Unter den Direktkandidaten ist er einer der heimlichen Stars: Klaus-Peter Willsch nutzte die vergangenen vier Jahre, um in der CDU nicht zu sehr anzuecken, aber trotzdem aufzufallen. Nun versucht er zum sechsten Mal, sein Mandat im hessischen Wahlkreis Rheingau-Taunus/Limburg direkt zu holen.
Vor mittlerweile 19 Jahren gewann Klaus-Peter Willsch zum ersten Mal den Wahlkreis Rheingau-Taunus-Limburg. Damals gegen den Bundestrend – im September 1998 verlor die CDU die Bundestagswahl mit Helmut Kohl.
Hier im West-Hessischen an der Lahn ticken die Uhren ein wenig anders. Willsch selbst verortetet sich innerhalb der Union als Wertkonservativer, dem allerdings der massive Schwenk seiner Partei in Richtung Mitte nicht ganz entgangen ist. Mit den Euro-Rettungsschirmen jedenfalls hat er so seine Probleme. Bereits im November 2011 legte er mit seinem Thesenpapier „Euro 2.0“ eine Alternative zur vermeintlich „alternativlosen“ Euro-Rettungspolitik der Kanzlerin vor und brüskierte damit seine eigene Fraktion, die die sich immer wiederholenden Rettungsschirme für Griechenland im Parlament nur noch abnickte. Doch Willsch ließ sich nicht beirren und schmiedete 2012 mit dem Verband der Familienunternehmer, dem Bund der Steuerzahler und dem Bündnis Bürgerwille und zusammen mit neun weiteren Abgeordneten von CDU und FDP die „Allianz gegen den ESM“. Spätestens jetzt fiel er auf, auch die bürgerliche „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ ehrte ihn als den Eurorebellen. Dieser Ritterschlag von höchster Stelle sollte sich für Willsch in der Bundestagswahl des Jahres 2013 auszahlen.
Damals fuhr Klaus-Peter Willsch 52,1 Prozent der Stimmen ein, sein persönlich bestes Ergebnis. Doch dann bröckelte sein Glück: Wegen seiner renitenten Haltung bei den Rettungsschirmen wurde er trotz des persönlichen Rekordergebnisses bei der Bundestagswahl von der CDU-Fraktionsführung aus dem Haushaltsausschuss geworfen. Als Begründung musste – so erklärt es Willsch selbst – eine alte Geschichte herhalten, nach der er zu dicht an der Rüstungsindustrie dran gewesen sein soll. Er hatte als Herausgeber eines regionalen Magazins Anzeigen von Waffenherstellern in seinem Blatt abdrucken lassen. Dies war ihm 2007 von der SPD als Annahme einer illegalen Parteispende angekreidet worden. Dass ihm dann Jahre später seine eigenen Parteifreunde den Stuhl im Haushaltsausschuss vor die Tür stellten, wertet Willsch als Retourkutsche für sein Abstimmungsverhalten im Bundestag bei den Rettungsschirmen.
Sein ohnehin angespanntes Verhältnis zur Unions-Fraktion sollte in den folgenden zwei Jahren noch weiter auf die Probe gestellt werden. Und dann, im August 2015, glaubte Willsch kurz nicht mehr, dass er noch in seiner Partei bleiben könne: Die Zahl der Flüchtlinge, die nach Deutschland kamen, war ihm einfach zu groß. Der Direktkandidat aus dem Rheingau-Taunus-Kreis bekam zu Hause den Unmut seiner Wähler hautnah zu spüren.
Willsch zog politisch die Reißleine, indem er erneut die Option einer Koalition mit der AfD ins Spiel brachte. Das Thema hatte er bereits ein Jahr zuvor angesprochen. In der CDU war der Teufel los. Der hessische CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier bezeichnete solche Forderungen umgehend als „absurd“. Doch Klaus-Peter Willsch konterte via „Bild am Sonntag“ im Herbst 2015: „Wir müssen dazu kommen, Flüchtlinge an den Grenzen zurückzuweisen. Gelingt uns das nicht, werden die Bürger der Kanzlerin das Vertrauen entziehen.“ Obendrein wusste Willsch von wachsender Frustration in den eigenen Reihen zu berichten: „In der Fraktion herrscht Verzweiflung darüber, dass die Regierungsspitze nicht aufnimmt, was an sie herangetragen wird.“
Seitdem wiederholt der streitbare CDU-Mann aus Limburg an der Lahn immer mal wieder seinen Vorschlag, mit der AfD zusammenzugehen. Er begründet dies damit, dass man jene Partei zur Koalition auswählen solle, mit der es am meisten Übereinstimmungspunkte gibt. Und das sei für die Union derzeit unter anderem auch die AfD, davon ist Willsch überzeugt.
In der CDU war der Teufel los
Er kann sich solche Extravaganzen leisten, weil er als Direktkandidat nur seinem Wahlkreis verpflichtet ist. Sein AfD-Bild bezieht sich dabei offenbar vor allem auf das, was er zuhause erlebt. Doch die AfD im Rheingau-Taunus-Kreis hat nicht viel mit der AfD im Osten der Republik zu tun. Im Weinbaugebiet an der Lahn sind es vor allem enttäuschte, konservative Wähler der CDU und der FDP, die sich dort versammeln.
Seinen derzeitigen Wahlkampf bezeichnet Willsch als „eher unspektakulär“. Auffällig sei aber, dass viele, mit denen er sprach, ihm sagten: „Meine Erststimme bekommst du, die zweite aber nicht.“ Mit der Erststimme wird der Direktkandidat gewählt, mit der Zweitstimme die Partei und diese Zweitstimmen könnten, so vermutet der 56-Jährige, diesmal an die FDP, AfD und Freie Wähler gehen. „Entscheidend“, so der Kämpfer um die Erststimmen, „ist aber zum Schluss auch der Sockel. Alles, was der CDU nachher beim bundesweiten Endergebnis fehlt, muss ich als Direktkandidat hier vor Ort rausholen.“ Grund genug, zwei Wochen vor dem Urnengang eine nachdenkliche Miene aufzusetzen: Für Willsch heißt das nämlich, räumt die Union tatsächlich 38 bis 40 Prozent ab, muss er sich keinen Kopf machen. Doch das Wahlrecht auch für Erststimmen ist tückisch: Je weiter das Ergebnis nach unten rutscht, umso wackeliger wird der sichere Einzug für ihn.
Ein Buch-Vorwort von Thilo Sarrazin
Die CDU-Streiter lassen sich derweil nicht weiter beirren, sie setzen vor allem auf den Haustürwahlkampf. Dabei macht die Willsch-Truppe keinen so schlechten Eindruck. „Wir sind bundesweit innerhalb der Union unter den Top-Ten“, berichtet der 32-jährige Wahlkämpfer Christian Rodenwald stolz. Seit Anfang August ist er für Klaus-Peter Willsch an den Türen unterwegs. „Die Sache ist relativ einfach: Wir sind einfach präsent, geben ihnen unsere Flyer, machen kurz deutlich, wie wichtig es ist, überhaupt zu wählen. Den Rest überlassen wir dann den Menschen selbst“, so Rodenwald.
Der Wahlkampf ist voll auf den Euro-Rebellen zugeschnitten, überall hängen die Plakate mit dem Slogan „Klare Werte – Klare Worte“. Das erinnert auch ein bisschen an Willschs Buch, das vor genau einem Jahr erschienen ist: „Von Rettern und Rebellen“. Dort nimmt er noch einmal die Euro-Rettungsschirme der vergangenen Jahre ins Visier. Was die „kleine Provokation“ anbelangt, da bleibt sich Klaus-Peter Willsch auch bei seinem Buch treu: Um das Vorwort hat er den umstrittenen ehemaligen SPD-Finanzsenator aus Berlin, Thilo Sarrazin gebeten. Damit, so vermutlich das Kalkül, will Willsch zeigen, dass er allen Argumenten gegenüber aufgeschlossen ist, wenn sie für ihn nachvollziehbar sind. Ob nun von einem ehemaligen SPD-Senator oder von AfD-Mitgliedern.