Mit den Haushaltsberatungen für 2018 will das Saarland die letzten Etappen zur Einhaltung der Schuldenbremse angehen. Angesichts der laufenden Koalitionsgespräche in Berlin sind viele Rahmenbedingungen noch unklar.
Die erste offizielle Reaktion klang ziemlich nüchtern und sachlich: „Mit dieser Einigung können wir im Saarland gut leben.“ Das war vor gut zehn Monaten. Die mehr als zweijährigen zähen und immer wieder vom Scheitern bedrohten Verhandlungen über die neuen Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern waren abgeschlossen. Für das Saarland war damit eine existenzielle Frage zumindest im Grundsatz beantwortet.
Die im März neu gewählten Abgeordneten im Landtag stehen bei ihrer ersten Haushaltsberatung (ab dem 24. Oktober) nicht mehr unter dem enormen Druck, der auf ihren Vorgängern in den letzten fünf Jahren gelastet hat. Was nicht heißt, dass die roten Stifte bei den Beratungen des Haushalts für 2018 in der Schublade bleiben würden. Schließlich gilt zum einen die neue Finanzstatik erst ab 2020, zweitens ist das bis dahin vereinbarte Konsolidierungsziel noch nicht erreicht, und drittens ist noch nicht geklärt, unter welchen Bedingungen die Finanzplanungen für die kommenden beiden Jahre stehen werden.
Bislang gilt der vom Stabilitätsrat regelmäßig überprüfte Konsolidierungspfad als Voraussetzung, um jährlich 260 Millionen Euro Hilfen zu bekommen. Und bislang steht immer noch das unermüdliche ceterum censeo von Finanzminister Stephan Toscani (CDU) im Raum, wonach die letzten Stufen bis zur Einhaltung der Schuldenbremse, also einem Haushalt ohne neue Schuldenaufnahme, die steilsten sein würden.
Und das sind nun mal die Haushaltsjahre 2018 und 2019.
Seitdem die Schuldenbremse (beschlossen 2009) im Grundgesetz steht und der Weg zur Einhaltung ab 2020 für die Länder definiert ist, haben sich die Rahmenbedingungen verändert. In den letzten Jahren haben gute Konjunktur mit Steuermehreinnahmen und gleichzeitig historisch einmalig niedrige Zinsen das Leben für die Haushälter etwas leichter gemacht. Dass die konjunkturelle Entwicklung für die exportorientierte Saar-Wirtschaft immer etwas anfällig ist, ist kein Geheimnis. So sind die Folgen des Brexit längst nicht abschließend einschätzbar. Das Königreich war zuletzt vor Frankreich größter Abnehmer saarländischer Exporte. Ebenso wenig sind die Folgen der aktuellen Diskussion für den Automobilstandort Saarland absehbar.
Unsicherheit, Zinsen und Brexit
Weniger bedrohlich ist aber offensichtlich die immer wieder beschworene Gefahr steigender Zinsen. Im Finanzministerium hat man die Niedrigzinsphase für Umschuldungen genutzt und dabei die Kreditlaufzeiten verdoppelt, womit sich das Land längerfristig günstige Zinsen gesichert hat. Nach Angaben des Ministeriums werden jährlich etwa zehn Prozent der aktuell etwa 14,4 Milliarden Altschulden zu günstigeren Konditionen umgeschichtet. Musste das Land vor fünf Jahren noch mit rund 500 Millionen Euro Zinsen planen, sind die ÂZinsaufwendungen inzwischen auf deutlich unter 400 Millionen Euro gesunken.
Noch ziemlich unklar sind zwei Aspekte, die einerseits im Zusammenhang mit der neu vereinbarten Bund-Länder-Finanzordnung, andererseits mit den Folgen der Bundestagswahl zusammenhängen.
Nach der Einigung über den künftigen Finanzausgleich kann das Saarland mit jährlich 400 Millionen Sanierungshilfe rechnen, die im Gegensatz zu den bisherigen 260 Millionen nicht befristet und lediglich teilweise zweckgebunden sind für „Maßnahmen zum Abbau der übermäßigen Verschuldung“. Dafür müssen im Schnitt rund 80 Millionen eingesetzt werden. Der Landesrechnungshof hat deshalb vorgerechnet: Würden tatsächlich pro Jahr 80 Millionen zur Schuldentilgung eingesetzt, wäre das Land im günstigen Fall in rund 183 Jahren schuldenfrei sein.
Der Rechnungshof hatte deshalb auch schon vor Jahren eine Lösung für die Altlasten („Deutschlandfonds“) gefordert. Auch die Landesregierung hatte zu Beginn der Verhandlungen über die Finanzbeziehungen eine Altlastenregelung angestrebt, was politisch aber nicht durchsetzbar war.
Der Haken ist nun, dass diese Sanierungshilfen (plus etwa 100 Millionen aus den anderen Ausgleichsströmen) erst ab 2020 zur Verfügung stehen. Bis dahin die nächsten Jahre einen gnadenlosen Sparkurs fahren, möglicherweise Strukturen abbauen, die anschließend mit größerem Spielraum wieder aufgebaut werden müssten, macht wenig Sinn. Allerdings wäre das Land nach den derzeitigen Vereinbarungen verpflichtet. Das heißt konkret, dass nun vor dem Hintergrund der großen Einigung über die konkrete Gestaltung der Zwischenphase neue Vereinbarungen getroffen werden müssen. Was aber, nach Einschätzung aller Beteiligter, auf keine unüberwindbaren Hürden stoßen dürfte. Es könnte nach dem Beispiel des Stellenabbaus im öffentlichen Dienst gelingen. Von den ursprünglichen 2.400 Stellen (zehn Prozent), die bis 2020 gestrichen werden sollten, ist man auf etwa 2.000 zurückgegangen und hat den sukzessiven Abbau zudem zeitlich gestreckt. Grund dafür waren und sind deutliche Mehrbedarfe angesichts geänderter Situationen bei der Polizei und an den Schulen. Klar ist aber, dass die Einhaltung der Defizitobergrenze insbesondere 2019 „nur mit Hilfe von Einzelmaßnahmen“ gelingen könne, betont Toscani. Gemeint ist damit wohl, dass es keine folgenreichen strukturellen Einschnitte geben soll.
Investitionen erst in Zukunft
Erheblich ungewisser ist, welche Steuerideen im künftigen Berliner Koalitionsvertrag stehen werden. Angesichts zuletzt üppig sprudelnder Steuereinnahmen hatte im Wahlkampf jede Partei irgendeine Form von Entlastung für die Steuerzahlen angekündigt. Somit war auch im saarländischen Finanzministerium bei der Entwicklung des Haushaltsentwurfs klar, dass man mit geringeren Einnahmen kalkulieren muss. „Wir haben Vorsorge getroffen“, unterstreicht Minister Toscani. Etwa 60 Millionen Mindereinnahmen sind eingepreist. Ob die ausreichen ist angesichts der Forderungen etwa der FDP zu den Koalitionsverhandlungen fraglich.
Mit Aussicht auf die künftig wieder größere Spielräume vor allem für längst überfällige Investitionen muss und will die Neuauflage der Großen Koalition bereits ab dem kommenden Jahr die Grundlagen dafür schaffen, dass diese auch umgesetzt werden können, sprich die planerischen Voraussetzungen schaffen und dafür notwendige Personalkapazitäten bereitstellen. Wobei daran erkennbar wird, wie kontraproduktiv sich die Schuldenbremse an etlichen Stellen ausgewirkt hat. Investitionen wurden zurückgefahren und Know-how abgebaut.
Die Investitionsquoten brachten dem Land zuletzt im Ländervergleich zwar „nicht die rote Laterne“ (Toscani), aber eben doch nur einen Platz im unteren Drittel. Der Entwurf der Regierung für 2018 sieht nun Investitionen von 365 Millionen Euro vor, eine Steigerung gegenüber dem Ansatz für das laufende Jahr um zehn Prozent. Zum Vergleich: Der Abschluss für das Jahr 2016 weist Investitionen von 367 Millionen aus (das waren 30 Millionen mehr als ursprünglich geplant). CDU und SPD hatten sich im Koalitionsvertrag auf eine „Investitionsoffensive Saar“ verständigt, mit der sie in ein „Jahrzehnt der Investitionen für Land und Kommunen“ starten wollen. Ab 2020 soll das Investitionsvolumen um zunächst 50 Millionen Euro angehoben werden, Ziel ist ein Gesamtvolumen von einer Milliarde Euro im Zeitraum 2020 bis 2030.
„Die schwarze Null rückt in greifbare Nähe“, kommentierte Toscani den vom Kabinett gebilligten Entwurf. Die Reaktion folgte prompt: „Schwarze Null macht null Sinn“, sagte der finanzpolitische Sprecher der Linken, Jochen Flackus. Die veranschlagten Investitionen seien „viel zu gering“. Allein an der Universität gebe es bei Gebäuden einen Sanierungsstau von rund 400 Millionen Euro. Ebenso sei der Zustand von Schulen und Krankenhäusern „bedenklich“.