Im Zuge des anhaltenden Samt-Trends in der Damenmode haben prominente Designer in ihren Kollektionen für kommenden Herbst und Winter auch den engsten Material-Verwandten Cord wieder entdeckt.
Nachdem Samt, das einstige Lieblingsmaterial von Königen und Fürsten, in der Wintersaison 2016 sein großes Comeback gefeiert hat, haben die Designer nun in ihren aktuellen Kollektionen den vormals in höheren Kreisen kein bisschen geschätzten ärmlichen Cousin wiederentdeckt. Denn Cord oder Corduroy, wie er im englischen Sprachraum meist genannt wird, ist eigentlich nichts anderes als eine gerippte Velvet-Version, die sich im Laufe des 18. Jahrhunderts in England aus grobmaschigen Wollvorläufern entwickelt hatte.
Als es Ende des 18. Jahrhunderts in Manchester gelungen war, Webstühle zur Herstellung dieses Materials zu entwickeln, konnte Cord massenhaft zu günstigen Preisen produziert werden und wurde daher schnell gewissermaßen zur Arbeiterklassen-Variante des kostbaren Samts. Cord war nicht nur billig, sondern dank des dicken, die Verbindungsstellen zwischen Schuss- und Kettfäden schützenden Flors extrem haltbar, langlebig und verschleißfest, weshalb es sich geradezu ideal für das Schneidern stark beanspruchter Arbeits- und Kinderkleidung eignete. Kein Wunder also, dass sich gerade auch die wandernden Zunftgesellen für Cord-Klamotten aus dem flauschig-weichen, wärmenden Gewebe entscheiden sollten.
Die Herkunft oder Ableitung des Wortes „Corduroy“ konnte bislang nicht geklärt werden. Eine hübsche, volkstümliche Anekdote als „corde du roi“ („Cord des Königs“) sollte nicht weiter ernst genommen werden. Den samtartigen Längslinien in Fadenlaufrichtung verdankt der Stoff seine charakteristischen Rippen. Je nach Rippenfeinheit wird heute meist zwischen Babycord, Feincord oder Breitcord unterschieden. Baumwolle bildet den Hauptbestandteil und wird ergänzt durch etwas Polyester oder (bei Stretchcord) Elastan. Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurde Cord, auch wegen seines etwas altbackenen Images, nicht mehr nur für Arbeitsklamotten, sondern auch für die Produktion von Schuluniformen gebräuchlich.
In den wilden 60ern und 70ern erlebte das Material seine Hochzeit, als die rebellierende Jugend ganz bewusst sein Arbeiterklassenflair nutzte, um sich auch in der Kleiderwahl deutlich von konservativen Eliten abzugrenzen. Hippies, Disco-Queens und Promi-Ladys wie Jane Birkin hüllten sich in Cord, teils von Kopf bis Fuß, schließlich wurde in jener Zeit auch der Cord-Anzug erstmals erfunden. Aber am meisten Aufsehen erregten die Cord-Schlaghosen, die teils in schrillen Farben wie Ocker oder Orange daherkamen.
Der 70er-Jahre- Welle entlehnt
Im Laufe der funkelnden 80er-Jahre wurde Cord dann völlig unmodern und verschwand im folgenden Jahrzehnt quasi ganz von der modischen Bildfläche – nur die damalige Fashion-Ikone Carolyn Bessette-Kennedy hielt eisern an ihren cropped Cord-Trousers fest. Auch Kate Moss gehörte zu den wenigen Damen, die über zwei Jahrzehnte lang unbeirrt rote Blazer oder braune Skinny-Hosen aus Cordstoff trugen. Im Winter 2017/2018 führt nun für eine ganze Reihe renommierter Designer mit Miuccia Prada an der Spitze kein Weg mehr am einstigen Workwear-Material für Mäntel, Hosen, Röcke oder Anzüge vorbei, nachdem bereits vor sechs Jahren einige Labels einen ersten Revival-Versuch unternommen hatten.
Mailand stellt das Epizentrum des neuen Cord-Trends dar, weil auf der dortigen Fashion-Week mit Prada und Gucci die beiden derzeit wegweisenden Labels der italienischen Damenmode involviert waren. Wobei auffiel, dass sowohl Miuccia Prada als auch Alessandro Michele ihre Kreationen schon sehr retro, sehr nostalgisch im Stil der 70er gestaltet haben. Was bei Gucci so weit geht, dass die Schlaghosen sogar farblich ihren Vorbildern nacheifern, auch wenn ein Osterglockengelb sicher nicht jedermanns Sache sein dürfte. Die gesamte aktuelle Prada-Kollektion scheint von der Studentenbewegung der 70er-Jahre inspiriert. Mit ihrem Verzicht auf filigrane Details, einem schlichten, bewusst burschikos-maskulinen Schnitt, rückt die Prada-Chefin die Idee des Handgemachten und Ursprünglichen in den Blickpunkt – was natürlich auch für ihre meist in Brauntönen gehaltenen Jacketts, Hosen oder Hosenanzüge aus Cord gilt. Etro zeigte einen Cord-Midi-Rock. Ermanno Scervino kombinierte einen langen blauen Cordmantel mit einer Baggy-Pants in der gleichen Farbe.
In Paris war die gleiche Kombination bei Nina Ricci auf dem Laufsteg zu sehen. Bei Christophe Lemaire richteten sich alle Blick auf einen weinroten Hosenanzug in Breitcord. In London überraschte Mulberry mit einem langen Cord-Rock zu Mohair-Socken. Auf der New Yorker Fashion Week war Cord vor allem auf dem Catwalk von Marc Jacobs präsent, beispielsweise als Baggy-Pant oder als graues Jackett.
Weitere Brands mit aktuellen Cord-Klamotten: Sportmax, Paul & Joe, Kenzo, Margaret Howell oder Tory Burch.
In der Herrenmode, wo Corduroy lange Zeit unter dem Image als typisch-langweiliger Lehrer- oder Professoren-Look zu leiden hatte, war das Material bereits im Winter 2015 bei renommierten Labels wie Bottega Veneta, Burberry Prorsum, Marc Jacobs oder Boglioli wieder verstärkt im Sortiment aufgetaucht. In der Saison 2017/2018 setzt Miuccia Prada nun auch in ihrer Menswear auf diesen Stoff. Ihre Cord-Kreationen für die Herren wirken deutlich moderner und raffinierter als die nostalgischen Damen-Styles. Neben Prada mischen in Sachen Menswear-Cord-Klamotten auch noch weitere italienische Marken wie Giorgio Armani, Caruso, The Gigi, Marni, Boglioli oder Brunello Cucinelli kräftig mit. Der Kauf eines Cord-Jacketts kann eigentlich nie eine Fehlinvestition sein.
Falls es mal unmodern werden sollte, kann man es in die hinterste Ecke des Kleiderschranks verbannen. Um es nach Jahren wieder hervorzuholen, wenn Cord mal wieder trendy sein sollte. Der Stoff hält das dank seiner Langlebigkeit locker aus. Pflegeleicht und waschmaschinentauglich ist Cord ohnehin, nur beim Bügeln ist Vorsicht angesagt – das plättende Eisen nur auf der linken Seite zum Einsatz bringen, weil sonst die Struktur der Stoffrippen zerstört werden kann.