Am 24. September wählen die erwachsenen Wahlberechtigten den Bundestag. Die Kinder und Jugendlichen waren schon am 15. September dran. An der U18-Wahl nahmen 215.000 Minderjährige teil. Ginge es nach ihnen, wäre neben einer Großen Koalition auch „Jamaika" aus Union, Grünen und FDP möglich.
Bei Pascal und Justin aus Berlin-Hellersdorf hält sich die Begeisterung in Grenzen. Er habe ja noch ein Jahr Zeit, sich zu überlegen, ob er wählen geht, meint der 17-jährige Pascal. Der gleichaltrige Justin dagegen wird „wahrscheinlich" zur U18-Wahl gehen, sagt er. Und auch zu den „richtigen" Wahlen, wenn er volljährig ist denn: „Ich möchte ja selbst entscheiden, wer in der Regierung ist."
Wo er sein Kreuz macht, weiß er noch nicht, obwohl er jeden Tag Wahlplakate sehe. Seine Wahlthemen sind: eine bessere Bildung für Kinder, Rentenerhöhung und Mietsenkung. „Und dass das mit den Ausländern unter Kontrolle gebracht wird", fügt er hinzu. „Das ist ja ein großes Thema jetzt." Seine Stimme bekäme, wer das am schnellsten geregelt kriegt. Zu Infoveranstaltungen gehen? Nee, er informiert sich lieber selbst.
Der 17-jährige Ates aus Berlin-Charlottenburg-Wilmersdorf ist zwar noch unentschlossen, würde aber zu Podiumsdiskussionen gehen. Er selbst sagt von sich, dass er mit Politik nicht so viel zu tun habe, obwohl er gerne Zeitung liest und fernsieht. Trotzdem sind seine Vorstellungen konkret, was Politik erreichen sollte: Keine Streitereien, es soll auf alle Menschen geachtet werden, „auch auf die Obdachlosen". Eines weiß er aber sicher: „Die AfD mag ich gar nicht. Die sind respektlos gegenüber Ausländern, und ich bin selber einer. Dabei gehe ich zur Schule und mache eine Ausbildung." Bei ihm käme auch die CDU in die engere Wahl.
In der „Schilleria", dem Treff für Mädchen und junge Frauen in Neukölln, beschäftigen sich die Besucherinnen schon seit Juni mit den U18-Wahlen. „Bisher hatten wir wöchentliche ‚Politiktalks‘ oder Spiele, bei denen wir mit den Mädchen politische Begriffe wie Partei, Demokratie, Wahl und so weiter behandelt haben" erzählt Sozialarbeiterin Vivien Bahro. Sie räumt ein, dass es schwierig ist, bei den Mädchen das Interesse für Politik zu wecken. „Letzte Woche gab es einen zweitägigen Workshop zum Bau einer Wahlurne und -kabine, die von den Mädchen mit Graffiti gestaltet wurde. In den kommenden Tagen sind noch weitere politische Workshops geplant. Außerdem drehen wir einen kleinen Film über unser Projekt. Wir werden den Bundestag besuchen und einen Kiezspaziergang machen, um uns die Wahlplakate anzuschauen und darüber zu diskutieren." Die „Schilleria" war auch Wahllokal für den 15. September, dem Tag der U18-Wahl 2017. Die Mädchen haben Flyer entworfen und verteilt, um Kinder und Jugendliche aus anderen Einrichtungen einzuladen.
U18-Wahlen werden seit dem ersten Mal im Jahr 1996 immer neun Tage vor einem offiziellen Wahltermin abgehalten. Mitmachen können alle Minderjährigen, die sich in Deutschland aufhalten. Die Wahllokale sollen offen und frei zugänglich sein; im Prinzip können sie überall eingerichtet werden, wo Kinder und Jugendliche sind. Der Ablauf orientiert sich an der echten Wahl: Wahlkabinen und Wahlurnen garantieren eine freie und geheime Wahl, die Stimmzettel sehen den echten ähnlich. Nach Schließung der Wahllokale um 18 Uhr werden die Stimmen ausgezählt und das Gesamtergebnis veröffentlicht.
Die Idee zu den U-18-Wahlen entstand 1996 in einem Jugendklub in Berlin-Mitte. Damals stand da nur eine Wahlurne. Mittlerweile öffnen bundesweit mehr als 1.600 Wahllokale, zur Bundestagswahl 2013 kamen rund 200.000 Kinder und Jugendliche an die Urnen. 2017 waren es gut 215.000.
Bei den Wahlen der Kinder und Jugendlichen wurde am 15. September die CDU/CSU stärkste Partei mit einem Stimmenanteil von 28,5 Prozent. Auf dem zweiten Rang landete die SPD mit 19,8 Prozent, dicht gefolgt von Bündnis90/Die Grünen mit 16,6 Prozent. Auf Platz vier liegt Die Linke mit 8,1 Prozent, gefolgt von AfD (6,8 Prozent) und FDP (5,7 Prozent). An der Fünf-Prozent-Hürde scheiterten die Tierschutzpartei (3,9 Prozent), Die Partei (2,9 Prozent) und die Piraten mit 2,7 Prozent.
CDU/CSU vor SPD, Grünen und Linken
Damit die Kinder und Jugendlichen wissen, wem sie ihre Stimme geben, gibt es im Vorfeld je nach Altersgruppe, verfügbaren Ressourcen und Engagement Aktionen und Events, mit denen auch lokale Politiker erreicht werden. Quizfragen, Kreuzworträtsel, fiktive Wahlplakate und vieles andere mehr sollen das Interesse an der Stimmabgabe steigern.
A propos mitmachen: So mancher Erwachsene fragt sich, ob Kinder wirklich schon politische Entscheidungen treffen können. Bei den U18-Wahlen wurde bewusst keine Altersbeschränkung festgelegt. Im vergangenen Jahr waren die jüngsten Wähler gerade mal sechs Jahre alt. Die Landeskoordinatorin für Berlin, Katharina Wengenroth von der Stiftung SPI, schüttelt bei dieser Frage nur den Kopf. „Schließlich hat Deutschland die UN-Kinderrechtskonvention ratifiziert. Zu den zehn Grundrechten gehört auch das Recht, sich zu informieren, sich mitzuteilen, gehört zu werden und sich zu versammeln. Die symbolische Teilnahme an einer Wahl ist eigentlich ein Mindeststandard. Die Neugier und die Eigeninitiative der Kinder kann man nicht früh genug fördern. Kürzlich bekam ich eine Mail von einer Mutter mit zwei acht- und neunjährigen Kindern. Sie hat sich über die Möglichkeit der U18-Wahl total gefreut, weil ihre Kinder gerne über Politik sprechen und sich einbringen möchten." Jetzt müssen nur noch die Erwachsenen wählen.