Menschen brauchen Symbole, Zahlen, Daten, um sich zu orientieren. Kein Verein ohne eigenes Logo, kein Kegelclub ohne eigens bedruckte T-Shirts für den Flug nach Mallorca. Lebensmittel brauchen eine Ampel und Kirchtürme gelegentlich eine Regenbogenfahne. Weihnachten und Ostern sortieren die Jahresplanung. Weil unsere Gesellschaft immer zersplitterter wird, häufen sich auch andere Jahrestage. Als Lieblingstage zu empfehlen: Welt-Nichts-Tag (16. Januar), Kauf-Nix-Tag ( 26. November) oder der Weltschildkrötentag ( 23. Mai). Der 11. September ist übrigens der Tag der Erinnerung, zum Beispiel daran, dass es auch einen World Overshoot Day gibt. Dieser Welterschöpfungstag sagt, ab wann wir mehr verbrauchen, als uns zur Verfügung steht oder sich auf natürliche Weise wieder regenerieren kann, wir also über unserer Verhältnisse leben. Das ist bekanntlich immer früher im Jahr der Fall.
Nach Berechnungen haben wir, die Weltbevölkerung, also Du und Ich und ein paar Milliarden andere unserer Spezies zum letzten Mal vor einem halben Jahrhundert nur soviel Ressourcen verbraucht, wie zur Verfügung stehen. Seitdem ist Ausbeutung angesagt. Würden alle so leben wie wir in Deutschland, bräuchten wir noch zwei zusätzliche Erden. Na und? Immerhin war der World Overshoot Day am 28. Juli ein paar Tage in ziemlich vielen Schlagzeilen – und hat damit seine Aufgabe erfüllt. Dann muss damit aber auch genug sein. Wir reden ja auch nicht das ganze Jahr durch über all die anderen wichtigen Tage, über manche sogar gar nicht. Und dass dieser Welterschöpfungstag immer früher im Jahr markiert werden muss, wissen wir jetzt auch schon lang genug. Also nichts Neues am Horizont. Die Schlagzeilenpflicht samt zugehörigen Pflichterklärungen sind erledigt. Weiter geht’s. Außerdem haben wir derzeit andere Sorgen. Auf dem Gebiet der Ukraine wird gerade sehr viel Militärgerät verbraucht, am Ende droht ein kalter Winter. Und das nach den Erschöpfungen aus zwei Jahren Corona. Eigentlich müsste jeder Tag Erschöpfungstag sein. Weil das dann nichts mehr Besonderes wäre, könnte er auch gleich wieder abgeschafft werden. Was also bringt so ein Welterschöpfungstag? Kurz daran denken, dass wir gerade dabei sind, die dritte Welt zu verbrauchen, könnten wir auch am „Tag der Erinnerung". Bis zum Weltkindertag neun Tage später dürfte das dann aber auch wieder vergessen sein.