Die Eisbären spielen wieder oben mit. Trotz starker Konkurrenz setzten die Berliner sich seit Wochen an der Tabellenspitze fest. Ärger droht hingegen in nicht sportlichen Bereichen.
Fast Tabellenführer“ hätte eine der Schlagzeilen in der Berliner Presse heißen können. Die Eisbären Berlin standen kurz davor – der Platz an der Sonne war zum Greifen nah. Ein Sieg vorige Woche in Krefeld, und es wäre getan gewesen. Die Schlagzeile hätte aber auch lauten können: „Fast ein Startrekord“. Denn mit einem Sieg in Krefeld hätte zusätzlich der clubinterne Startrekord aus der Saison 2009/2010 mit 29 Punkten nach 13 Spieltagen eingestellt werden können.
Am Ende reichte ein Unentschieden nach drei gespielten Dritteln und dem verlorenen Penaltyschießen in Krefeld nur zu einem Punkt. Der brachte weder Tabellenführung noch Startrekord – der ist für diese Saison leider futsch. Bleibt das Thema Tabellenführung. Neuer Spieltag, neue Chance, heißt hier die Devise, denn bereits an diesem Freitag, 20. Oktober, ergibt sich für die Eisbären die Möglichkeit, den amtierenden Tabellenersten von den Thomas Sabo Ice Tigers aus Nürnberg vom Thron zu stoßen. Die Berliner sind auf dem Weg zum Auswärtsspiel in Franken und zum direkten Schlagabtausch um die zwischenzeitige Führung in der Eishockey-Bundesliga. Der Spielplan scheint wie gemalt. Die Eisbären bekommen bereits früh in der Saison die Möglichkeit, ihre seit Jahren zurückgestellten Ambitionen wieder zu unterstreichen: Erster sein, Erster bleiben, am Ende Meister werden.
Diese Perspektive hatten die Berliner seit der letzten Meisterschaft 2013 nicht mehr. Warum sie überhaupt wieder vorne mitspielen können, zeigte das Spiel gegen Schwenningen Anfang Oktober. Das 3:1 gegen die Wild Wings fiel für die Eisbären unter die Kategorie: Pflicht erledigt. Es war keines dieser Spiele, das nachhaltig in Erinnerung bleiben wird, weil es herausragende Aktionen zu bieten hatte. Und doch war es ein Spiel, das exemplarisch die aktuellen Stärken des siebenmaligen Meisters offenbart. Thomas Oppenheimer war der Schütze zum 2:1 gegen Schwenningen. Ihm fehlt als Neuling im Team zwar der Vergleich zu den vergangenen EHC-Jahren. Die wesentliche Stärke hat er aber bereits ausgemacht: „Wenn wir hinten sind, können wir nicht sagen: Jetzt wollen wir nicht mehr. Es zeichnet uns aus, dass wir bei unserem Plan bleiben“.
„Es zeichnet uns aus, dass wir bei unserem Plan bleiben“
Bereits zum dritten Mal in Serie mussten die Eisbären gegen Schwenningen einen Rückstand verdauen, gingen aber trotzdem als Gewinner vom Eis. Cheftrainer Uwe Krupp sagt: „Es ist ein gutes Zeichen für eine Mannschaft, wenn sie sich nicht aus der Bahn werfen lässt und konzentriert bleibt“. Wer an der Tabellenspitze mitmischt, dem fällt es eben auch leicht, geduldig zu bleiben. Leichter als einem Team, das in der Frühphase der Saison noch mitten in der Selbstfindungsphase steckt. Das ist schon mehr als eine nur verdeckte Anspielung auf die vergangene Saison. Und die Saison davor und so weiter.
Ein weiterer Vorzug ist die Ausgeglichenheit des Kaders. Mit Louis-Marc Aubry, Oppenheimer und Mark Olver trafen Spieler aus drei unterschiedlichen Sturmreihen. Wenn also die Paradeformation um die beiden Topscorer Sean Backman (zehn Punkte) und Nick Petersen (neun Punkte) sowie Center James Sheppard (sechs Punkte) mal tatsächlich nicht punktet, hängt der Eisbären-Angriff keineswegs durch. Das Ergebnis sind 40 Tore, nur die Kölner Haie sind in dieser Statistik mit 43 Toren einen Tick besser.
Dass die Eisbären mit nur 27 Gegentoren zugleich die drittbeste Abwehr besitzen, zeigt die Ausgewogenheit. Bei den Topverteidigern, die vor allem daran gemessen werden, dass mehr Tore als Gegentore fallen, wenn sie auf dem Eis stehen, gehören gleich drei Berliner zum Spitzenquintett − Micki DuPont, Jonas Müller und Danny Richmond.
Doch die Eisbären sind gewarnt. 2009/2010 schlossen sie die Hauptrunde nach fulminantem Start mit außergewöhnlichen 123 Punkten ab, scheiterten dann aber im Viertelfinale an Augsburg. Trainer Uwe Krupp, der stets bemüht ist, aufkommende Euphorie wegzumoderieren, dürfte es daher gefallen haben, wie Oppenheimer den aktuellen Höhenflug bewertet. „Wenn ich jetzt aufzähle, wo es noch hakt“, sagt er, „stehen wir morgen noch hier.“
Sportlich geht es also bergauf bei den Eisbären, doch es gibt noch andere Themen. Denn trotz des vierten Sieges in Folge gegen Schwenningen für die Berliner hatte der Abend für die Zuschauer einen faden Beigeschmack. So sehr sie ihre Mannschaft lieben: Sie wären an diesem Donnerstag lieber woanders gewesen. „Donnerstag is ja nich so knorke“ – unter diesem Motto protestierten die nur 8.841 Besucher in der Mercedes-Benz-Arena gegen den ungewohnten Spieltermin. An einem Donnerstagabend könnten viele Menschen nicht in die Halle kommen, insbesondere die Auswärtsfans, und darunter leide die Stimmung in der Arena. In den ersten zehn Minuten schwiegen die Fans aus Protest, erst dann feuerten sie ihr Team in gewohnter Lautstärke an. Die Fans protestierten damit gegen „Spieltags-Zerstückelung“ und „für fangerechte Bullyzeiten“. Für eine bessere Fernsehvermarktung müssen sich Teams und Zuschauer nun auch unter der Woche häufig aufrappeln.
75 Fanclubs aus der Liga haben an die DEL einen offenen Brief verfasst. Aber sind die Fans im Recht? Kritiker der Kritiker sagen, an sich könne die Sportart Eishockey froh sein, dass nun alle Spiele live gezeigt würden. Das sei ein Quantensprung. Dass der Anbieter der Live-Spiele damit Quote machen will, sei völlig nachvollziehbar und sein gutes Recht. Und: Bei 14 Clubs sei ein Donnerstags-Spieltag alle zwei Monate durchaus mal zu verkraften.
Das große Aber folgt: Die von der Telekom produzierten und gesendeten Übertragungen sind – anders als die im freien Sportfernsehen empfangbaren – ein Nischenprogramm einer Sportart, die hierzulande nicht aus ihrer wenn auch großen Nische herauskommt. Wer außer echten Eishockey-Fans schaut im Netz Eishockey? Ob es sich dafür wirklich lohnt, den Spieltag zu zerteilen? Die Fans sind nun mal mit das größte Kapital der Clubs und bei den Eisbären in Berlin sowieso.
Die Clubs müssen bei diesem Thema also abwägen. Zum Thema Tabellenführung gibt es für Chefcoach Uwe Krupp beim Spiel in Nürnberg nichts abzuwägen. Sein Standpunkt ist eindeutig: „Jungs, lasst sie uns holen“.