Eigentlich müsste unser Planet „Wasser“ statt „Erde“ heißen. Denn immerhin bedecken die Meere 71 Prozent seiner Oberfläche. Die riesigen Wasserkörper speichern und transportieren Wärme und regulieren und stabilisieren so unser Wetter und das Klima.
Es gibt kaum etwas, worüber so viel gesprochen wird, wie über das Wetter. Doch was kaum jemand weiß: Wie morgen das Wetter in Mitteleuropa wird, entscheidet sich häufig bereits heute über dem Nordatlantik. Denn ob es regnet, die Sonne scheint, es stürmt oder schneit – das hängt in Mitteleuropa oft von zwei relativ ortsfesten Drucksystemen über dem Atlantik ab: dem Azorenhoch und dem Islandtief. Bestimmt das Azorenhoch unser Wetter, wird es mild. Setzt sich das Tief über Island durch, kühlt die Luft deutlich ab.
Am Himmel kommt der Kreislauf überwiegend deshalb in Schwung, weil warme Luft leichter ist als kalte – und aufsteigt. Sobald die Sonnenstrahlen die Atmosphäre durchdringen, treffen sie auf Kontinente oder Meere und heizen diese auf. Besonders heiß her geht es dabei am Äquator, wo mehr Sonnenstrahlen ankommen als an jedem anderen Punkt der Erde. Sie lösen den Kreislauf aus, der weltweit das Klima beeinflusst: Wind- und Meeresströmungen verteilen die Wärme von dort über die ganze Erdoberfläche. Die warme Luft zieht bis in große Höhen und vom Äquator weg. Auf dem Weg nach Norden oder Süden gibt sie ihre Wärme ab, kühlt aus, sinkt wieder nach unten und strömt zurück in Richtung Äquator. Die Luft kreist also.
Bei den Meeresströmungen verhält es sich ähnlich: Der Golfstrom beispielsweise, der mehr als 30 Mal so viel Wasser wie alle Flüsse unseres Planeten zusammen befördert, transportiert warmes Wasser vom Äquator in Richtung Norden. Wasser und Luft bleiben dadurch warm, Nordsee und Elbmündung ganzjährig eisfrei. In einer einzigen Sekunde bringt der Golfstrom etwa 2.000 Mal mehr Wärme in unsere Breiten, als alle europäischen Kraftwerke zusammengerechnet produzieren können. Der Atlantik bestimmt also auch langfristig das relativ milde Klima Mitteleuropas. Während in Bremerhaven das Temperaturmittel im Februar plus 1,7 Grad Celsius beträgt, liegt es in Goose Bay auf Labrador bei minus 15,5 Grad – und das, obwohl die kanadische Stadt südlicher als Bremerhaven liegt.
Die Meere sind ein riesiger Heizkörper
Der ozeanische Transport erfolgt sowohl durch Oberflächen- als auch Tiefenströmungen. Die Oberflächenströme und ihr Energietransport werden durch Wind angetrieben, die Tiefenströme hauptsächlich durch Dichteunterschiede des Meerwassers, die einerseits durch die Temperatur, andererseits durch den Salzgehalt bestimmt werden. Temperatur und Salzgehalt des oberflächennahen Meerwassers und somit seine Dichte werden durch Energie- und Frischwasserflüsse, also Niederschlag und Verdunstung zwischen Atmosphäre und Ozean beeinflusst, der Salzgehalt von Meerwasser darüber hinaus durch Frischwasserzufuhr vom Land oder schmelzendes beziehungsweise gefrierendes Meereis. Die windgetriebenen Oberflächenströmungen und die Tiefenzirkulation stehen in einem engen Wechselverhältnis: Winde treiben Wasser mit hohem Salzgehalt in Gebiete, in denen es abkühlt und absinkt, so wie im Nordatlantik, oder sie treiben warmes Oberflächenwasser von Küsten weg, wodurch kälteres Tiefenwasser aufsteigen kann, wie in Auftriebszonen vor einigen Westküsten der Kontinente.
Würde beispielsweise der Golfstrom kein warmes Wasser mehr aus dem Golf von Mexiko in unsere Regionen bringen, würden die Lufttemperaturen in Nordeuropa um etwa zehn Grad Celsius fallen. Auch eine Veränderung der Strömungsrichtung des Golfstroms hätte für uns in Europa gravierende Folgen: Eine neue Eiszeit könnte drohen. Jede Veränderung in der Tiefsee könnte dramatische Folgen haben.
Nicht nur an diesem Beispiel zeigt sich, wie die Meere das globale Klima bestimmen. Die Ozeane speichern und transportieren Wärme und wirken wie ein gigantischer Heizkörper. Sie sind der wichtigste Stabilisator des globalen Klimasystems. Dabei stehen Ozeane und Atmosphäre in wechselseitiger Abhängigkeit zueinander: Diese Wechselwirkungen beeinflussen unmittelbar die Lebensräume in den Meeren, ebenso wie die Ökosysteme an Land und betreffen somit das gesamte „System Erde“.
Steigt die Wassertemperatur im Meer, erwärmt sich die Luft, und das Eis der Pole und Gletscher schmilzt. Dies führt zu einem Anstieg des Meeresspiegels und berührt die Lebensräume, aber auch die Lebensgrundlage von Millionen von Menschen. Überschwemmungen, Flutkatastrophen und dramatische Lebensraumverluste sind die Konsequenz für die Natur und den Mensch, der dann mit aufwendigen Küstenschutzmaßnahmen entgegengewirken muss. Allein 3,5 Millionen Menschen leben in den tiefgelegenen Gebieten am europäischen Wattenmeer.
Wie können Bürger auf diese Entwicklungen Einfluss nehmen? Experten raten beispielsweise, auch die tägliche Autofahrt zur Arbeit auf den Prüfstand zu stellen, weil man dadurch seinen eigenen Beitrag zur Verbesserung der Schadstoffbilanz leisten kann. Denn die Ozeane nehmen 50 Mal mehr Treibhausgase auf als die Atmosphäre und rund 30 Prozent des jährlich vom Menschen verursachten Kohlendioxids, das unter anderem bei Autofahrten mit Verbrennungsmotoren anfällt und zwischen Ozeanen und Atmosphäre ausgetauscht wird. Wenn Kohlendioxid sich im Wasser löst, bildet es Kohlensäure. Dies hat bereits dazu geführt, dass der pH-Wert des Meerwassers in den letzten Jahrzehnten um durchschnittlich 1,1 Einheiten gesunken ist – die Meere werden sauer.
Da Säuren Kalk auflösen, macht eine saure Umgebung vor allem den Schalentieren das Leben schwer. Denn diese können ihr Kalkskelett unter solchen Umständen nicht mehr aufbauen. Insbesondere Korallen, Stachelhäuter wie Seesterne und Seeigel, Schnecken, Muscheln, Algen und Weichtiere leiden unter der Versauerung.
Dabei sind Korallenriffe von großer Bedeutung. Sollte manche Menschen das Argument, sie seien als „Regenwälder des Meeres“ Lebensraum von etwa einer Million Arten, noch nicht überzeugen, so ist ihnen hoffentlich bewusst, dass Riffe auch natürlichen Schutz vor starken Ozeanwellen bieten. Sie sind Ressourcen von pharmazeutischen Wirkstoffen und können eine Küstenregion zum Touristenmagnetpunkt machen.
Auch das mikroskopisch kleine Plankton, die Grundlage des marinen Nahrungsnetzes, besitzt teilweise Kalkstrukturen und ist daher sehr empfindlich gegenüber der Versauerung. Eine Veränderung im Plankton hat deshalb schwerwiegende Konsequenzen für das gesamte Ökosystem: Tiere wie der Riesenhai oder der Blauwal ernähren sich zum Beispiel direkt von Plankton, an anderer Stelle treten indirekte Auswirkungen auf: Phytoplankton etwa ist Grundnahrungsmittel von Zooplankton, das von Heringen gefressen wird. Der landet im Maul des Kabeljau, den wiederum die Robben gerne verspeisen, die dann von Orcas und Haien gejagt werden.
Aufgrund der globalen Erwärmung hat die Häufigkeit von Tropenstürmen seit 1970 um mehr als 75 Prozent zugenommen.
Eine weitere Folge des Klimawandels ist auch die Zunahme von Tropenstürmen wie Taifunen und Hurricanes. Auch hierbei spielen die Ozeane die entscheidende Rolle. Da Tropenstürme nur entstehen können, wenn die ersten 50 bis 100 Meter des Meeres über 26 Grad warm sind, verwundert es nicht, dass die Intensität der Stürme mit der globalen Erwärmung immer weiter steigt. Tatsächlich hat ihre Häufigkeit seit 1970 um mehr als 75 Prozent zugenommen. Fast immer sind Zerstörung, Hunger, Krankheiten und Tod die Folgen der Naturkatastrophen.
Forscher erwarten, dass die Ozeane zunehmend weniger CO2 aufnehmen können. Dies dürfte den Klimawandel weiter beschleunigen und den Treibhauseffekt noch einmal verstärken. Es liegt (auch) an uns!