Das Kostenlos-Fernsehen ist seit Juli mit dem neuen digitalen TV-Standard DVB-T2 HD zu Ende – zumindest für diejenigen, die über Antenne auch private Programme sehen wollen. Bei den öffentlich-rechtlichen Sendern ARD, ZDF und Co. ist jedoch die Bildqualität besser geworden.
Bis zur letzten Sekunde wurde an Sendemasten und der heimischen Hardware alles startklar gemacht. Denn Deutschland hat seit dem Frühjahr sein ganz eigenes, hochauflösendes, terrestrisches Zukunftsfernsehen. „Die modernste Technik in Europa für die Übertragung von Bildqualität und hochauflösendem Fernsehen“, sagt Thomas Schinzel von Media Broadcast. Das Level des HD-Antennenfernsehens nach deutschem Zuschnitt sei so hoch, dass derzeit Frankreich, England, Österreich und andere Länder neidisch herüberschauten. Die Settop-Box, mit der alte TVs aufgerüstet werden, oder der neue Fernseher müssen allerdings den Übertragungsstandard DVB-T2 und den Videostandard HEVC beherrschen – sonst bleibt der Bildschirm schwarz.
Schaltet man hin und her zwischen HD-Fernsehen via Internet und dem neuen digitalen, terrestrischen TV, das mit einer komprimierten Video-Technologie mehr Bildqualität über weniger Frequenzen holt, fallen 3D-ähnliche Tiefe und fast zu üppige Weichzeichnung auf. Einerseits ist es beeindruckend, was mit einer DVB-T2-HD-Settop-Box aus einem „alten“ Fernseher und seinen Inhalten von ARD, ZDF, SR, BR und den anderen gebührenfinanzierten Programmen herausgeholt werden kann.
für Freischaltung ist Settop-Box erforderlich
Andererseits ist es bedauerlich, dass über den werbeintensiven, privaten Programmen Verschlüsselungssymbole in der Übersicht querliegen, wenn man keine auf „Freenet TV“ abgestimmten Geräte verwendet und nicht für ein Freenet-Jahresabo 69 Euro zahlt. Die Privaten können nach einer kostenfreien Drei-Monats-Testphase seit Juli terrestrisch nur noch dann gesehen werden, wenn in Fernseher oder Settop-Box ein Decoder-Modul/-slot (CI+) verbaut wurde und der Nutzer im Fachmarkt eine Karte mit zwölfstelligem Freischaltcode gekauft hat. Schinzel: „Freenet TV ist nicht free. Wir holen auf, hin zu einem marktüblichen Preis für alle Aufwendungen“. Sein Argument: „Terrestrik steht im Wettbewerb mit dem Kabelangebot“.
Wer also nicht über Kabel oder Internet fernsieht und auch private Programme im Angebot haben will, braucht eine Settop-Box oder einen Fernseher, die das grüne DVB-T2 HD-Logo oder/und das Freenet-Logo aufgeklebt haben. Diese signalisieren, dass sie für das Freenet-Angebot aus öffentlich-rechtlichen plus bezahlpflichtigen, privaten Sendern empfangsbereit und entschlüsselbar sind. Zusätzlich muss man sich für 69 Euro Jahresgebühr im Handel sogenannte „Gutscheine“ besorgen, auf denen Codes freizurubbeln sind. Erst die Eingabe der Zahlenkombinationen dieser Karten geben die Sicht auf die Privaten via DVB-T2 HD frei.
Kein Logo tragen DVB-T2 HD-Geräte, die nur für die öffentlich-rechtlichen Programme via Antennenempfang ohne Decodier-Modul gebaut sind. Für deren Kauf sollte man sich beraten lassen oder die Beschreibung gut nachlesen. Die Senderwahl bleibt hier auf etwa 20 öffentlich-rechtliche Programme beschränkt, für die jeder Haushalt seine Pflichtgebühren bereits bezahlt hat. Komfort-Funktionen, wie zeitversetztes Fernsehen und Aufzeichnen auf einer Festplatte, sind – anders als früher mit DVB-T – jedoch künftig möglich.
Das gilt auch bei sogenannten USB-Sticks für PC, Laptop und MAC, mit denen auf Laptops oder Tablets das neue Antennenfernsehen in hoher Bildqualität zu sehen ist. Ohne Logo und damit ausschließlich für ARD, ZDF und ihre Sparten- und Regionalsender geeignet sind beispielsweise USB-Sticks von Pearl (ab 45 Euro), wie der auvisio DVB-T/T2-Empfänger mit SCART, HDMI und USB-Mediaplayer, HEVC/H.265 (ZX-2515), oder der EyeTV T2 (Hybrid) TV-Tuner-Stick, DVB-T/DVB-T2, USB 2.0 (130 Euro) von Geniatech, der besonders auf gute Sicht in Verbindung mit Apple-Geräten setzt. Neu ist ein Freenet USB TV-Stick, der pünktlich für 59 Euro in den Handel gekommen ist, für alle, die private Sender auf PC, MAC oder Laptop sehen wollen.
Bislang ist terrestrisches Fernsehen vor allem fürs Zweitfernsehen interessant, wenn die Internetverbindung mal wieder muckt oder die eingeforderten Datenfluten eines Haushalts nicht bewältigt. Als Hauptfernsehen aber auch in Regionen, in denen es am schnellen und datenreichen Breitband noch hapert. Eine gute Ergänzung ist DVB-T2 HD für den Fall der Deckelung des herunterladbaren Datenvolumens, der vor allem in neueren Provider-Verträgen vorgesehen sein kann.
Im Camping-Urlaub und am Badesee kann DVB-T2 HD ebenso dabei sein. Die Landesrundfunkanstalten und Media Broadcast versprechen sich für die Zukunft intensivere, mobile Nutzung. Mit einer hochauflösenden Bildqualität, die besser als Internet- und Kabel-HD sein soll und mit Privatprogrammen, die im „Freenet“-Paket ein wenig billiger als die Konkurrenz sind. Mit ARD, ZDF, ihren Sparten- und Landesprogrammen, die regional unterschiedlich zu haben sind und an den Rändern der einzelnen Bundesländer vorerst noch gar nicht – aus Gründen der kulturellen Landeshoheitspolitik und der damit verbundenen Frequenzen-Abschottung.
Helwin Lesch vom Bayerischen Rundfunk (BR): „Die ARD will die terrestrische Verbreitung durch mehr Programme und bessere Videoqualität attraktiver machen.“ Auch durch die „massentaugliche, mobile Nutzung von Live TV“ als Alleinstellungsmerkmal. Auf 55 Millionen Einwohner erhöhe sich die Reichweite für Freenet, berichtet Schinzel. Mike Deckert von Geniatech weist auf Full-HD mit Tempo hin: „Ich bin live dabei, nicht erst, nachdem mein Satellit-Nachbar schon gejubelt hat.“
Auch in Gegenden, die generell noch auf schnelles Internet warten, gibt es nun via Antenne hochauflösendes Fernsehen. „DVB-T2 HD hat die Abhängigkeit der Verbraucher und Sender von Dritten deutlich verringert“, sagt Lesch.
Nach Frequenzverkäufen sollen sich die Kosten in der Verbreitung um mindestens 15 Prozent reduzieren. Das könnte Geld für die Programminhalte freimachen. Von ARD und ZDF werden künftig fünf Sender bundesweit ausgestrahlt. Hinzu kommen regionale Programme oder Angebote aus anderen Bundesländern, die bei ausreichender Nähe via Senderverfolgung verfügbar sind, beispielsweise der BR in zwölf Bundesländern.
Jochen Mezger, beim IRT für Netztechnologien zuständig, verspricht: „Ein Empfang mit Zimmerantenne wird vielfach stabil möglich sein“. ARD-Mann Lesch ergänzt: „Das Signal ist robuster als bisher, im Grundsatz. Die Empfangssituation kann man nicht für jeden Ort gleichmachen. Das hängt von der Frequenz ab.“
Noch ist aber nicht überall DVB-T2 HD: Wem die Magic Night Ende März noch kein leistungsstarkes HD-Antennen-Fernsehen bescherte, der muss auf spätere Umrüstungsstufen seiner nahe gelegenen Sendemasten warten. Auf den Webseiten von ARD und ZDF beziehungsweise von Freenet gibt es einen Postleitzahlen-Check zur Verfügbarkeit. Franken beispielsweise wird erst im November die „harte“ Umstellung beschert. Andere Regionen in Deutschland sind erst zwischen 2018 und 2019 bei der neuen Technologie dabei.
Noch nicht alle Regionen sind umgestellt
Lesch: „Wir sind überzeugt, dass wir mit DVB-T2 das momentan beste HD-Fernsehen bestreiten.“ Die Forschung für DVB-T2 HD gehe weiter. „Wir arbeiten mit dem Institut für Rundfunktechnik für die Signalzuführung zusammen.“ Dennoch will auch das Antennenfernsehen im Streamingzeitalter von Datenströmen über das Netz nicht ganz aufs Internet verzichten. Fürs interaktive Fernsehen will man mit IP-basierten „Connect“-Angeboten am Ball bleiben. Soll heißen, man sieht beispielsweise auf seinem Laptop via USB-Stick Antennenfernsehen und schaltet sich über die Internetverbindung in die Zusatzangebote ein.
Spezielle Neuerung zur DVB-T2 HD-Einführung: „Erstmals gibt es eine Verlinkung aller Internet-Angebote der Öffentlich-Rechtlichen zusammen“, verkündet Lesch.
Sehr aufgeräumt, übersichtlich und gut zu finden sind auf dem Portal sämtliche Programm-, Mediathek- und Info-Angebote, die aus Gebührengeldern finanziert werden.