Die Zeichen mehren sich: Im kommenden Jahr könnte die Europäische Zentralbank aus den billionenschweren Anleihekäufen aussteigen. Die Notenbank allein aber wird die Krise nicht lösen: EZB-Chef Mario Draghi nimmt die Staaten mit in die Verantwortung.
Die Banken sind gerüstet. Dieser Meinung ist die Europäische Zentralbank (EZB) nach einem Stresstest von 111 Banken in Europa. Sie würden plötzlich steigende Zinsen verkraften. Insgesamt gebe es keinen Grund zur Sorge, sagte Korbinian Ibel, Generaldirektor bei der EZB-Bankenaufsicht bei der Vorstellung der Ergebnisse des abgespeckten Stresstests. 51 Institute brauchen nach den Ergebnissen des Tests allerdings etwas mehr Kapital. Eigenkapital gilt als Puffer für Krisen. Seit Jahren müssen sich die Banken mit niedrigen, teils sogar negativen Zinsen in Europa arrangieren. Grundsätzlich sind höhere Zinsen gut für die Institute, da sie dann mehr verdienen. Steigen die Zinsen allerdings zu schnell zu stark, spricht man von einem Zinsschock. Dieser gilt als Gift für den gesamten Finanzmarkt – und für Bauherren. Anleger, die das Risiko am Aktienmarkt scheuen, wären mit steigenden Zinsen allerdings zufrieden.
Die Zinsen könnten also steigen – nur wann? Am 26. Oktober treffen sich die Zentralbanker erneut, Thema wird dort allerdings eher der Ausstieg aus dem Anleiheankauf sein. Noch bis Dezember will die EZB 60 Milliarden Euro monatlich in den Kauf von Unternehmens- und Staatsanleihen pumpen. Insgesamt umfasst das Programm dann mehr als zwei Billionen Euro. Kritiker werfen der EZB seit Langem vor, mit diesem Kaufprogramm Schuldenstaaten wie Spanien und Portugal zu noch mehr Ausgaben zu verleiten. EZB-Chef Mario Draghi argumentiert, damit die Liquidität aller Marktteilnehmer, Staaten, Banken, Fonds und Unternehmen zu erhöhen und gleichzeitig die Inflation anzukurbeln.
Vermehrte Zuversicht in der Zentralbank
Das Kaufprogramm, das die europäische Wirtschaft insgesamt wieder in Schwung bringen soll, funktioniert im Augenblick nicht in vollem Umfang. Zwar ist das Wachstum in der Eurozone in den vergangenen Monaten gestiegen. Aber die Zinsen sinken, da viel Geld im Umlauf ist und die Banken somit ein höheres Kreditvolumen erreichen können. Gleichzeitig steigt der Druck auf Lebens- oder Rentenversicherer: Sie müssen für ihre Kunden Zinsen am freien Markt erwirtschaften. Sind diese niedrig, kommt auch beim Kunden kaum noch etwas an Zinsertrag an. Auch die Teuerungsrate in der Eurozone bleibt nach einem kurzen Zwei-Prozent-Hoch in diesem Jahr bei unbefriedigenden 1,5 Prozent, auch dank des erstarkten Euros. Ziel der Notenbank sind 1,9 Prozent.
Trotzdem mehren sich die Stimmen, die eine Abkehr vom expansiven Kurs der EZB fordern – auch innerhalb der Zentralbank. Sabine Lautenschläger, EZB-Direktorin und stellvertretende Vorsitzende der EU-Bankenaufsicht, forderte unlängst im „Handelsblatt“ einen Plan für einen schrittweisen Ausstieg aus den Anleihekäufen. Sie vertraut darauf, dass die Inflation den gewünschten Stand erreicht. Die Zinsen aber würden noch auf längere Sicht niedrig bleiben.
Dass die Inflation maßgeblich steigen wird, damit rechnet bis Ende des Jahres kaum jemand. Mario Draghi bleibt jedoch unbeirrt bei seinem Kurs. Gleichzeitig fordert er die Eurostaaten auf, selbst mehr für das Wachstum zu unternehmen – etwa durch Investitionen in Bildung und das Gesundheitssystem. Für den Sparer ändert sich erst einmal nichts: niedrige Zinsen begünstigen die Bauherren und Kreditnehmer, aber nicht den konservativen Sparer. Wer mehr Rendite erwirtschaften will, sollte weiterhin auf den Aktien- und Anleihemarkt ausweichen. Hier ist jedoch auch Vorsicht angesagt: Sollte die EZB aus den Anleihekäufen aussteigen, könnte das den Anleihemarkt in Turbulenzen stürzen, weil ein sicherer Käufer mehr und mehr auszufallen beginnt – ein Problem für Anleihen mit längeren Laufzeiten. Hier empfehlen sich also Anleihen mit unterschiedlich langen Laufzeiten, um das Risiko besser zu verteilen. Generell sollten Anleger immer darauf achten, ihr Geld bei einer realen Verzinsung von nicht weniger als der Inflationsrate anzulegen, raten Anlageexperten – ansonsten verlieren sie, statt zu gewinnen.