Krieg und Frieden
In prominenten Beziehungen ist es oft an der Tagesordnung, dass einer der beiden Partner eher in den Hintergrund tritt – und die andere Person im Vordergrund steht. Dass es auch anders geht, beweisen Sänger Johannes Oerding und Moderatorin Ina Müller. Johannes Oerding selbst hat sich bereits durch zahlreiche Veröffentlichungen und TV-Auftritte, wie zum Beispiel der Teilnahme am Bundesvision Song Contest, einen Namen gemacht.
Nun hat der Musiker ein neues Album veröffentlicht. Es trägt den Titel „Kreise“ und entführt mittels eingängiger Pop-Melodien in – oder besser durch – die Höhen und Tiefen der menschlichen Seele. Dabei geht es noch harmlos los: Der Eröffnungstitel „Kreise“, der sich bereits als Single-Auskopplung in den Charts tummelt, ist sicherlich ein Ohrwurm mit symbolischem Charakter, spielt aber im Gesamteindruck der kompletten CD eine eher untergeordnete Rolle. Wesentlich mehr Charisma hat da der Titel „Love me Tinder“, der mit musikalischen Anklängen an die immer wieder auflebende Rock’n’Roll-Ära das eher ausschweifende, verantwortungslose Leben eines freiheitsliebenden jungen Mannes schildert, bei dem am Ende des Songs nicht ganz klar ist, ob er geläutert wurde – oder noch tiefer in den verantwortungslosen Egoismus absackt.
Aber Johannes Oerding scheint insgesamt nicht viel von Verantwortungslosigkeit und gefährlicher Lebensfremdheit zu halten: Dies wird auch in dem Song „Tetris“ deutlich, in dem einige Videospiel-Elemente eingestreut werden. Allerdings ist Tetris eine eher harmlose Variante, mit dem das lyrische Ich sein Leben vergleicht. Genaugenommen wäre dies eine eher wünschenswertere Alternative zu problematischeren Gewaltspielen. Nichtsdestotrotz wird hier eine gewisse Isolation und Kindlichkeit deutlich.
Ebenfalls hörenswert ist die pianolastige Ballade „Weiße Tauben“, ein zeitloses und glücklicherweise kitschfreies Plädoyer für ein Leben ohne Krieg. Statt in ausschweifende Theatralik zu verfallen, schildert Johannes Oerding ein vollkommen desillusioniertes lyrisches Ich, das vergeblich versucht, an seinem Glauben festzuhalten. Dennoch schwingt auch viel Hoffnung mit. •
Christina Korb-Völke
KULT[UR]
Sony Music
CD-Tipp: Krieg und Frieden
Kult[ur] - Musik
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