Nirgendwo wird der Kampf um das Direktmandat prominenter ausgefochten als im Wahlkreis Saarlouis. Das Duell des Kanzleramtschefs gegen den Justizminister ist der auffälligste, aber nicht der einzige Aspekt, der diesen Wahlkreis am Rand der Republik zu einem besonderen macht.
Saarlouis schmückt sich gerne mit dem Attribut „heimliche Hauptstadt“ des Saarlandes. Tatsächlich hat die Stadt ein ganz eigenes Flair kultiviert. An der Saar-Schiene zwischen dem Stahl-Standort Völklingen und der Dillinger Hütte hat sich Saarlouis auf den Wurzeln der ehemaligen Festungsstadt aus napoleonischen Zeiten zum Verwaltungs-, Schul-, Sport- und Freizeitstandort entwickelt, hat zudem mit der „Saarlandbrigade“ an die alte Tradition einer Garnisonsstadt anknüpfen können. Im Gegensatz zu anderen Orten im montangeprägten Saarland ist die Stadt nicht von industriellen Großanlagen eingezwängt.
Vor einem halben Jahrhundert gelang mit dem Bau des Ford-Werkes auf dem Saarlouiser Röderberg eine der größten Ansiedlungserfolge. 1970 lief dort noch der ehrwürdige „Escort“ vom Band, heute sind es Focus und C-Max. Vor wenigen Monaten hatte der Konzern Investitionen von rund 600 Millionen am Standort angekündigt, für die rund 6.000 Beschäftigten in der ansonsten derzeit ziemlich gebeutelten Branche eine echte Zukunftsoption.
Ab Saarlouis saarabwärts zeigt das Saarland sein „grünes“ Gesicht bis zum Symbol des Landes schlechthin, der Saarschleife. Die hat es nicht nur zu größter touristischer Bekanntheit gebracht, sondern musste ein ums andere Mal ihr Panorama auch für politische Symbole hergeben. Eines der spektakulärsten mag das von der (kurzzeitigen) Männerfreundschaft der damaligen SPD-Granden Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine sein. Knapp eineinhalb Jahrzehnte später war Lafontaine (inzwischen Die Linke) am Fuß dieses Panoramas auf der Saar zur Versöhnungs-Schiffstour mit Gregor Gysi unterwegs.
Die Saarschleife liegt im Landkreis Merzig-Wadern, der zusammen mit dem Kreis Saarlouis den Bundestagswahlkreis 297 Saarlouis bildet, den einzigen Wahlkreis, bei dem sich mit Heiko Maas (SPD) und Peter Altmaier (CDU) zwei Kabinettsmitglieder um das Direktmandat bemühen.
Merkel-Vertrauter gegen SPD-Chef
Es ist der Wahlkreis, der lange Zeit fest in SPD-Hand war. Garant dafür war Ottmar Schreiner, ein ausgewiesen kämpferisches SPD-Schwergewicht, der mit seinem leidenschaftlichen Engagement insbesondere für Arbeitnehmerinteressen und soziale Fragen dem linken Flügel zugeschrieben wurde. 1990 eroberte Schreiner erstmals das Direktmandat, das er anschließend dreimal verteidigen konnte, bis er 2009 von Peter Altmaier auf Platz verwiesen wurde. (Schreiner zog dann über die Landesliste erneut in den Bundestag ein, dem er bis zu seinem Tod im Jahr 2013 angehörte).
Bei der letzten Bundestagswahl verteidigte Altmaier den Wahlkreis, steigerte sein Ergebnis von 37,5 auf 44,5 Prozent. Gegenkandidat war der damalige Generalsekretär der Saar-SPD und heutige Umweltminister Reinhold Jost. Für die Saar-SPD hat der Wahlkreis mindestens eine ebenso hohe symbolische Bedeutung wie der Wahlkreis um die Landeshauptstadt Saarbrücken, wenn nicht sogar etwas mehr. Mit Heiko Maas stellt sich dort nicht nur ein Bundesminister, sondern auch der SPD-Landesvorsitzende zur Wahl. Für ihn ist es die erste Kandidatur für den Bundestag. Er hatte noch 2012 den Landtagswahlkampf angeführt und war in der Großen Koalition im Saarland Wirtschaftsminister, bevor er nach der Bundestagswahl Dezember 2013 vom damaligen SPD-Chef Sigmar Gabriel als Justiz- und Verbraucherschutzminister nach Berlin gerufen wurde.
Kandidaten bieten echte Alternativen
Die politische Gemengelage rund um die „heimliche Hauptstadt“ ist aber durchaus bunter, als es das besondere Wahlkampfduell Altmaier–Maas auf den ersten Blick erscheinen lässt. Was aktuell weniger daran liegt, dass dort auch die Heimat von Oskar Lafontaine ist. Der engagiert sich zwar auch im Wahlkampf, bewirbt sich aber selbst nicht um ein Berliner Mandat.
Saarlouis ist auch traditionell eine Hochburg der Saar-Grünen, Heimat des langjährigen Vorsitzenden Hubert Ulrich und des neuen Landesvorsitzenden, dem Bundestagsabgeordneten Markus Tressel. Der will das einzige saarländische Grünen-Mandat in Berlin verteidigen und tritt, wie Altmaier und Maas, sowohl als Spitzenkandidat auf der Landesliste wie auch als Direktkandidat in seinem Heimatwahlkreis Saarlouis an, wissend, dass seine Chancen auf das Direktmandat angesichts der Ausgangslage überschaubar sind. Ob er über die Landesliste wieder ins Bundesparlament einzieht, kann knapp werden. Zitterpartien bis in die Nacht sind für die Saar-Grünen aber fast schon gewohnte Übung an Wahltagen.
Da beide Bundesminister auch Spitzenkandidaten auf Landesebene sind, wird auch der, der sich im Wahlkreis mit Platz zwei begnügen muss, über die Landesliste in den Bundestag einziehen. Ob das Saarland aber auch künftig weiterhin gleich zwei Vertreter am Kabinettstisch haben wird, kann bereits am Wahlabend klar sein. Nicht ausgeschlossen, dass es aber erst Wochen später am Ende von Koalitionsverhandlungen entschieden wird.