Drittligist SV Elversberg hat am Samstag in der ersten Runde des DFB-Pokals Bayer Leverkusen aus dem Wettbewerb befördert. Der Aufsteiger in die 3. Liga schlug die Rheinländer mit 4:3 und erntete viel Lob.
Mehr Sensation geht eigentlich kaum. Nach dem Triumph gegen Bayer Leverkusen lagen sich die Spieler des Drittligisten SV Elversberg jubelnd in den Armen und genossen die Ovationen der Fans. Mit dem 4:3 schaffte der Aufsteiger vergangenes Wochenende vor 7.414 Zuschauern an der Kaiserlinde eine dicke Überraschung und damit den Sprung in die zweite Runde. „Ich bin überglücklich über den Sieg und die Art und Weise, wie wir gespielt haben", sagte SVE-Trainer Horst Steffen. „Die Jungs haben mächtig geliefert. Sie haben ein Riesenspiel gemacht. Von mir aus kann es so weitergehen."
Jannik Rochelt in der 2. Minute, Kevin Koffi (17.) per Foulelfmeter, Luca Schnellbacher (37.) und Kevin Conrad (74.) trafen für den mutig aufspielenden Außenseiter, der dem Champions-League-Starter an diesem Tag immer einen Schritt voraus war.
Ein Klassenunterschied war eigentlich nie feststellbar. Die Tore von Adam Hlozek (5.), Charles Aránguiz (30.) und Patrik Schick (89.) reichten dem pomadig auftretenden Bundesligisten nicht zum Weiterkommen. „Wir haben durch die erste Halbzeit gemerkt, dass hier etwas drin ist. Es war ein super Spiel. Diese Mentalität, sich reinzuhauen und selbstbewusst aufzutreten, gefällt mir", sagte Steffen. Es dauerte keine 120 Sekunden bis zum ersten Torschrei. Rochelt spazierte mit dem Ball am Fuß durch die Bayer-Abwehr und überwand Gäste-Torwart Lukas Hradecky mit einem Flachschuss. Die Freude über die frühe Führung währte jedoch nicht lange, denn Leverkusen antwortete umgehend. Neuzugang Hlozek hämmerte den Ball aus 18 Metern zum schnellen Ausgleich ins Netz. Elversbergs Torwart Nicolas Kristof sah in der Szene nicht gut aus, zeichnete sich danach aber zweimal mit tollen Reflexen gegen Leverkusens Torjäger Schick aus. Der Drittliga-Tabellenführer hielt weiter stark dagegen und schaffte die erneute Führung. Aránguiz brachte Torschütze Rochelt im Strafraum zu Fall, den fälligen Strafstoß verwandelte Koffi sicher. Nach einer halben Stunde bügelte Aránguiz seinen Fehler wieder aus, als er nach Vorlage von Sardar Azmoun das 2:2 erzielte. Zwei Minuten später traf Azmoun nur den Pfosten. Und weiter ging die wilde Fahrt. Nun war wieder die SVE am Zug. Koffi tankte sich auf der linken Seite durch und passte in die Mitte, wo Schnellbacher aus vollem Lauf vollendete. Wieder sah die Bayer-Abwehr nicht gut aus.
Steffens Team auch spielerisch besser
In der Pause reagierte Leverkusens Trainer Gerardo Seoane und brachte mit Paulinho und Kerem Demirbay zwei neue Mittelfeldspieler. Besser wurde das Spiel der Gäste dadurch nicht. „Wir haben nicht gut gespielt – weder offensiv noch defensiv. Die Leistung war heute in allen Belangen ungenügend", resümierte Seoane. Vielmehr hatten die Hausherren weiter die besseren Chancen und belohnten sich durch Conrads Treffer für ihre Bemühungen. Schicks Anschluss kurz vor Schluss kam für den Favoriten zu spät.
„Wir müssen Ursachenforschung betreiben, warum wir physisch und mental nicht auf der Höhe waren", kündigte der 43-Jährige kurz nach dem Spiel an. Auch Mittelfeldspieler Robert Andrich forderte eine schonungslose interne Aussprache. „Das war von Anfang an eine Katastrophenleistung von uns – sowohl offensiv wie auch defensiv. Wir waren immer einen Schritt zu spät, gedanklich nicht schnell genug. So kann es nicht weitergehen, das werden wir ansprechen. Da sind alle im Boot", sagte der 27-Jährige. „Wir hatten eine tolle Vorbereitung und denken, wir sind die Tollsten. Und dann verlieren wir in Elversberg, und alles löst sich in Luft auf", polterte Lukas Hradecky. Einmal in Fahrt, legte der 32-Jährige verbal nach. „Wir sind mit allen anderen Sachen beschäftigt als Fußball zu spielen. Mit dem Schiedsrichter, den Zuschauern, dem Platz – überall war negative Energie. Das sah schrecklich aus. Mit so vielen Gegentoren schaffst du nix", schimpfte Hradecky und lobte den Gegner: „Die hatten Räume und haben gespielt wie Barcelona."
Noch keine Niederlage im Jahr 2022
Auch Sport-Geschäftsführer Simon Rolfes war geschockt von dem Auftritt vor 7.414 Zuschauern, der so gar nicht als Mutmacher für den Bundesliga-Auftakt bei Vizemeister Borussia Dortmund am Samstag taugte. „Jeder Einzelne muss sich vorwerfen lassen, dass ganz, ganz viel gefehlt hat, um erfolgreich zu sein. So geht es natürlich nicht. So wirst du gegen keinen Gegner gewinnen – weder im Pokal noch in der Bundesliga", sagte er gegenüber der „Bild".
Für die SVE hingegen hätte der Saisonstart nicht besser laufen können. Zuerst der überzeugende Sieg gegen Rot Weiss Essen, nun der nicht unverdiente Sieg gegen den Champions-League-Teilnehmer. Horst Steffen kann zu Recht völlig zufrieden auf die vergangenen Wochen zurückblicken. Seine Mannschaft ist im gesamten Jahr 2022 bisher noch ungeschlagen. Das soll auch gegen den 1. FC Saarbrücken am Wochenende so bleiben. Der FCS ist zwar erfolgreich in die neue Saison gestolpert, hat jedoch einige Schwächen offenbart – ganz im Gegensatz zur SVE, die sich offenbar nur noch selbst schlagen kann. Allen voran ist es die Offensive, die den FCS vor Probleme stellen wird. Jannik Rochelt entpuppt sich als Glücksgriff, konnte sowohl in der Liga als auch im Pokal absolut überzeugen. Kevin Koffi erlebt wohl den zweiten oder dritten Frühling seiner Karriere. Gold wert ist jedoch die Doppelsechs mit Thore Jacobsen und Carlo Sickinger. Beide Spieler verfügen über Erfahrung in höheren Spielklassen, vor allem Jacobsen zeigte sich auch gegen Leverkusen spritzig und gedankenschneller als mancher Profi aus der Ersten Liga. Für den FCS wird es schwer, die Euphoriewelle der SVE zu stoppen. Sicherlich wird es ein Saar-Derby, wie es die Fans seit Langem nicht erlebt haben. Die SVE geht nach den letzten Eindrücken leicht favorisiert in die Partie.