Die Region Grand-Est bezahlt seit Sommer das Schulgeld für französische Azubis, die im Saarland lernen und in Frankreich zur Berufsschule gehen. Ein Argument für Saarbetriebe, verstärkt über die Grenze zu schauen. Doch die Widerstände sind groß, so die saarländische Arbeitsagentur.
Einen Beruf in der französischen Heimat und im Saarland erlernen – noch ist das ein Ausnahmefall. Dabei sind rein statistisch die Voraussetzungen gegeben. Die Jugendarbeitslosigkeit in Lothringen ist hoch, im Saarland wesentlich niedriger. Soweit können sich beide Seiten einigen, jedoch haben die französischen Jugendlichen andere Ansprüche an ihren Ausbildungsplatz. „Da fangen die Unterschiede ja schon an“, erklärt Franziska Prinz von der Arbeitsagentur Rheinland-Pfalz/Saarland. Sie und ihr Kollege Julien Robichon betreuen seit Januar dieses Jahres deutsche und französische Azubis, die jenseits der Grenze ihre Ausbildung starten wollen, von Saarbrücken aus. Finanziert wird das Programm auch durch die Region Grand-Est. „Unsere Aufgabe ist es, Betriebe und Jugendliche zu finden, die eine grenzüberschreitende Ausbildung machen wollen.“ Bereits jetzt gibt es in der Region 220.000 Grenzgänger, der demografische Wandel schafft jedoch mehr und mehr eine deutliche Schieflage für die Saar-Betriebe: 6.200 freie Ausbildungsstellen verzeichnete die Arbeitsagentur im vergangenen Jahr, aber nur 5.200 Bewerber. Jenseits der Grenze, wo die Arbeitslosenzahlen hoch sind, läge also Potenzial.
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ie Internationale Arbeitsmarktbeobachtungsstelle (IBA) errechnete eine Arbeitslosigkeit von 29,1 Prozent in Lothringen bei den 15- bis 24-Jährigen, im Saarland sind es knapp zwölf
Prozent, das ist deutlich weniger als im EU-Durchschnitt (circa 20 Prozent). Viele Möglichkeiten auf beiden Seiten der Grenze, die von den Mitarbeitern der Arbeitsagentur genutzt werden sollen. Und ein Grund, warum sich neben den Kammern auch französische Partner an diesem Projekt beteiligen. Das Bohren dicker Bretter beiderseits der Grenze gehört dabei zum täglichen Geschäft: zum Beispiel den Unternehmen im Saarland die positiven Auswirkungen französischer Azubis auf Kundenzufriedenheit, einen erweiterten Kundenstamm und Unternehmenskultur zu erklären; auf Lothringer Seite die Akzeptanz des deutschen dualen Ausbildungssystems – Berufsschule und Betriebsausbildung – zu erhöhen. Denn das stark verschulte Ausbildungssystem in Frankreich sieht momentan noch elitär auf eine duale Ausbildung herab, die in Deutschland als Erfolgsmodell gilt.
Um die Jugendlichen in Frankreich auf eine Ausbildung im Nachbarland aufmerksam zu machen, haben Prinz und Robichon bereits zahlreiche Informationsveranstaltungen für Berufseinsteiger dies- und jenseits der Grenze besucht, darunter auch „Tage der offenen Türen“ in den Berufsschulen, die an dem grenzüberschreitenden Programm beteiligt sind. Es gibt Jobmessen, zu denen die Agentur gezielt französische Jugendliche einlädt, aber auch direkte Ansprachen vor Ort in den französischen Schulen, „bevorzugt in den Abgangsklassen der allgemeinbildenden Schulen, um in der Orientierungsphase schon präsent zu sein“, erklärt Prinz. Erst kürzlich saß sie mit den Schulleitern der beteiligten Schulen zusammen, um gemeinsam zu überlegen, wie sie die Schüler für das nächste Ausbildungsjahr ansprechen. Und zur interregionalen Jobmesse im Mai hatte die Arbeitsagentur auch Jugendliche aus Lothringen eingeladen und sie vor Ort bei der Jobsuche begleitet. „Daraus haben sich wiederum Beratungsgespräche ergeben.“
Das erste Fazit: Seit 2014 gibt es ein Rahmenabkommen zwischen dem Saarland und der Nachbarregion, jetzt Grand-Est, dass es Franzosen ermöglichen soll, sich im Saarland ausbilden zu lassen. Die Option für Jugendliche gibt es also bereits seit drei Jahren. Dennoch war dies oftmals kaum bekannt, glaubt Prinz – es fehlte schlicht an Mitarbeitern, die aktiv dieses Projekt vorantrieben. Netzwerken, sichtbar werden war also zunächst die Hauptaufgabe der beiden neuen Mitarbeiter der Arbeitsagentur in ihrem ersten Halbjahr.
Probleme mit Sprache und Ausbildungssystem
„Wir verorten uns in der Mitte zwischen den Jugendlichen und Ausbildungsbetrieben, das heißt, es gibt verschiedene Szenarien, wie beide zueinander finden können“, sagt Prinz. „Wir suchen den passenden Bewerber für ein Unternehmen oder das passende Unternehmen für einen Bewerber“ – auch für französische Betriebe, die einen Deutschen ausbilden möchten. Doch die Erfahrung zeigt: Nur wenige Deutsche suchen den Weg in französische Betriebe, viel mehr Bewerber kommen aus Lothringen, um im Saarland nach der Ausbildung einen Job zu finden.
Doch auch hier haben die Berater gegen Widerstände zu kämpfen, zum einen wegen der unterschiedlichen Ausbildungssysteme und deren Image, zum anderen wegen der völlig unterschiedlichen Zeiten in beiden Ländern, in denen Azubis nach Ausbildungsbetrieben suchen oder Betriebe nach potenziellen Auszubildenden Ausschau halten. „In Deutschland beginnen die Unternehmen schon ein Jahr vorher mit der Suche nach Azubis. Nach den Abiturprüfungen in Frankreich entscheidet es sich bei vielen erst im Mai oder Juni des Jahres, ob sie einen Studienplatz erhalten oder doch besser einen Ausbildungsplatz suchen – für viele deutsche Unternehmen ist das schon viel zu spät. Also müssen wir die Jugendlichen sensibilisieren, dass sie sich frühzeitiger bewerben, und die Unternehmen, dass sie sich gedulden“, erläutert Prinz. Außerdem sei die Sprache noch immer ein massives Problem – immer weniger Jugendliche jenseits der Grenze würden Deutsch sprechen.
Sicherlich förderlich: eine Harmonisierung des grenzüberschreitenden Nahverkehrs, seit langen Jahren Thema beim Gipfel der Großregion, aber noch immer eine Großbaustelle. Deshalb sehen die Ausbildungsvermittler auch genau hin, wie die Azubis zum Betrieb kommen – auch französische Azubis erhalten Kilometergeld, wenn sie pendeln.
Die Zahl der vermittelten Jugendlichen ist noch gering – und wird auch nicht zu einem Massengeschäft werden. „Von 2014 bis 2016 haben wir knapp 20 Ausbildungsverträge abgeschlossen“, sagt Prinz. Dazu sei auch die Betreuung beider Seiten zu intensiv, die Systeme zu unterschiedlich. Doch auf französischer Seite tut sich etwas – Präsident Emmanuel Macron will das französische Ausbildungssystem reformieren, und das bereits im kommenden Herbst. Neu ist nun auch, dass der Regionalrat von Grand-Est das in Frankreich zu zahlende Schulgeld für Azubis übernimmt. Dies war zuvor Sache der ausbildenden Unternehmen, die französische Bewerber in Betracht ziehen; im Saarland zum Beispiel Möbel Martin, Globus oder der Reifenhersteller Michelin, der in Homburg eine Niederlassung besitzt.
Im Saarland gibt es etwa 100 Niederlassungen französischer Firmen. Gerade im Verkauf würden mehr und mehr zweisprachige Angestellte benötigt, meldet die Arbeitsagentur. Daher sei die deutsche Sprache eine der wichtigsten Voraussetzungen für künftige französische Azubis – und gleichzeitig ist sie die größte Hürde.