Als Drittliga-Absteiger und Vorjahres-Meister wollen Viktoria Berlin und BFC Dynamo in der kommenden Regionalliga-Saison ganz vorne mitmischen. Die Philosophie der Clubs unterscheidet sich gänzlich.
Eigentlich wollten weder Viktoria Berlin noch BFC Dynamo in der kommenden Saison in der Regionalliga Nordost starten. Doch Viktoria verpasste das Ziel Klassenerhalt in der 3. Liga auf der Zielgeraden, und Dynamo scheiterte in den Aufstiegsspielen knapp am VfB Oldenburg. Die Trauer darüber dauerte ein paar Tage, aber mittlerweile haben sich die Verantwortlichen an die Realität Regionalliga gewöhnt. Und auch die Vorfreude auf den Startschuss am 6. August hat sich inzwischen auf beiden Seiten eingestellt. Der Drittliga-Absteiger und der Vorjahres-Meister zählen zu den Mitfavoriten, doch wirklich seriöse Prognosen sind im Vorfeld kaum möglich. Klar ist aber, dass beide Clubs hohe Ambitionen haben – auch wenn sie dabei unterschiedliche Wege bestreiten.
VIKTORIA BERLIN
Die Himmelblauen aus Lichterfelde haben einen personellen Umbruch hinter sich, der größer kaum sein könnte. Aus dem Drittliga-Kader wurden nur Tobias Gunte, Jakob Lewald, Christopher Theisen, Firat Sucsuz, Moritz Seiffert und Enes Küc aufgrund laufender Verträge eine Liga tiefer mitgenommen. Doch dass all diese Spieler auch in der ersten Runde des DFB-Pokals am 30. Juli gegen Bundesligist VfL Bochum und eine Woche später beim Regionalligastart bei Carl Zeiss Jena auflaufen, ist unwahrscheinlich. „Derzeit planen wir mit ihnen auch für die kommende Saison, wissen aber auch um ihre Begehrtheit", sagte Sportdirektor Rocco Teichmann.
Alle Spieler mit einem auslaufenden Vertrag wurden verabschiedet, darunter auch die Leistungsträger Lukas Pinckert, Lucas Falcão und Christoph Menz. Um eine Weiterbeschäftigung haben sich die Verantwortlichen nicht wirklich bemüht. „Die Kaderplanung für die Regionalliga ist ganz anders als in der 3. Liga", erklärte Geschäftsführer Peer Jaekel. Viktoria will in der höchsten Amateurliga vorrangig Berliner Talente in den Fokus rücken, so Jaeckel, „wir verstehen uns nach wie vor als Ausbildungsverein, der den Weg in den Profifußball mitgestalten und ebnen kann".
Dass dies nicht nur leere Worte sind, zeigt dieser Fakt: Allein sechs Spieler der vereinsinternen U19-Bundesliga-Mannschaft rücken in den Kader des Herren-Teams auf. Einer von ihnen ist Abwehrspieler Mladen Cvjetinovic, der bosnische U10-Nationalspieler hatte schon in der Abstiegssaison Drittliga-Luft schnuppern dürfen und dabei überzeugt. Neben Youngstern aus dem eigenen Nachwuchs setzt Viktoria auch auf viele Rückkehrer wie Fatih Baca, Oliver Maric, Jeronimo Mattmüller, Samir Werbelow und Batikan Yilmaz, die den Verein bereits kennen und keine Eingewöhnungszeit benötigen dürften.
Auch bei der Neubesetzung der Trainerbank demonstriert Viktoria, dass die Club-Philosophie auf die Talente-Förderung ausgerichtet ist. Semih Keskin, der zuvor die erfolgreiche A-Jugend der Himmelblauen geführt hat, soll den „Berliner Weg", also Talente aus der Hauptstadt fordern und fördern, federführend umsetzen. „Das Entwicklungspotenzial unserer 19- bis 23-jährigen Spieler", so Jaeckel, „wollen wir auf unserem Weg zurück in den Profifußball ausschöpfen." Ob aber Jugend und Talent alleine reichen? „Die sportliche Basis für den Weg in den Profifußball ist vorhanden", ist sich Sportdirektor Teichmann sicher. In Sachen Infrastruktur und Marketing hat der traditionsreiche Club aber noch Nachholbedarf, das hat die Abstiegssaison klar aufgezeigt. Auch deswegen richtet das Team seine Heimspiele weiter im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark aus.
Und was macht Gesellschafter Zeljko Karajica? Der Unternehmer, der den Club einst vor der Insolvenz rettete, bleibt zumindest dabei. Den eingeschlagenen Weg, mit Talenten zurück in den Profifußball zu kommen, will er nachhaltig unterstützen – auch wenn er keine sofortige Rückkehr garantiert. „Der Verein birgt ein Riesenpotenzial", sagte Karajica: „Das gilt es auszuschöpfen und den Club weiter zu professionalisieren. Dabei gehen wir den nachhaltigen Weg und nicht den des schnellen Erfolgs."
BFC DYNAMO
Auch bei Dynamo sitzt beim Saisonstart am 6. August bei ZFC Meuselwitz ein neuer Mann auf der Trainerbank: Heiner Backhaus. Der 40-Jährige beerbt Meistertrainer Christian Benbennek, von dem sich die Clubführung nach dem verpassten Aufstieg in die 3. Liga überraschend getrennt hatte. Man habe „eine Stagnation der Entwicklung" bemerkt, gab der Club als Hauptgrund an. Benbenneks Arbeit in drei Spielzeiten war jedoch größtenteils erfolgreich, der erste Platz in der vergangenen Saison sogar herausragend. Auch deshalb steht Backhaus sofort unter Druck, weil er natürlich an der Arbeit seines Vorgängers gemessen wird.
Backhaus hat davor keine Angst, er wollte unbedingt zum DDR-Rekordmeister. Sogar so sehr, dass er einen Rückzieher vom bereits ausgehandelten Vertrag über drei Jahre mit dem Oberligisten Sportfreunde Lotte machte, als das Dynamo-Angebot kam. „Dynamo Berlin ist ein großer Traditionsclub und eine riesige Chance für meine persönliche Weiterentwicklung, die ich nach den Gesprächen nicht ablehnen konnte", begründete der Inhaber der A-Trainerlizenz seine Entscheidung.
Als Profispieler war Backhaus ein Wandervogel mit Stationen unter anderem in Deutschland, Malta, Zypern und Hongkong. Auch als Trainer ist er kein Unbekannter, zuletzt coachte er Rot-Weiß Koblenz in der Regionalliga West. „Die Weiterentwicklung der Mannschaft, die Flexibilisierung im taktischen Bereich, sowie die Integration neuer Spieler" – so lautet das Aufgaben-Profil des Vorstandes an Backhaus. Der neue Trainer kann auf das Grundgerüst der Meistermannschaft zurückgreifen, unter anderem bleiben Talent Joey Breitfeld und Abwehrchef Chris Reher dabei. Doch am wichtigsten war für den Coach und den gesamten Verein das „Ja" von Torjäger Christian Beck, der in der Vorsaison 23 Treffer in 38 Partien erzielt hatte.
Der frühere Zweitliga-Profi nimmt mit den Weinroten einen neuen Anlauf für den Aufstieg, was nach dem Aus von Benbennek nicht selbstverständlich war. Trainer und Torjäger hatten ein sehr vertrauensvolles Verhältnis gehabt, sodass auch über einen Abgang von Beck spekuliert wurde. Doch der 34-Jährige verlängerte seinen Vertrag bei Dynamo – sehr zur Freude des neuen Trainers, der ihn in einem Vier-Augen-Gespräch vom Bleiben überzeugte. „Das Gespräch war sensationell", verriet Backhaus, „er ist absolut professionell und klar in seinen Ansichten." Beck sei „eine schillernde Persönlichkeit", seine Vertragsverlängerung könnte auch eine „Signalwirkung" für andere Spieler gehabt haben, an denen Dynamo interessiert war. So gelang es dem Club unter anderem, Torhüter Matthias Hamrol aus Moldawien als neue Nummer eins zu verpflichten. In der Vorsaison war er beim Auftaktgegner Meuselwitz als Stammkeeper aufgelaufen.
„Wir wollten einen Kandidaten, der die Liga kennt und mit uns den nächsten Schritt in seiner Karriere machen will", sagte Backhaus, der über den 1,96 Meter großen Torhüter schwärmte: „Er strahlt im Tor eine brutale Ruhe aus und passt vom Alter her perfekt zu seinen Vorderleuten."