Vier Jahre war Philipp Lengsfeld Abgeordneter im Deutschen Bundestag. Dann stellte ihn die CDU nicht wieder auf. Der promovierte Physiker über die Partei und darüber, was von seiner Arbeit als Parlamentarier nach dem Ausscheiden bleibt.
Herr Dr. Lengsfeld, die Bundestagswahl ist vorbei. Wie geht es Ihnen?
Mir hat die Tätigkeit im Deutschen Bundestag immer viel Freude bereitet. Jetzt ist nach vier Jahren Schluss – früher als mir lieb ist. Aber mir war immer klar, das gilt auch für meine mitbetroffenen Kollegen, dass Mandate nur auf Zeit vergeben werden.
Der CDU-Kreisverband Mitte hatte am 28. Februar Frank Henkel zum Direktkandidaten gewählt und nicht Sie als amtierenden Mandatsträger. Henkel landete auf Platz 3. Wären Sie der bessere Kandidat gewesen?
Fairerweise muss man sagen, dass Frank Henkels Begründung war, dass er als Alt-Landesvorsitzender bessere Chancen auf Berücksichtigung bei der Zusammenstellung der Landesliste hätte. Tatsächlich gab ihm die Partei dann allerdings keinen Platz auf der Landesliste. Als CDU-Bundestagskandidat für Mitte war sein Angebot nie überzeugend. Das Ergebnis spricht für sich. Das bundesweit zweitschlechteste CDU-Erststimmenergebnis, weniger Erst- als Zweitstimmen und das in einem Gebiet, in dem wir glaubhaft auf Sieg hätten setzen können. Eine solche Kampagne gegen die SPD-Wahlkreisgewinnerin und Bundestagsabgeordnete Eva Högl, gegen die ich als ziemlich unbekannter, neuer Kandidat 2013 nur knapp unterlegen war, wäre mit dem Schwung des Bundestagsmandates und meinem politischen Profil gut möglich gewesen.
Wie ist Ihr persönliches Verhältnis zu Frank Henkel?
Ich bin Frank Henkel sehr dankbar für die Chance, die er mir im September 2012 gegeben hat. Wir haben vier Jahre – während unserer Kampagne 2013 und nach meiner für viele überraschenden Wahl in den Deutschen Bundestag – sehr gut zusammengearbeitet. Der Bruch kam mit der Berliner Wahlniederlage 2016. Ich habe nie verstanden, und ihm auch Anderes geraten, wieso Frank Henkel als Spitzenkandidat, Landesvorsitzender, Innensenator und Bürgermeister am Abend des 18. September nicht den klaren Schnitt gemacht hat. Er hätte persönlich seine Prioritäten auf eine berufliche Neuaufstellung setzen können. Stattdessen war er Teil eines destruktiven und lähmenden innerparteilichen Verteilungskampfes, der mitverantwortlich dafür war, dass die Berliner CDU bei dieser Bundestagswahl nicht so gut abgeschnitten hat, wie es möglich gewesen wäre.
Aber auch die Bundes-CDU hat sehr schlecht abgeschnitten. Bundeskanzlerin Merkel sieht allerdings keinen Grund für Kurskorrekturen. Wie sehen Sie das?
Die Union hat die Wahl zunächst einmal gewonnen. Das ist keine Frage. Aber es ist ein bitterer Sieg. Es kann und darf kein einfaches „Weiter so“ geben. Die Große Koalition wurde abgewählt, aber die Union wurde auch für inhaltliche und personelle Schwächen bestraft. Schauen Sie nur auf das Ergebnis in Bayern oder auf die Analysen über den zu inhaltsfreien Wahlkampf des Konrad-Adenauer-Hauses.
Sie sind einer von zwei Koordinatoren des Berliner Kreises, der mit kritischen Tönen zu Angela Merkel auf sich aufmerksam macht. Denken Sie, dass Ihnen das geschadet hat?
Nein. Im Gegenteil, Frank Henkels und meine Positionen ähneln sich im Grundsatz sehr. Dass ich in der einen oder anderen Frage konsequenter war, wurde mir von der Parteibasis nie vorgeworfen.
Anders gefragt: Hätte die CDU ein besseres Wahlergebnis erreichen können, wenn die Parteispitze mehr auf den Berliner Kreis gehört hätte?
Obwohl man nicht spekulieren sollte, bin ich sicher, dass eine klare Kurskorrektur und konsequente Linie, zum Beispiel beim Thema der illegalen Einreise ohne geklärte Identität, deutlich besser gewesen wäre.
Im Bundestag haben Sie in drei Ausschüssen mitgearbeitet. Was bleibt von Ihrer Arbeit nach Ihrem Ausscheiden?
Zu der inhaltlichen Arbeit in den Ausschüssen und Arbeitsgruppen kommt ja noch der Wahlkreis, der leider oftmals in der Öffentlichkeit zu wenig beachtet wird. Mir war es im Wahlkreis immer besonders wichtig, die Sichtbarkeit der CDU insgesamt zu steigern und als Ansprechpartner für alle da zu sein. Ich bin sicher, dass wir dies zum Beispiel bei meinem Engagement für interreligiösen Dialog und bei den Interaktionen mit den Bürgern und Multiplikatoren in Mitte gut umgesetzt haben.
Und Ihre Ausschussarbeit?
In Bezug auf die Ausschussarbeit bleibt in meinem Schwerpunktbereich Innovation und Forschung der Einsatz für die Forschungsfreiheit in Deutschland, etwa die Unterstützung der Fusionsforschung und der Kampf gegen linke Hochschuldogmen wie etwa die Viertelparität (alle Gruppen an der Hochschule haben die gleiche Stimmenanzahl: Professoren, Studenten, wissenschaftliche Mitarbeiter und Angestellte in Verwaltung und Technik, Anm. d. Red.) und die Zivilklausel. (Verpflichtung nur für zivile und friedliche Ziele zu forschen, Anm. d. Red.) Als Berichterstatter für das Büro für Technikfolgenabschätzung konnte ich die Abschaffung der lästigen Zeitumstellung stark voranbringen. Mit einem entsprechenden Beschluss der CDU/CSU-Fraktion ist hier ein wichtiger Schritt nach vorne gemacht worden.
Und darüber hinaus?
Mein Thema Erinnerungspolitik im Bereich Kultur und Medien hat sich als echter Glücksgriff erwiesen. Hier habe ich bei mehreren bundesweiten Kontroversen, sei es die Diskussion um den Wiederaufbau der Garnisonkirche Potsdam, das Thema Freiheits- und Einheitsdenkmal oder die Kontroverse um ein denkbares Verbot der SED/DDR-Symbole kräftig mitgemischt. Aber auch das Thema Aufarbeitung der SED-Diktatur in Ostdeutschland lag mir, auch aus persönlicher Erfahrung, stets am Herzen. Ich möchte als Stichpunkte nur „Virtuelle Rekonstruktion“ und „Mahnmal für die Opfer der Kommunistischen Gewalt in Deutschland“ nennen. Darüber hinaus habe ich mich aktiv für die Menschenrechte in Vietnam eingesetzt.
Während Ihrer Zeit im Bundestag lautete Ihre Büroadresse Unter den Linden 71. Dort befand sich früher Margot Honeckers Ministerium. Empfanden Sie dies als späte Genugtuung?
Das hat zu Beginn des Mandats und beim Tod von Margot Honecker 2016 schon eine Rolle gespielt. Die Umstände der Ossietzky-Schulaffäre 1988 haben mich persönlich und politisch sehr geprägt. Aber der politische Alltag wurde von anderen Fragen dominiert. Bei meinen vielen Gesprächen und Terminen mit jungen Menschen, Schülerinnen und Schülern, auch im Ausland, kam das Thema meiner DDR-Erfahrungen aber das eine oder andere Mal schon zur Sprache.
Wie geht es jetzt weiter? Kehren Sie zu dem großen Pharmaunternehmen im Wedding zurück, bei dem Sie auch bereits vor Ihrer Zeit im Bundestag gearbeitet haben?
Die Frage nach meiner beruflichen Absicherung war interessanterweise während meiner Kandidatur und jetzt am Ende meiner Zeit in der 18. Wahlperiode eine sehr häufig gestellte Frage. Es verwundert mich ein wenig, dass so wenigen Menschen bewusst ist, dass Bundestagsabgeordnete das grundgesetzlich verbriefte Recht haben, nach Beendigung ihrer Tätigkeit im Deutschen Bundestag an ihre alte Arbeitsstätte zurückzukehren. Das haben sich die Mütter und Väter des Grundgesetzes wohl überlegt – in Kombination mit der viel besser bekannten Regelung zu den Diäten soll es den Austausch zwischen beruflichem Umfeld und Parlament ermöglichen. Man wird als MdB in den Bundestag „abgeordnet“.
Sie sind stellvertretender Vorsitzender des CDU-Ortsverbandes Moabit. Planen Sie 2021 noch einmal zu kandidieren?
Ich bin ein politischer Mensch. Politik ist meine Leidenschaft. Ich habe mich vor dem Bundestagsmandat lange Jahre ehrenamtlich politisch engagiert und ich möchte mich auch künftig im Rahmen meiner beruflichen und familiären Situation für meinen Bezirk, meine Stadt und meine Partei einsetzen!