Dichte Regen- und Nebelwälder in allen Grüntönen, dazwischen kunterbunte Tiere und Pflanzen. Fast ein Viertel von Costa Rica steht unter Naturschutz. Es gibt Ökolodges und umweltfreundliche Hotels, die Solarenergie verwenden und Wasser zur Wiederverwertung filtern. Wer die vollkommen unberührte Natur vorzieht, findet sie in einem der vielen Schutzgebiete.
Leise geht es durch den Regenwald. Vicy, der Guide hält sein Fernglas in die Höhe und zeigt mit dem Finger in Richtung Baumwipfel. „Da ist der Schnabel des bunten Fischertukans.“ Hoch oben hat er sich gut im Laubwerk getarnt und beobachtet uns. Als wir das Objektiv fokussiert haben, fliegt er davon. „Um ein perfektes Foto von diesen farbenfrohen Vögeln zu bekommen, braucht man viel Geduld und Konzentration“, sagt unser Guide. Ein winziger grüner Frosch mit roten Augen versucht, sich zu verstecken. Er ist der schönste unter den Fröschen und auf jedem Reiseführer abgebildet, quasi das Nationaltier von Costa Rica. Doch auch er wittert Gefahr, lässt seinen Hals anschwellen und versteckt sich unter einem riesigen Farnblatt. Mitten im Volcano Tenorio National Park im Anwesen von Donald und Pip Varella ist tierisch etwas los. Gern führen die Beiden Touristen durch ihr Naturparadies, das sich beim näheren Hinsehen auch als ideales Biotop für Frösche, Basilisken, Vögel, Schmetterlinge und Insekten aller Art entpuppt. Palmen aus verschiedenen Ländern gedeihen neben Pandanusbäumen aus Australien oder Mandelbäumen aus Mittelamerika. Zwischendrin wachsen in den buntesten Varianten Blumen, Sträucher und Bäume aus aller Herren Länder. Donald zeigt auf einen riesigen Guanacastebaum, der seit seiner Anpflanzung immer höher in den Himmel wächst. Diesen habe er mit Beginn des Familienbetriebes auf dem Areal selbst gesetzt
Mit Einnahmen aus Tourismus und Landwirtschaft schützt er sein privates Regenwaldreservat. „Wir haben uns konsequente Nachhaltigkeit auf die Fahne geschrieben.“ Der Käse kommt von den eigenen Kühen und Pip bietet Schulungen für die Mitarbeiter, in der umweltfreundliche Arbeitsweisen erklärt werden. Um das Ökosystem stabil zu halten, darf jeder Gast einen Baum pflanzen. Donald schlägt mit der Machete ein Stück auf dem Wiesenboden frei. Der Chilamatebaum mit seinen feigenähnlichen Blättern, den ich setzen darf, steht wie verloren zwischen den großen Bäumen. Es wird einige Zeit dauern, bis er eine stattliche Größe erreicht hat, sich Affen und Faultiere an den Früchten satt fressen oder sich Vögel niederlassen und erhaben in die Ferne schauen können. Mittlerweile machen die ersten Reisegruppen aus Deutschland in den geräumigen Holzhütten Urlaub. Donald und Pip sind nicht die Einzigen, die das Zertifikat CFS (Zertifizierung von nachhaltigem Tourismus) erhalten haben und sich im Naturschutz engagieren. Während die Bauern zwischen dem Zweiten Weltkrieg und den 80er-Jahren insgesamt ein Drittel der Wälder Costa Ricas in Weiden für ihre Kühe verwandelten, um McDonald’s und Co. mit Fleisch zu versorgen, erkennen die Ticos heute in den Wäldern einen natürlichen Schatz.
Am Ende des Weges ohne Straßenlärm, umgeben von dicht bewaldeten Hängen, steht mittendrin die „Tenorio Lodge“. Die Betreiber setzen mit Restaurant und robusten großzügigen Blockhütten auf alternative Energiegewinnung und organischen Anbau. Zum Einschlafen und Aufwachen spielt die Natur eine Symphonie aus Blätterrauschen und Tierlauten. Am frühen Morgen allerdings zerreißt ein lautes Gebrüll die tropische Stille. Was für ein Tier mag das sein? Es klingt fast wie ein Löwe! Den gibt es in Mittelamerika allerdings nicht. Ein Blick in die Baumkronen offenbart die Schreihälse. Eine Gruppe Brüllaffen turnt durch die Wipfel, auf der Suche nach saftigen Blättern und Früchten. Vicy zeigt uns, welche Tiere des Nachts um unsere Häuser geschlichen sind. Scheinbar war es doch nicht so einsam, wie die Dschungelkulisse vermuten ließ. Auf einem nur sieben Hektar großen Wiesenstück ließen die Betreiber einen Sekundärwald mit einem tropischen Ökosystem entstehen, der heute mit seinen Kaimanen, Fröschen, Faultieren, blauen Morphus-Schmetterlingen und zahlreichen Vogelarten Besucher anlockt. Mitten auf dem Grundstück hängt ein Faultier am Ast eines bemoosten Urwaldriesen. Die Augen sind fest geschlossen, die langen Krallen umschließen auch im Schlaf das Holz. Das Tier macht seinem Namen alle Ehre und lässt sich von den „Eindringlingen“ nicht stören.
Im Nebelwald von Monteverde ist wieder zugewachsen, was im vergangenen Jahrhundert abgeholzt wurde. Der Nationalpark bietet Chlorophyll pur. Die Artenvielfalt ist weltberühmt. Das bis heute private Reservat geht auf das Konto der Quäker. Aus Enttäuschung über den Koreakrieg verließen sie in den 50er-Jahren die USA und fanden in den Bergen Costa Ricas die heile Welt, die sie suchten. Bis heute sind die Quäker aktiv, um dieses Areal zu schützen.
Auf den acht schwankenden riesigen Hängebrücken die in zwölf bis 60 Metern Höhe schweben, kommt der Tourist dem quirligen Leben auf der obersten Baumebene sehr nah. Meterdicke Lianen verbinden Himmel und Erde. Die Wedel der Baumfarne, die Dinos der Flora, lassen sich vom Wind schaukeln. Auf dem benachbarten Busch liegt eine Giftschlange, die wegen der Tarnung ohne Guide nicht zu sehen ist. Aus dem Inneren einer Bromelie schaut neugierig ein blauer Schmetterling heraus. Blattschneideameisen rennen geschäftig die Stämme hinauf und hinunter, unterschiedlichste Käfer und Vögel huschen durch das dunkle Grün. Im Netz einer goldenen Seidenspinne glitzern Regentropfen.
Das zarte Gespinst ist so stabil, dass es mit dem Finger nicht zu zerreißen ist. Eine unglaubliche Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten lebt hier oben in luftiger Höhe, nahe dem Sonnenlicht und weit weg von den Gefahren der Ebene. Dabei erfassen ungeübte Augen nur einen Bruchteil davon. Irgendwo da oben, im dichten Geäst des Regenwaldes, soll der bunte Quetzal-Vogel leben. Zu sehen ist er nicht. Schließlich ist das kein Zoo. Sicher hat er sich irgendwo in den Brotfruchtbäumen, Caobillas oder Mandelbäumen versteckt. Die Bäume gedeihen in dem jährlich mit bis zu 6.000 Millimetern Regen bewässerten Boden prächtig. Sie locken Vögel an, die weitere Samen herantragen und damit die Biodiversität vergrößern.
So entsteht ein Bewuchs, der dem ursprünglichen Primärwald sehr ähnlich ist. Im dichten Geflecht der Baumkronen liegt eine verborgene Welt, die der Biologe Terry systematisch erforscht hat. Er suchte Baum für Baum und Hektar für Hektar nach Käfern und Insekten und überraschte die Wissenschaft mit geschätzten 30 Millionen Arten aus Mittelamerika. Neben den Umweltthemen kommen in Costa Rica allerdings auch das Vergnügen und sportliche Abenteuer nicht zu kurz: Die Ticos haben Stahlseile (Zip-Lines) zwischen den Baumkronen gespannt. Diejenigen, die die Natur aus der Vogelperspektive erleben möchten, werden mit Sicherheitsgurten und Helmen ausgestattet und sausen in Höhe der Baumwipfel über Schluchten, Bäche und üppige Vegetation.