Die Pietà in der Neuen Wache in Berlin als zentrale Gedenkstätte der Bundesrepublik für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft sowie das Plakat „Nie wieder Krieg" von 1924 – das sind zwei der bekanntesten Werke der Künstlerin Käthe Kollwitz. Dem Kollwitz-Museum in Charlottenburg droht jetzt die Kündigung.
Ausgerechnet im Jubiläumsjahr, in dem der 150. Geburtstag der weltberühmten Künstlerin und das 30-jährige Bestehen des Museums gefeiert werden, gibt es schlechte Nachrichten für den Standort in der Fasanenstraße. Denn dem Museum droht die Kündigung durch den Eigentümer, dem ehemaligen Chef der Villa Grisebach Kunstauktionen, Berndt Schultz.
Bisher hatte Schultz das Museum in der Gründerzeitvilla unterstützt – in dem er verhältnismäßig wenig Miete verlangte. Seit Februar dieses Jahres allerdings ist bekannt, dass er in dem repräsentativen Gebäude gleich neben dem Literaturhaus ein Exil-Museum zur Erinnerung an die vom NS-Regime vertriebenen Menschen einrichten möchte. Schultz ist Mitglied einer Initiative rund um Literatur-Nobelpreisträgerin Hertha Müller, die sich ein solches Museum für Vertriebene gut in Charlottenburg vorstellen kann.
Seit die Pläne für eine solche Einrichtung am bisherigen Standort des Käthe-Kollwitz-Museums bekannt wurden, steht in dem privat betriebenen Haus die Welt Kopf. Astrid Böttcher, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit, erzählt, wie fassungslos die gesamte Belegschaft sei – denn die Nachricht sei aus heiterem Himmel gekommen. Egal ob Kassenfrau, Kurator, Tontechniker oder Direktorin – keiner wolle hier weg.
Verunsicherung beim Museumsteam
Eigentlich freuten sich Mitarbeiter und Freunde des Hauses, so Böttcher, über den Besucherandrang im Jubiläumsjahr, andererseits hänge die drohende Kündigung wie ein Damoklesschwert über ihnen. Natürlich habe man gegen ein geplantes Exilmuseum per se nichts einzuwenden, nur dürften zwei Museen, die die Auswirkungen von Krieg und Diktatur thematisierten, nicht gegeneinander ausgespielt werden.
Der Eigentümer des Museumsgebäudes, Bernd Schultz, hat mittlerweile zwei Etagen einer Immobilie in der Neuköllner Karl-Marx-Straße als Ersatzquartier angeboten – was von den Museumsbetreibern, dem „Verein Käthe-Kollwitz-Museum Berlin und grafische Sammlung Hans-Pels-Leusden e.V", aber abgelehnt wird. Denn einen Umzug nach Neukölln könne man sich nicht so recht vorstellen, sagt Astrid Böttcher, auch Käthe Kollwitz habe keine besondere Beziehung zu dem Stadtteil gehabt.
Und so prüft der Museumsvorstand derzeit alternative Standorte in Berlin, darunter das Schoeler-Schlösschen aus dem 18. Jahrhundert in Berlin-Wilmersdorf. Was nicht von allen begeistert zur Kenntnis genommen wird, schließlich setzt sich dort eine Bürgerinitiative schon länger für die Gründung eines Soziokulturellen Zentrums in dem historischen Gebäude ein.
Trotz der Querelen hinter den Kulissen wurde Käthe Kollwitz‘ 150. Geburtstag am 8. Juli gebührend gefeiert – mit einem Festakt, Konzert und Stadtspaziergang am Kollwitzplatz in Berlin Prenzlauer Berg unweit ihrer alter Heimat. Überhaupt: Im Jubiläumsjahr erweist sich die Dauerausstellung in der Fasanenstraße als Besuchermagnet. Im Museum werden auf vier Etagen Zeichnungen, Grafiken und Plastiken der 1876 in Königsberg geborenen Käthe Kollwitz gezeigt.
Verunsicherung beim Museumsteam
Die setze sich mit dem auseinander, was die Menschen zur Zeit des Ersten und Zweiten Weltkrieges bewegte.
Grundstock der Schau ist die über Jahre gewachsene Kollwitz-Sammlung von Hans Pels-Leusden. Komplettiert wird sie mit Sonderschauen, wie etwa über die Berliner Künstler Lesser Ury und Otto Nagel.
Im Erdgeschoss führt eine Fotostrecke mit Ansichten des noch unzerstörten Berlins in die Zeit ein, zu der Käthe Kollwitz lebte. Es geht um ihre Wohngegend am Prenzlauer Berg und um das „Café Größenwahn", um 1900 der In-Treffpunkt für Bohemiens. Im Nebenraum werden künstlerische Vorbilder wie Max Klinger, Ernst Barlach oder Auguste Rodin sowie Förderer und Freunde wie Max Liebermann gezeigt. Blickfang hier ist eine historische Lithopresse. In der ersten Etage wird dann der Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 thematisiert und wie die Künstlerin darauf reagierte. Besonders eindrücklich sind ihre Zeichnungen, Radierungen und Plakate, in denen sie das Elend der damaligen Zeit aufgriff.
In diesem Teil der Ausstellung geht es aber auch um den Tod ihres zweiten Sohnes Peter, der 1914 als Soldat im Ersten Weltkrieg den Tod fand. Der 18-Jährige hatte sich – unterstützt von der Mutter – freiwillig als Soldat gemeldet. Sein Tod stürzte die Künstlerin in eine Krise, von der sie sich zeitlebens nicht mehr erholte. Ein weiterer Schicksalsschlag war der Tod des erstgeborenen Enkels im Zweiten Weltkrieg. Ihren Schmerz verarbeitete die Künstlerin in zahlreichen Werken wie dem berühmt gewordenen Plakat „Nie wieder Krieg", das sie für die sozialistische Arbeiterbewegung entwarf. 1933 wurde Kollwitz aus der Akademie der Künste gedrängt, ab 1936 durfte sie ihre Kunst nicht mehr ausstellen.
Dem Thema „Käthe Kollwitz und ihre Freunde" ist eine Sonderausstellung gewidmet. Dabei geht es um Menschen aus dem Umfeld der Künstlerin. Künstler und Intellektuelle, die oftmals andere politische Auffassungen als Kollwitz vertraten. Das wird beispielsweise in den vielen Briefen deutlich, die Leihgeber aus Deutschland, der Schweiz und Kanada zur Verfügung gestellt haben. Auch zahlreiche Fotos gibt es, die Käthes Freund-und Bekanntschaften dokumentieren – mit Otto Nagel, Heinrich Zille, Albert Einstein oder Max Liebermann.
Neben den Ausstellungen nimmt die pädagogische Arbeit im Kollwitz-Museum einen wichtigen Raum ein. So gibt es beispielsweise eine ganze Reihe von Angeboten für Kinder und Schülergruppen. Ergebnisse eines Schülerprojekts sind momentan im Kuppelraum des Museums zu sehen, wo derzeit auch die Ausstellung „Ein Koffer für Käthe" gezeigt wird. Hier haben die beteiligten Kinder Briefe an die Künstlerin hinterlassen, nachdem sie sich im Rahmen des Projekts „Ein Geschenk für Käthe" mit der Künstlerin, ihrem Leben und Werk beschäftigt haben.
Hängengeblieben sind bei den Kindern da ganz offenbar die traurigen Momente.
Schüler lernen künstlerische Techniken
„Ich habe Dir dieses Bild gemalt, weil du mir so leidgetan hast, weil du Deinen Sohn verloren hast", heißt es wörtlich in einem der Kinderbriefe. Im Rahmen des Projekts – geleitet von Kunsthistorikerin Dagmar Renfranz und Künstlerin Yili Rojas – ging es aber auch um künstlerische Techniken. Die Kinder lernten nicht nur den richtigen Umgang mit Linoldruck, Radierung und Tiefdruck, sondern versuchten sich in kleinen Theaterstücken der Lebenswelt der Künstlerin anzunähern. Dass sie Käthe Kollwitz nicht als depressive Künstlerin, sondern als kämpferische und starke Frau wahrnahmen, fände sie bemerkenswert, sagt Kursleiterin Yili Rojas.
Aber nicht nur Kinder sind berührt, wenn sie das Museum verlassen, sich mit der Persönlichkeit Käthe Kollwitz beschäftigt haben. In den vergangenen Monaten gab es auch Angebote für und mit Flüchtlingen. Und die, sagt Ingrid Finsterer, Referentin für Bildung im Käthe-Kollwitz-Museum, fühlten sich durch ihr Werk getröstet und in ihren Gefühlen angesprochen. Dabei ging es unter anderem um Trauer um Angehörige, Einsamkeit und Kampf gegen Kriege.