Die Reformation wird manchmal auch als eine der ersten Frauenbewegungen bezeichnet, angestoßen durch den Thesenanschlag Martin Luthers an der Schlosskirche in Wittenberg. Denn nun konnten Nonnen Klöster verlassen und heiraten, Frauen wurde Bildung ermöglicht, mitunter sogar die Ausübung eines Berufs.
Natürlich müsse die Entwicklung durch die Reformation im Zusammenhang mit den üblichen Lebensbedingungen von Frauen im ausgehenden 15. Jahrhundert gesehen werden, sagt Elke Kirchner-Goetze, Studienleiterin Frauenarbeit der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-Oberlausitz. Es sei eine unsichere Zeit gewesen, mit Epidemien und teilweise katastrophalen hygienischen Zuständen. Viele Frauen starben bei oder nach einer Geburt. Zudem galt eine strenge Ständeordnung, für Frauen der sozial schwächeren Klassen war harte körperliche Arbeit Alltag, für die Töchter wohlhabender Bürger oder von Adelsfamilien jegliche Arbeit verpönt. Ziel war es, sich möglichst vorteilhaft zu verheiraten. Wenn das Familien bei mehreren Töchtern nicht gelang, landeten diese oft im Kloster. Immerhin, in den Klöstern konnten Frauen lesen und schreiben lernen, sich theologische Bildung aneignen, was bereits einen gewaltigen Unterschied zum Leben außerhalb der Klostermauern ausmachte. So wie auch für Katharina von Bora, die Elke Kirchner-Goetze als eine der interessantesten Frauen der Reformationszeit bezeichnet.
Katharina von Bora wurde vermutlich 1499 geboren – dazu gibt es unterschiedliche Angaben. Sie stammte aus dem sächsischen Landadel und wurde zur Erziehung ins Kloster Marienthron bei Grimma in Sachsen gegeben. Dort lernte sie lesen, schreiben, singen – aber auch betriebswirtschaftliche Abläufe in der zum Kloster gehörenden Landwirtschaft. Im Jahr 1515 legte sie ihr Gelübde als Nonne ab. Kurz darauf fanden die ersten Schriften Martin Luthers ihren Weg auch in verschiedene Klöster. Die Entscheidung, ins Kloster zu gehen, könne durchaus auch wieder rückgängig gemacht werden, hieß es da.
Darauf verließen zahlreiche Mönche und Nonnen ihre Klöster, denn in den seltensten Fällen hatten sich die Frauen und Männer diesen Weg freiwillig gewählt. Und auch in Marienthron beschloss eine Gruppe von Nonnen um Katharina von Bora, die Mauern des Klosters hinter sich zu lassen – was eine ziemlich abenteuerliche Angelegenheit war. Ganz genau wisse man natürlich nicht, wie sich diese „Flucht“ abgespielt habe, sagt Magdalena Möbius, Pfarrerin für Frauenarbeit bei der evangelischen Landeskirche Berlin-Brandenburg-Oberlausitz. Vermutlich wurden die Frauen auf einem Wagen mit Waren aus dem Kloster „herausgeschmuggelt“ und zunächst nach Wittenberg gebracht. Was aber sollte mit ihnen geschehen?
Fest stand, die Frauen sollten verheiratet werden, was bei Katharina von Bora im ersten Anlauf misslang – die Familie ihres Wunschkandidaten lehnte sie offenbar wegen Standesunterschieden ab. Einen weiteren von Martin Luther vermittelten Bewerber lehnte die junge Frau wiederum ab – und soll gesagt haben, dass sie höchstens Luther selbst heiraten wolle, wenn sie denn schon „unter die Haube“ gebracht werden müsse. Im Juni 1525 wurden die beiden im Schwarzen Kloster, dem späteren Wohnhaus der Familie, in Wittenberg getraut, und Katharina entwickelte sich schnell zur zupackenden Managerin eines immer größer werdenden Haushalts, sagt Elke Kirchner-Götze: „Man weiß heute, dass der Haushalt anfangs nicht besonders wohlhabend war. Luther selbst konnte anscheinend nicht gut mit Geld umgehen, hatte aber sehr häufig Gäste. Durchreisende Theologen oder Studenten beispielsweise, die mehr vom Reformator über dessen Thesen erfahren und lernen wollten.“
Aus dem Kloster herausgeschmuggelt
Katharina war aber nicht die einzige aus Marienthron geflohene Nonne, die ein selbstbestimmtes Leben führen konnte. Zu der Gruppe gehörte auch Magdalena von Staupitz, die im Kloster die Aufgabe der Organistin und Kantorin übernommen hatte. Nach ihrer Flucht lebte sie einige Jahre als Hauslehrerin in Wittenberg – im Jahr 1529 wurde sie Leiterin der ersten Elementarschule für Mädchen im sächsischen Grimma. Geradezu revolutionär sei das für die damalige Zeit gewesen, sagt Elke Kirchner-Götze. Nicht nur für Magdalena selbst, die quasi als Unternehmerin auftrat, sondern auch, weil es bis dahin keine Schulen für Mädchen gegeben hatte, in denen sie Deutsch lesen und schreiben lernen konnten. Auch dieses Eintreten für gleichberechtigtes Lernen von Mädchen und Jungen, Männern und Frauen sei eine der Errungenschaften der Reformation, die überhaupt als gesellschaftliche Bewegung gesehen werden müsse.
Denn plötzlich seien andere Lebenswege und Berufsbilder für Frauen denkbar gewesen. Womöglich ist das der Grund, weshalb zum Beispiel auch in Brandenburg die Landesfürstin zum neuen Glauben übertrat. Elisabeth, Kurfürstin von Brandenburg, bekannte sich zu Luthers Lehren, trat 1527 zum neuen Glauben über, in dem sie das Abendmahl in „beiderlei Gestalt“ nahm.
Sie ließ sich auch von ihrem Gemahl, Kurfürst Joachim I., nicht davon abbringen und entschloss sich 1528 zur Flucht aus Berlin, da sie um ihr Leben, zumindest aber eine lebenslange Haft fürchten musste. Erst knapp 20 Jahre später konnte sie an den Hof nach Berlin zurückkehren, gilt aber dennoch als eine der „Mütter der Reformation“ in Brandenburg und Berlin.
„Ein Übertritt des Landesfürsten oder seiner Gemahlin zum lutherischen Glauben bedeutete oft für die Untertanen, dass diese nun auch lutherisch waren“, sagt Elke Kirchner-Götze. Das habe aber auch immer wieder zu Konflikten geführt. Beispielsweise in Klöstern, denn vielerorts wehrten sich die Nonnen dagegen, in ein weltliches Leben zurückgedrängt zu werden.
Einen etwas anderen Weg ging man beispielsweise im Kloster Heiligengrabe im Nordwesten Brandenburgs. Nachdem Kurfürst Joachim II. die Reformation in Brandenburg eingeführt hatte, verließen die Nonnen unter der Äbtissin Anna von Quitzow zunächst das Kloster, kehrten aber schon ein Jahr später wieder zurück. Seit Ende des 16. Jahrhunderts gibt es in Heiligengrabe ein evangelisches Frauenstift, in dem auch noch heute Stiftsdamen leben und religiös, sozial aber auch pädagogisch tätig sind.