Rainer Arnold, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD im Bundestag, gilt innerhalb seiner Fraktion als schwierig. Vor allem beim linken Flügel war er nie beliebt. Er stand bedingungslos hinter dem deutschen Engagement in Afghanistan, obendrein befürwortete er den Tornado-Einsatz zum G8-Gipfel. Nun verlässt Arnold den Bundestag.
Der gebürtige Schwabe aus Stuttgart hat es nie ganz einfach gehabt im Leben. 1967 die Mittlere Reife mit Ach und Krach an der Realschule bestanden, vier Jahre später schaffte er dann die Fachhochschulreife und obendrein gelang ihm das Studium der Pädagogik in Ludwigsburg ohne Abitur. „Ich hab halt auch schon mal Glück gehabt im Leben, wofür ich sehr dankbar bin“, sagt Rainer Arnold dazu.
Sein Einzug über die Landesliste Baden-Württemberg in den Bundestag 1998 war dann auch wieder so eine Wackelgeschichte. Erst am Donnerstag nach dem Wahlsonntag war überhaupt klar, dass es für Rainer Arnold reichen würde. „Genau 21 Stimmen haben mich damals zum ersten Mal in den Bundestag getragen, das war schon sehr ergreifend, weil mein Wahlkreis komplett neu ausgezählt werden musste. Ich wusste vier Tage lang nicht, was nun aus mir werden würde“, so Arnold.
In der Bundestagsfraktion fand er schnell seine Leute. Vor allem die Konservativen um den Sprecher des Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs, wurden für ihn zur Ersatzheimat im politischen Berlin. Folgerichtig wurde er dann in der zweiten Amtszeit von Bundeskanzler Gerhard Schröder zum verteidigungspolitischen Sprecher der SPD-Fraktion gekürt. Dort machte er sich vor allem beim linken Flügel der Partei viele Feinde, weil er „ohne Wenn und Aber“ den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr befürwortete.
Augenblicke, die ihn noch Tage verfolgten
Doch Arnold bekam schnell auch die schwierigen Augenblicke eines solchen Einsatzes mit. Nämlich dann, wenn es Tote auch auf deutscher Seite zu beklagen gab. Bei einer Trauerveranstaltung auf dem militärischen Teil des Flughafens Köln/Bonn musste der Parlamentarier Rainer Arnold den Eltern eines getöteten Soldaten unter die Augen treten: „Ohne dass ein Wort gesprochen wurde, verstand ich sofort ihre Fragen. Warum? Wofür? Dieser Augenblick hat mich noch Tage verfolgt, denn ich als Bundestagsabgeordneter habe ja die Parlamentsarmee mit in diesen Einsatz geschickt, in dem dieser junge Mann zu Tode gekommen ist. Und ich habe diesen Einsatz immer befürwortet und das mache ich auch noch heute.“
Dennoch – in diesem Augenblick wurde auch Rainer Arnold sehr nachdenklich, blieb aber bei seiner Position: Man muss den Terroristen etwas entgegensetzen, denn sonst hat unsere Gesellschaft keine Überlebenschance. Arnold kennt die Bundeswehr gut, hat sich fast 20 Jahre als Parlamentarier um sie gekümmert. Nach dem Vorfall um Franco A. wurde ausführlich die Frage diskutiert, ob die Bundeswehr tatsächlich eine rechtsradikale Truppe ist. Entrüsteter Blick von Arnold: „Nein auf keinen Fall, in allen Kreisen der Gesellschaft hat man immer wieder Leute, die bei Einzelfragen aus dem Rahmen fallen, so ist das auch bei der Bundeswehr. Denn gerade der ungebremste Flüchtlingszustrom vor zwei Jahren hat weite Teile der Gesellschaft gespalten, und das ist auch bei der Bundeswehr angekommen.“
Wegen Lobby-verdacht kritisiert
Auffällig für Arnold ist, dass die Geschichte des Franco A. überhaupt in die Presse gelangte. Denn normalerweise ist so ein Vorgang allein dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) vorbehalten, dem Armee-Geheimdienst, der eher nicht für ungestüme Pressemitteilungen über rechtsradikale Bundeswehrsoldaten bekannt ist. Die Geschichte des Franco A. wurde „durchgestochen“, also mit Absicht veröffentlicht. Doch wer steckt seiner Meinung nach dahinter? Arnold nimmt kein Blatt vor den Mund: „Die größten Durchstecher sitzen direkt neben Ursula von der Leyen. Das sind ihr Sprecher Jens Flosdorff, ihre engsten Mitarbeiter und Berater – und da bin ich eindeutig: Wenn die Dinge nicht stimmen, und er es nicht selbst durchsticht, dann müsste der Pressesprecher ja die Sachen dementieren. Aber das tut er nicht …“ Arnold scheint es mit Sarkasmus zu nehmen.
Willkommen im „Haifischbecken Bundesverteidigungsministerium“. In keinem anderen Ressort kann man sich so schnell seine Karriere so gründlich ruinieren wie dort. Schon ein kleiner Planungsfehler auf Ministerialebene kann sehr schnell Leben kosten. Obendrein ist das Verteidigungsministerium eigentlich eine High-Tech-Veranstaltung, die allerdings finanziell auf Sparflamme läuft. Zum Vergleich: Allein das strategische US-Kommando für Europa und Nahost mit Sitz in Tampa/Florida, ein Teilbereich des US-Verteidigungsministeriums, hat jährlich ein Budget von mehr als 120 Milliarden Euro, über die der zuständige Vier-Sterne-General allein verfügen kann. Die Bundesverteidigungsministerin kommt derzeit nicht mal auf 40 Milliarden Euro, die für alles reichen müssen, vom Briefpapier bis zur Unterbringung in den Kasernen. Für den verteidigungspolitischen Sprecher der SPD ein unhaltbarer Zustand.
Rainer Arnold selbst hat das Haifischbecken nicht unversehrt überstanden.Vor sieben Jahren wurde er nach eigenen Angaben „Opfer seiner Schusseligkeit“. Seine Mitgliedschaft in der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik hatte Arnold nicht dem Bundestag angezeigt, obwohl er dazu verpflichtet gewesen wäre; zwei weitere Parlamentarier hatten dies ebenfalls „verschusselt“, unter anderem Johannes Kahrs. Die Gesellschaft für Wehrtechnik gilt als Lobbytruppe der Rüstungsindustrie. Die Kritik war dementsprechend massiv. Immerhin geben die Mitglieder des Verteidigungsausschusses auch Empfehlungen für den Ankauf von Waffen. Vor allem der linke Flügel in der SPD wetzte damals die Messer gegen Arnold.
Doch nun macht sich Rainer Arnold auch darüber keinen Kopf mehr. In zwei Wochen geht er in Rente und „mein neues Männerspielzeug steht schon vor der Tür, ein Wohnmobil mit allem Zipp und Zapp“ berichtet er stolz. Wohin die Reise geht, ist noch unklar. Aber Rumänien wäre eine Idee. Immerhin ist er auch noch Vorsitzender der Deutsch-Rumänischen Parlamentariergruppe.
Den Entschluss aufzuhören hatte er bereits vor vier Jahren gefasst, hat dies aber nur seinen direkten Mitarbeitern mitgeteilt: „Ich wollte hier nicht zwei Jahre als Auslaufmodell durch das hohe Haus wandeln.“ Nun freut er sich auf den neuen Lebensabschnitt. „Wobei ganz klar ist, das wird eine Umstellung, denn weit über zwanzig Jahre war ich immer der Ehrengast, der vorne sitzen durfte und dann noch gesondert erwähnt wurde. Das wird es in Zukunft nicht mehr geben, aber ich bin mir sicher, auch daran werde ich mich gewöhnen.“
Eine große Aufgabe wartet nun noch auf ihn. Er muss wieder ein koordiniertes Eheleben auf die Reihe bekommen: „Bisher konnte man sich ja immer ganz gut absetzen. Das gibt es in Zukunft nicht mehr. Aber auch das wird zu stemmen sein“, schmunzelt der 67-Jährige und schaut eher fragend aus dem Fenster seines Bundestagsbüros in den Berliner Abendhimmel.