Fast jeder Bundesbürger kennt das muskuläre Rückenproblem aus eigener, leidvoller Erfahrung. Dabei könnte dem Lumbago durch ein ausreichendes Maß an Bewegung ohne viel Aufwand vorgebeugt werden.
Statistisch gesehen macht jeder Bundesbürger mindestens einmal im Leben die ebenso unliebsame wie schmerzhafte Bekanntschaft mit dem Hexenschuss. Vor allem jüngere bis mittlere Jahrgänge zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr werden von dem akuten Kreuzschmerz in Mitleidenschaft gezogen, während nach dem 60. Lebensjahr diese Malaise offenbar deutlich seltener vorkommt. Beim klassischen Hexenschuss, der medizinisch Lumbago oder akute Lumbalgie genannt wird, mit Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule, handelt es sich vor allem um ein muskuläres Problem, das meist infolge von mangelnder oder falscher Bewegung entstehen kann.
Vor allem eine sitzende Bürotätigkeit, der hierzulande 17 Millionen Menschen nachgehen, ist nicht gerade förderlich für die Rückenmuskulatur und deren nötige Stärkung. Wenn in der Freizeit kein ausreichender Bewegungsausgleich erfolgt, der der einseitigen Belastung des Rückens entgegenwirken kann, kann schon eine einzige unglückliche Bewegung, ein falsches Bücken, Drehen oder Heben, dafür sorgen, dass sich die geschwächte und durch verhakte Wirbelgelenke oder vorgewölbte Bandscheiben schon leicht entzündete Rückenmuskulatur in der Lendenwirbelsäule verkrampft und dermaßen verspannt wird, dass die Betroffenen nach einem heftig stechenden Schmerzausbruch im unteren Rückenbereich meist keine normale Körperhaltung mehr einnehmen können. Die zahlreichen im Umfeld der Lendenwirbelsäule verlaufenden Nervenbahnen können das Schmerzempfinden noch deutlich erhöhen.
Die Beschwerden können so gravierend sein, dass sich die Betroffenen am liebsten keinen Millimeter mehr bewegen möchten, weil sie so etwas wie ein Gefühl der Sperre in ihrem Kreuz verspüren. Ein Aufrichten aus der gebeugten Haltung scheint für sie in diesen Augenblicken völlig unmöglich. „Der Hexenschuss ist keine eindeutige Diagnose“, so der Neurochirurg Dr. Marko Ständer vom Münchener Wirbelsäulenzentrum am Stiglmaierplatz. „Selten verbergen sich dahinter schwere, ernste Erkrankungen. In der Regel sind es aber Verkrampfungen in der Muskulatur und Entzündungen an verschiedenen Teilen der Wirbelsäule, die in wenigen Tagen bis Wochen wieder vollkommen ausheilen.“
Oft verschwindet der Schmerz von alleine
Ein Hexenschuss erfordert nicht unbedingt ärztliche Hilfe. Er ist meist harmlos und verschwindet von alleine wieder. Wenn die Kreuzschmerzen allerdings anhalten, nach einigen Tagen nicht abgeklungen sind und noch weitere Symptome wie Taubheitsgefühle, Lähmungserscheinungen oder Ausstrahlungen über Rücken oder Gesäß hinaus in andere Körperteile hinzugekommen sind, sollte unbedingt ein Mediziner aufgesucht werden. Dann kann womöglich ein Bandscheibenvorfall vorliegen, wobei der Ischiasnerv mit betroffen sein.
Als mögliche Direkthilfen für die akute Phase des Hexenschusses gibt es eine ganze Reihe von Empfehlungen. Wobei immer wieder gerne die Stufenlagerung angeführt wird, bei der Kopf und Rücken gerade auf dem Boden, Knie und Unterschenkel auf einem festen Hocker erhöht liegen sollten. Man kann das versuchen, auch wenn manche Experten wie Michael Preibsch vom Deutschen Verband für Physiotherapie diese Maßnahme zur Lösung einer Muskelblockade als wenig effizient einstufen. Wärmeanwendungen sind auf jeden Fall hilfreich, weil sie die Durchblutung verbessern und so zur Schmerzlinderung beitragen können. Wärmflasche, Heizkissen oder Fango sind meist schnell zur Hand, für tiefere Regionen des Muskelgewebes ist eine Rotlicht-Bestrahlung sinnvoll. Kurzfristig können auch Schmerzmittel für Besserung sorgen. Viele Ärzte, beispielsweise die Notaufnahme-Mediziner der Berliner Charité, raten inzwischen mehr zum Schlucken von Tabletten als zu Injektionen in den Muskel, weil dadurch allergische Reaktionen oder Blutergüsse und Entzündungen nach dem (Kortison-) Spritzen vermieden werden können.
Körperliche Schonung wird heute bei einem Hexenschuss nicht mehr empfohlen. Selbst in der akuten Schmerzphase sollte der Betroffene von strenger Bettruhe und Schonung absehen, weil Bewegung, beispielsweise vorsichtiges Spazierengehen oder gemäßigtes Training auf einem Fahrradergometer, durch Anregung der Durchblutung nachweislich zur schnelleren Genesung beiträgt. Im schlimmsten Fall kann es nach einer mehrmonatigen schmerzfreien Zeit zu einem Rückfall in Gestalt eines zweiten Hexenschusses kommen. Ein Arztbesuch ist dringend anzuraten, um grundlegendere Rückenprobleme ausschließen zu können.
Schädliche Sitzpositionen
Wer Rückenbeschwerden im Allgemeinen und einem Hexenschuss im Besonderen vorbeugen möchte, sollte möglichst viel Bewegung in den Alltag integrieren und beim Tragen schwerer Lasten möglichst die richtigen Techniken anwenden. Stundenlanges Sitzen am Schreibtisch und zu wenig oder gar kein Ausdauertraining sind generell schädlich für die Wirbelsäule. Im Büro kann es schon hilfreich sein, den Stuhl zwischendurch mal durch ein Stehpult zu ersetzen, um dadurch die ewig gleiche, für den Rücken schädliche Sitzposition aufzubrechen. Auch einfache Übungen wie das Kreisen der Arme oder das Dehnen und Strecken der Beine können Verspannungen der Rückenmuskulatur entgegenwirken, die in der Freizeit durch spezielles Krafttraining im Fitnessstudio optimal aufgebaut werden kann.