VfL stets fern von den Abstiegsrängen und setzte unvergessliche Highlights wie das 4:2 gegen die Bayern oder das 4:3 in Dortmund. Doch das Überperformen hat seinen Preis. Mit dem selbst ausgebildeten Abwehr-Duo Armel Bella-Kotchap und Maxim Leitsch, das immerhin 13 Millionen einbrachte, und Torjäger Sebastian Polter, gingen echte Stützen. Vor allem defensiv könnte der VfL Probleme bekommen. Prognose: Den Stempel „Abstiegskandidat Nummer eins" tragen die Bochumer schon wieder. Aber sie fühlen sich ja damit wohl.
FC Augsburg: Auch den Augsburgern wird seit Jahren beharrlich der Abstieg vorhergesagt, doch der FCA spielt seit 2011 ununterbrochen in der Bundesliga. Aber die nach außen so heile Welt zerbrach für viele, als im Saison-Endspurt erst Präsident Klaus Hofmann zurücktrat und dann Trainer Markus Weinzierl. Dessen Nachfolger Enrico Maaßen bescheinigen alle viel Potenzial, doch er hat keinerlei Bundesliga-Erfahrung. Und namhafte Transfers haben die Schwaben auch nicht getätigt. Prognose: Das wird eine ganz enge Kiste.
VfB Stuttgart: Was war das für ein Jubel, als der VfB nach verkorkster Saison sogar ohne Relegation die Klasse hielt. Doch der Transfersommer war holprig, weil gute Spieler zwar lange nicht gingen, die erhofften Einnahmen dafür aber nicht kamen. Das machte die Vorbereitung ein Stück weit zur Flickschusterei. Und macht es schwer absehbar, ob das Team, das letztlich an den Start gehen wird, stärker ist als das im Vorjahr. Prognose: Der VfB muss sich wieder nach unten orientieren.
Hertha BSC: Der nicht nur von Investor Lars Windhorst erhoffte Durchmarsch nach oben blieb weiter aus, und erst Altmeister Felix Magath verhinderte in der Relegation das ganz böse Erwachen. Mit ihm zog Manager Fredi Bobic den richtigen Joker, nachdem er mit Tayfun Korkut komplett danebengelegen hatte. Sandro Schwarz scheint nun ein Trainer, der der Hertha Leben einhauchen kann. Die Mannschaft hat einige interessante neue Spieler bekommen. Prognose: Zum großen Sprung nach oben wird die Hertha (noch?) nicht ansetzen können. Aber vielleicht spielt sie eine entspanntere Saison.
FC Schalke 04: Der direkte Wiederaufstieg war kein Selbstläufer. Und der Klassenerhalt wird es auch nicht. Der Abstieg war nicht nur ein reparierter Unfall, nach dem Schalke nun wieder automatisch um Europa mitspielt. Es ist ein anderer Verein, der da zurückgekehrt ist. Aber auch ein in vielem geläuterter, bodenständiger.
Augsburg könnte zittern
Es scheint so, als würden die Fans wissen, dass es eine harte Saison werden kann. Deren Unterstützung wäre für den Club wichtig. Prognose: Schalke muss sich hinten anstellen und nach unten orientieren. Der Klassenerhalt scheint aber machbar.
Werder Bremen: Für die Bremer gilt in mancherlei Hinsicht dasselbe wie für Schalke. Auch sie korrigierten den Abstieg direkt, auch sie müssen nun vermitteln, dass sie ein Aufsteiger sind und nicht mehr das Werder, das immer um Europa spielte. Mit Amos Pieper und Niklas Stark haben die Hanseaten ein vielversprechendes Abwehr-Duo geholt. Und Trainer Ole Werner leistete im Vorjahr ganz starke Arbeit. Prognose: Auch für Werder wird der Klassenerhalt ein hartes Stück Arbeit. Auch für Werder stehen die Chancen aber so schlecht nicht.