Keiner kennt die SPD-Fraktion im Bundestag so gut wie ihr Chef Thomas Oppermann. Für ihn geht es bei dieser Bundestagswahl um alles oder nichts. Es ist für ihn die letzte Chance, noch Bundesminister zu werden. Doch ob es zu dieser Kür wirklich kommt, ist fraglich.
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann ist ein echter Verwaltungsprofi. Immerhin war er im ersten Berufsleben Verwaltungsrichter in Hannover. Sein Studium beendete der 63-Jährige mit Prädikat – sowohl beim ersten als auch beim zweiten Staatsexamen. Also ein richtiger Streber? „Nein, ich bin kein Streber, nur sehr gewissenhaft bei meiner Arbeit“, sagt Oppermann im Gespräch. Wobei an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben soll, dass er als Schüler nicht immer ganz so gewissenhaft mitgearbeitet hat, denn zweimal musste Oppermann eine Klasse wiederholen.
Unter Ministerpräsident Sigmar Gabriel war Oppermann ab 1998 Minister für Wissenschaft und Kultur, doch bei den Landtagswahlen 2003 verloren die Sozialdemokraten in Niedersachsen die Macht. Zwei Jahre musste er im niedersächsischen Landtag die Oppositionsbank drücken. 2005 holt Oppermann bei den vorgezogenen Bundestagwahlen zum ersten Mal sein Direktmandat in Göttingen und landet im Bundestag. 2007 wird er Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Bundestag, eine wichtige Funktion, denn damit lief die gesamte Arbeit der Fraktion auch über seinen Schreibtisch.
Der nächste Karriereschritt ließ nicht lange auf sich warten, war aber für Oppermann eher enttäuschend: Er wurde 2013 „nur“ Fraktionschef, aber eben nicht Bundesminister, wie er insgeheim gehofft hatte. Denn bereits 2009 war er im Schattenkabinett unter Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier als möglicher Minister benannt worden. Doch die Wahl ging für die Sozialdemokraten krachend verloren. Vier Jahre später war Oppermann wieder im Schattenkabinett. 2013 hieß der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück und wäre der tatsächlich Kanzler geworden, dann hätte es einen Bundesinnenminister Thomas Oppermann gegeben. „Hätte, hätte – Fahrradkette“, wie Steinbrück zu sagen pflegte. Bei den anschließenden Koalitionsverhandlungen mit der CDU hielt der damalige SPD-Chef Sigmar Gabriel das Heft in der Hand und das war für Thomas Oppermann nicht unbedingt von Vorteil. Die beiden Niedersachsen können dem Vernehmen nach nicht richtig miteinander. Doch Oppermann hatte die Fraktion hinter sich: Die wählte ihn mit über 90 Prozent der Stimmen zum Fraktionschef, sozusagen als Gegengewicht zu Gabriel, der ja nicht nur innerhalb der Partei, sondern auch in der SPD-Fraktion im Bundestag umstritten war.
Die Fraktion steht hinter ihm
Erstmals brenzlig wird es für Fraktionschef Oppermann im Frühjahr 2014. Im Zuge der sogenannten Edathy-Affäre um kinderpornografische Schriften und Bilder soll Thomas Oppermann, so jedenfalls die damalige Aussage von Sebastian Edathy, den unter Verdacht Stehenden im Vorfeld vor der anstehenden Hausdurchsuchung gewarnt haben. Als im Zuge weiterer Ermittlungen herauskam, dass ursprünglich der damalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) den seinerzeitigen SPD-Chef Gabriel gewarnt hatte, hatte die neue Große Koalition ihren ersten Skandal. Zurücktreten musste der CSU-Innenminister, Oppermann kommt mit einem blauen Auge davon. Die Edathy-Affäre versandet schließlich, heute spricht kein Mensch mehr davon.
Oppermann hofft nun auf Martin Schulz, doch die jüngsten Entwicklungen sehen für den zukünftigen „Bundesminister Oppermann“ nicht gut aus. Und zwar ganz abgesehen von den mäßigen Umfragewerten der SPD. Denn unverhofft ist Hubertus Heil wieder aus der bundespolitischen Versenkung aufgetaucht – und als neuer SPD-Generalsekretär macht sich Heil nun ebenfalls Hoffnung auf einen Ministerposten. Doch Heil und Oppermann haben diesbezüglich noch eine weitere Konkurrentin dazu bekommen, mit der vor vier Monaten auch niemand so richtig gerechnet hat: Katarina Barley. Die ehemalige Generalsekretärin folgte Manuela Schwesig im Familienministerium nach und macht dort ihre Sache recht gut. Auch sie wird, sollte sich die Möglichkeit ergeben, auf einem Ministerposten beharren.
Da könnte es für Oppermann dann wieder eng werden, denn auch der jetzige Kanzlerkandidat Martin Schulz will im Fall des Falles einen Ministerposten haben. Als Fraktionschef taugt Schulz nicht, da er überhaupt keine Hausmacht im Bundestag hat. Andrea Nahles und Sigmar Gabriel gelten ohnehin als gesetzt. So könnte es gut sein, dass Thomas Oppermann wieder den Fraktionsvorsitz übernehmen muss und es mit einem Ministerposten zumindest für ihn erneut nichts wird. Doch Oppermann dürfte sich selbst weiter treu bleiben und auch diesen Job, weit unter seinen Möglichkeiten, gewissenhaft erledigen. Wie in den vergangenen vier Jahren auch.