Mit 20 Jahren ist Luca Kerber der jüngste Mannschaftsrat des FCS. Auch beim Auftakt gegen den SC Verl stand er in der Startelf. Das Eigengewächs darf sich mit Fug und Recht Stammspieler nennen.
Selbst erfahrene Spieler waren überrascht, als FCS-Trainer Uwe Koschinat „seine" Vertreter im Mannschaftsrat bestimmte. Dass er Manuel Zeitz als Kapitän nominieren würde, war absehbar. Aber dass der Name Luca Kerber auftauchte, hatte niemand auf dem Zettel. „Der Trainer hat es vorher mit mir besprochen, und ich war schon glücklich zu dem Zeitpunkt, auch ein wenig stolz. Ich bin gespannt, was genau da auf mich zukommt, denn vorher war ich noch nicht mit solchen Aufgaben betraut. Da ich aber mit erfahrenen Spielern im Mannschaftsrat bin, denke ich, dass ich mir da viel abschauen kann und auch recht schnell meine Aufgaben und meinen Platz finden werde", sagte Kerber und ordnete das Amt realistisch ein. Der Trainer habe ihm seine Entscheidung mitgeteilt und erklärt, dass er ihn als Jugendsprecher haben wolle, weil der FCS in letzter Zeit ja auch viele Jugendspieler dazubekommen habe: „Wenn die dann ein Anliegen haben, dass ich dann ihr Ansprechpartner bin, wenn die Ehrfurcht vor den großen Namen im Kader dann noch ein wenig zu groß ist. Und meine Antwort war ein klares Ja. Da muss man nicht lange überlegen.
Ansprechpartner für die neuen Talente
In der Wintervorbereitung während der Corona-Pause 2020 unter Lukas Kwasniok war das erste Mal, dass er bei den Profis mittrainieren durfte. Ausschlaggebend war ein Testspiel mit der U19 gegen den FC Homburg, in dem Kerber vor den Augen des Trainers ein gutes Spiel machte: „Danach gab es ein Gespräch, in dem mir mitgeteilt wurde, dass ich meine Chance bekommen würde, wenn ich körperlich drauflegen würde. Da ich dann mein Abi schon geschrieben habe, hatte ich dann Zeit, viel zu laufen und mich eben körperlich zu verbessern." Die Geschichte seines ersten Trainings war dann kurios, denn Kerber war mitten in seinem morgendlichen Lauf, als NLZ-Leiter Karsten Specht anrief, um ihm zu sagen, dass er mittags im Training der Profis dabei sei. Also bin ich auf halbem Weg umgedreht und wieder nach Hause gelaufen und kurz danach dann mit der Ersten Mannschaft auf den Trainingsplatz. Die Wintervorbereitung war dann kurz und ich habe einen ordentlichen Eindruck hinterlassen können", blickt Kerber zurück. Doch der Sprung ins kalte Wasser kam umgehend, auch weil der damalige Trainer den Mut hatte, ein Talent zu bringen: „Dass ich dann im ersten Spiel gegen Meppen spiele, war für mich schon überraschend. Vor der Mannschaftssitzung hat mich Lukas Kwasniok zu sich gerufen und mir mitgeteilt, dass ich von Anfang an spielen werde. Ich war sowieso schon voller Vorfreude, weil ich zum ersten Mal im Kader war, dass ich dann von Anfang an spiele, war überraschend, aber hat die Vorfreude noch mal größer gemacht", sagt Kerber, der seitdem fast durchgehend zur Stammelf der Blau-Schwarzen gehört: „Es ging da wirklich alles sehr schnell, zu diesem Zeitpunkt habe ich auch noch voll studiert, und es waren wirklich stressige Wochen. Mit der Roten Karte von Manuel Zeitz konnte ich mich dann festspielen. Ich hatte einfach auch sehr viel Glück und war zur richtigen Zeit am richtigen Ort."
Seitdem ist mehr als ein Jahr vergangen. Kerber hat einen langfristigen Vertrag unterschrieben, und sein Trikot ist im Fanshop des Drittligisten sehr beliebt. Im Gegensatz zu anderen Profifußballern ist er in den sozialen Medien zurückhaltend unterwegs. Den Rummel um seine Person nimmt er gelassen: „Das war für mich nie wirklich ein Problem. Ich war schon immer eher ein ruhiger und bescheidener Mensch, deshalb hat sich für mich dabei nicht viel verändert, außer, dass sich alles auf Fußball konzentriert. Aber ansonsten habe ich mich da nicht verändert, bin immer bei mir geblieben und habe mich davon nicht aus der Ruhe bringen lassen. Damit bin ich eigentlich immer gut gefahren. Klar, war Profi zu werden auch immer irgendwo mein Ziel. Aber dass es dann so schnell geht, war nicht zu erwarten. Ich habe ja auch ganz normal mein Abitur gemacht, war dann zwei Monate jobben, um ein wenig Geld zu verdienen. Dann ist es ganz schnell auf einmal passiert."
Mehr Torgefahr entwickeln
Mittlerweile haben sich die Schwerpunkte des jungen Mannes aus Dillingen verändert. Das Hauptstudium hat er abgebrochen und ist an eine Fern-Uni gewechselt. „Ein klassisches Studium konnte ich nicht mehr weitermachen, habe deshalb umgestellt auf ein Fernstudium. Das war mir wichtig. Man sollte niemals damit planen, Profi zu werden, es kann alles viel zu schnell vorbei sein oder sich verändern."
Deswegen läuft das Studium nicht einfach so nebenher. Kerber ist ehrgeizig, auf und neben dem Platz: „Ich versuche da schon ein ordentliches Tempo an den Tag zu legen. Es könnte auch mal sein, dass ich einen Tag nichts mache, aber normalerweise versuche ich, auch wenn ich gar keine Lust habe, eine Stunde zu lernen und die Dinge aufzuarbeiten. Eine Stunde am Tag bekommt man normal immer hin", erzählt der 20-Jährige.
Sein Werdegang ist beeindruckend, Einladungen zu Lehrgängen der Junioren-Nationalmannschaft sind beim FCS nicht die Regel. Und so stellen sich viele Fans die bange Frage, wie lange Kerber noch bei den Blau-Schwarzen auflaufen wird. Darauf angesprochen reagiert er wie immer ruhig und gelassen: „Das Ziel so hoch wie möglich zu spielen und so viel wie möglich zu spielen, sollte jeder Profi haben. Aber da habe ich mir wie bei allem nicht so viele Gedanken darüber gemacht. Ich versuche einfach im Hier und Jetzt mein Bestes zu geben und das Bestmögliche herauszuholen. So hat der Sprung zu den Profis geklappt und deshalb lebe ich auch in dieser Phase im Hier und Jetzt." Ohnehin sieht sich das Kraftpaket noch nicht ansatzweise am Leistungslimit. „Ich muss in der Organisation besser werden, mehr kommunizieren. Das ist der nächste Schritt, den ich gehen muss. Mehr Torgefahr auf den Platz zu bringen, muss auch ein weiteres Ziel sein. Ein paar Scorer zu sammeln, ist auf meiner Position nie verkehrt", sagt er und berichtet von seinem bisher einzigen Tor in der vergangenen Hinrunde gegen Eintracht Braunschweig. Und es war ein richtig schönes. „Das ging alles so schnell. Ich lege mir den Ball vor und treffe ihn optimal, sehe dann einen Moment lang, dass der Ball kerzengerade auf den Winkel zufliegt und dann war es einfach nur pure Freude", erinnert er sich und blickt voraus: „Intern haben wir uns vorgenommen, eine bessere Saison zu spielen als in den vergangenen beiden Jahren. Die 60-Punkte-Marke wollen wir knacken und dann schauen, wo die Reise hingeht." Er selbst könnte eine tragende Rolle dabei spielen.