Am Beispiel des Pokalgegners Eintracht Braunschweig offenbart sich die Misere von Hertha BSC in dem Wettbewerb – die Statistik spricht jedenfalls klar für den „Underdog".
Schon zum sechsten Mal treffen diese beiden Vereine am Sonntag (18 Uhr) im DFB-Pokal aufeinander – seit 2018 ist dies sogar schon die dritte Begegnung. Wer dabei um die wenig erfolgreiche Geschichte von Hertha BSC in diesem Wettbewerb weiß, dürfte über folgende Statistik gegen Eintracht Braunschweig wenig verwundert sein: Obwohl beide Clubs nur in den beiden ersten Partien als Bundesligisten gegeneinander antraten und die Braunschweiger ansonsten als mindestens eine Klasse tiefer spielender Außenseiter an den Start gingen, konnte sich Hertha BSC nur einmal durchsetzen.
Braunschweig eine Art Angstgegner
Schon in den ersten Jahren der Bundesliga erwiesen sich die Ostniedersachsen im Duell der Gründungsmitglieder schnell als Gegner, der eher zu den unliebsamen der Berliner zählte: Erst im siebten Aufeinandertreffen im Dezember 1969 (zuvor vier Unentschieden, zwei Niederlagen) gelang der „Alten Dame" ihr erster Punktspielerfolg gegen die Eintracht. Im Januar 1965 dümpelten beide Teams in der Abstiegszone der Bundesliga (und Hertha musste im Sommer wegen manipulierter Bilanzen zwangsabsteigen) – und die Berliner kamen in der ersten Runde des DFB-Pokals vor knapp 8.000 Besuchern im Olympiastadion gleich mit 1:5 unter die Räder.
In den Reihen der Blau-Weißen spielten damals spätere Trainergrößen wie Willibert Kremer, Jürgen Sundermann oder Otto Rehhagel, während auf Braunschweiger Seite einige Akteure – inklusive Coach Helmut Johannsen – mitwirkten, die zweieinhalb Jahre später sensationell die Deutsche Meisterschaft erringen sollten. Es war der erste und bis heute einzige Titelgewinn der Blau-Gelben. Jahre später, Deutschland war gerade im eigenen Land zum zweiten Mal Fußball-Weltmeister geworden, schied Hertha BSC erneut in der ersten Runde gegen die Eintracht aus – im September 1974 gab es diesmal in Braunschweig eine 1:4-Niederlage nach Verlängerung. Das war zu Beginn der Spielzeit 1974/75, in der Hertha mit dem neuen Trainer Georg Keßler am Ende mit Rang zwei die beste Platzierung in der Bundesligageschichte einfahren sollte. Aufseiten des Widersachers war Bernd Gersdorff (1965 – 69 100 Spiele für Tennis Borussia) mit zwei Treffern maßgeblich am Eintracht-Sieg beteiligt – der gebürtige Berliner sollte 1976 zu Hertha BSC wechseln und ist dort immer noch in den Geschichtsbüchern verewigt wegen seines Tors, das er im Oktober 1977 zum ersten und bislang einzigen Sieg beim FC Bayern München (2:0) beisteuerte. Die Braunschweiger wiederum blieben aus dieser Zeit unter anderem in Erinnerung als erster Bundesligist mit Trikotwerbung – dem Hirschkopf eines Wolfenbütteler Kräuterlikörherstellers, der sogar in das Vereinswappen integriert wurde. Die seinerzeit auf einer Mitgliederversammlung beschlossene entsprechende Umbenennung des Braunschweiger Turn- und Sportvereins von 1895 durch Einbeziehung des Sponsors in den Namen wurde jedoch vom DFB als nicht konform mit den Statuten untersagt.
Nach dem Abstieg von Hertha BSC 1983 (Eintracht Braunschweig folgte zwei Jahre später) sollten sich beide Vereine nur noch in einer einzigen Bundesligasaison (2013/14, beide Partien gewann Hertha mit jeweils 2:0) auf höchster nationaler Ebene begegnen. Im DFB-Pokal führte das Los sie in der zweiten Runde der Spielzeit 2004/2005 wieder zusammen – Erstligist Hertha BSC hatte sich zuvor beim bayerischen Oberligisten TSV Aindling durch ein spätes Tor von „Zecke" Neuendorf mit 1:0 durchgesetzt, während die Braunschweiger als drittklassiger Regionalligist mit dem 1:0 nach Verlängerung gegen das seinerzeit eine Klasse höher spielende Team von Wacker Burghausen bereits erneut Qualitäten eines „Favoritenschrecks" unter Beweis gestellt hatten. Doch das schien nicht Warnung genug gewesen zu sein für die Reimer, Simunic, Dardai & Co. – nach dem 3:2 für die Gastgeber resümierte der „Kicker" jedenfalls: „Ein Klassenunterschied war zu keiner Zeit zu erkennen." Dabei waren die Berliner nach einer knappen Stunde noch schmeichelhaft durch Marcelinho in Führung gegangen, gerieten dann vor 21.000 Zuschauern im Eintracht-Stadion aber schnell in Rückstand. Wieder war es dann Neuendorf, der mit seinem Treffer zum 2:2 vorübergehend die Hoffnung erzeugte, dass die Blamage vermieden werden könnte. Dann aber kam es besonders bitter: Hertha-Trainer Falko Götz hatte just den kopfballstarken Alexander Madlung eingewechselt, als der gebürtige Braunschweiger und in der Eintracht-Jugend ausgebildete Verteidiger bei einer missglückten Rettungstat per Kopf ins eigene Netz traf.
Anfang vom Ende für Bruno Labbadia
So sollte es erst im vierten Anlauf für den ersten Berliner Sieg im DFB-Pokal gegen die Eintracht reichen – im Erstrundenspiel setzte man sich an einem Montagabend im August 2018 mit 2:1 durch. Auch hier wieder in der Konstellation „Dritt- gegen Erstligist" – lange Zeit schienen dabei nach einem traumhaften Volleyschuss von Marvin Plattenhardt vor der Pause die Weichen gestellt. Dann aber kamen die Braunschweiger in der Schlussphase doch noch zum Ausgleich – diesmal aber konterte Vedad Ibisevic postwendend mit einem klassischen Abstaubertor. Nach dem 2:0-Erfolg bei Darmstadt 98 war in jener Spielzeit dann jedoch im Achtelfinale zu Hause gegen Bayern München (2:3 n. V.) Schluss für die Mannschaft von Trainer Pal Dardai. Bruno Labbadia sollte zwei Jahre später eine solche Bilanz verwehrt bleiben – nachdem der Coach den Klassenerhalt als Feuerwehrmann erfolgreich bewältigt hatte, ereilte die Hauptstädter zum Saisonauftakt 2020/21 in Braunschweig ein ebenso ernüchterndes wie bizarres Pokal-Aus. Mit 4:5 – wohlgemerkt nach 90 Minuten – unterlagen die Blau-Weißen beim Aufsteiger in die 2. Liga, zu dem ein gewisser Martin Kobylanski allein drei Treffer, aber auch Herthas Maximilian Mittelstädt ein Eigentor zugunsten der Eintracht beisteuerte. Den vor allem defensiv vogelwilden Auftritt wollte Labbadia seinerzeit nicht zu hoch hängen, doch vier Monate nach dem Aus war im Januar 2021 auch schon wieder Schluss für den Trainer, und Pal Dardai musste als „Retter" die Kastanien aus dem Feuer holen. Nun also wird die Pokal-Hürde Eintracht Braunschweig auch zur Feuertaufe des neuen Trainers Sandro Schwarz – und zur Generalprobe für den Bundeslig-Auftakt das Wochenende darauf, wenn bereits das Stadtduell gegen den 1. FC Union ansteht.